Hamburg. Knapp 800 Stellen werden bei der ehemaligen Landesbank gestrichen. Olaf Behm spricht von möglichen Protesten der Belegschaft.
Bis Ende 2020 soll bei der an eine Gruppe von US-Finanzinvestoren verkauften HSH Nordbank fast jeder zweite Arbeitsplatz wegfallen. Das Abendblatt sprach darüber mit Olaf Behm, dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats der Bank.
Hamburger Abendblatt: Der Vorstand hat den Beschäftigten in Hamburg und Kiel jüngst mitgeteilt, dass knapp 800 der 1700 Vollzeitarbeitsplätze wegfallen sollen. Ist dieser Einschnitt unumgänglich?
Olaf Behm: Ganz spontan: Nein. Natürlich hatten wir einen weiteren Arbeitsplatzabbau erwartet, schon weil Aufgaben wie die Bearbeitung der Ländergarantien und der faulen Kredite weggefallen sind. Die Zahl der Stellen, die gestrichen werden sollen, ging dann aber weit über das hinaus, womit wir gerechnet hatten. Besonders hart trifft es zum Beispiel die Bereiche IT, Personal oder die Banksteuerung. Aber auch das Facility Management, die innere Seele und wichtiger Teil des Hauses, soll um 60 Prozent verkleinert werden. Das bedeutet unter anderem den Abbau der Betriebskantinen. Da wird übersehen, wie wichtig so etwas für die Kolleginnen und Kollegen und die Bank ist.
Wie ist denn jetzt die Stimmung unter den Mitarbeitern?
Das Abbauprogramm hat einen Schock und Betroffenheit ausgelöst. Die Unzufriedenheit ist enorm groß. Viele Kollegen sehen das so: Hinter uns liegt ein besonders hartes Jahr, in dem wir hochmotiviert daran gearbeitet haben, den Verkauf möglich zu machen – als Dankeschön verlieren wir jetzt unseren Job.
Vorstandschef Stefan Ermisch sieht die Privatisierung als „beispiellose Erfolgsgeschichte“. Beurteilen Sie das auch so?
Ich bin sehr froh, dass der Verkauf nicht gescheitert ist. Denn dann hätte die Bank abgewickelt werden müssen, fast 2000 Beschäftigte hätten sehr bald auf der Straße gestanden. Vor einem Jahr haben sehr viele Menschen nicht geglaubt, dass die HSH Nordbank verkäuflich ist. Insofern war die Privatisierung tatsächlich ein Erfolg. Der Preis, den die Beschäftigten dafür zahlen müssen, ist aber enorm hoch – vielleicht zu hoch.
Nach Angaben des Vorstands müssen die Kosten nicht zuletzt wegen der Profitabilitätsvorgaben des Verbands der privaten Banken (BdB), in dessen Einlagensicherungsfonds die HSH zum Jahresende 2021 wechselt, so stark sinken. Gab es also gar keinen Spielraum bei dem Sparprogramm?
Der BdB ist für mich nur ein vorgeschobenes Argument. Der Vorstand hat einen Dreijahresgeschäftsplan erarbeitet, mit dem er in die Gespräche mit den neuen Investoren, der EU-Kommission und dem BdB gegangen ist. Dieser Plan entspricht sehr den Zahlen, die uns in der vergangenen Woche mitgeteilt wurden. Allerdings müssen wir ihn wegen des BdB-Zeitplans schon bis Ende 2020 umgesetzt haben, ein Jahr früher als ursprünglich vom Vorstand vorgesehen. Uns bleiben dafür also von heute an nur noch zwei Jahre. Das ist schon mehr als sportlich.
Schon in den zurückliegenden Jahren ist die Beschäftigung mittels freiwilliger Programme reduziert worden. Lässt sich der jetzt angekündigte Abbau ohne betriebsbedingte Kündigungen umsetzen?
Tatsächlich ist dies gemessen an der aktuellen Beschäftigtenzahl das größte Abbauprogramm, das diese Bank bisher erlebt hat. Ich habe Zweifel, ob es sich bei dem angekündigten Tempo so sozial verträglich umsetzen lässt, wie es der Vorstand in Aussicht gestellt hat. Das ist aber unser Ziel. Allerdings hat Herr Ermisch betriebsbedingte Kündigungen auch nicht ausgeschlossen.
Gibt es für Sie so etwas wie eine „Rote Linie“, bei deren Überschreiten die Beschäftigten zu Protestaktionen aufgerufen werden müssten?
Die angekündigten Aufgabenverschiebungen zwischen den Standorten Hamburg und Kiel haben die Mitarbeiter wie ein Hammer getroffen: Rund 200 Vollzeitstellen sollen von Kiel nach Hamburg verlagert werden, gut 100 in die umgekehrte Richtung. Für uns gilt: Niemand soll gegen seinen Willen den Standort wechseln müssen. Sollte sich das ändern, könnte es hier so eine „Rote Linie“ geben.
Für wie aussichtsreich halten Sie das Geschäftsmodell der stark verkleinerten Bank?
Es gibt für sie aus meiner Sicht auf jeden Fall eine Berechtigung, als profitable und angesehene Geschäftsbank weiter im Markt zu bestehen. Aber zuletzt drehte sich alles immer nur noch um die Kosten. Es gibt wenig Antworten auf die Frage, wo wir denn künftig mit erheblich weniger Personal zusätzliches Geschäft machen wollen.
Einen der neuen Investoren, Christopher Flowers, kennen Sie schon aus dem Aufsichtsrat. Hatten Sie auch Kontakt mit Cerberus-Managern – und welchen Eindruck haben Sie von diesen Finanzinvestoren?
Ja, die Berührungspunkte nehmen deutlich zu, zumal auch in der internen Organisation immer mehr Eigentümervertreter operative Verantwortung übernehmen. Ich erlebe aktuell knallharte Manager, die zwar auch der Arbeitnehmerseite interessiert zuhören, über ihre Ziele aber nicht mit sich reden lassen – allenfalls über die Mittel und Wege, sie zu erreichen.
Stehen Sie in Kontakt zu den Betriebsräten anderer von Cerberus übernommener Geldhäuser, etwa der Bawag in Österreich und der Südwestbank in Stuttgart?
Ja, mit ihnen tauschen wir uns aus. Das hilft uns, die neuen Investoren und ihren Stil besser einschätzen zu können. Auffällig ist die Geschwindigkeit, mit der sie Veränderungen umsetzen. Außerdem wird in den von ihnen übernommenen Banken mit immer größerer Selbstverständlichkeit Englisch gesprochen. Zweifelsohne sind wir aber noch eine deutsche Bank.
Welche Absichten verfolgen die Investoren mit der HSH Nordbank? Geht es womöglich nur darum, die Bank auszuschlachten?
J.C. Flowers ist schon seit 2006 Anteilseigner dieser Bank, und er hat seitdem viel Geld damit verloren. Es ist nachvollziehbar, dass er versucht, die Verluste jetzt wieder gutzumachen. Insgesamt unterstelle ich den Investoren ein mindestens mittelfristiges Interesse an uns. Ich kann mir vorstellen, dass sie eine Neuordnung der deutschen Bankenbranche in den kommenden Jahren erwarten. Bei diesen Veränderungen könnten wir eine Rolle spielen, dann könnte man Anteile an unserer Bank mit Gewinn wieder verkaufen. Aus meiner Sicht haben die Investoren aber auch eine Verantwortung für die Beschäftigten, die Kunden und den Finanzplatz Norddeutschland übernommen. Alle schauen jetzt mit Argusaugen auf uns. Sollten die Investoren ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, würde das ihrem Ruf in Europa sicherlich schaden.
Der HSH-Betriebsrat war in dem ganzen Verkaufsprozess nach außen kaum sichtbar, es gab keinerlei Proteste. War das im Nachhinein gesehen die richtige Strategie?
Ich bin ein Betriebsrat, der die leiseren Töne bevorzugt und lieber auf dem Gesprächsweg nach Kompromissen sucht, als öffentlich auf die Pauke zu hauen. Das setzt aber auf der Gegenseite ebenfalls die Bereitschaft voraus, zuzuhören und zu Kompromissen zu kommen. Sollte die Situation es erfordern, wären wir zu Aktionen mit Öffentlichkeitswirkung bereit. Denn natürlich erwarten die Beschäftigten, dass sich der Betriebsrat für sie einsetzt.
Es hieß, weil die Bank in Hamburg künftig deutlich weniger Platz benötige, werde ein Umzug geprüft. Wie steht es damit?
Nach Angaben des Vorstands bleiben wir in diesem Gebäudekomplex am Gerhart-Hauptmann-Platz, es wird nur interne Umzüge nach einer Umgestaltung der Räumlichkeiten geben. Es ist gut, dass wir hierbleiben, schon weil das Gebäude für das Pendeln mit dem Zug zwischen Hamburg und Kiel günstig liegt.