Hamburg. Ex-Landesbank gehört nun US-Finanzinvestoren, aber Hamburg wird trotzdem noch jahrzehntelang Milliarden-Risiken tragen.

Seit genau einer Woche ist die HSH Nordbank keine Landesbank mehr. Hamburg und Schleswig-Holstein haben alle mit dem Institut zusammenhängenden Rechte und Pflichten an eine Gruppe von US-Finanzinvestoren abgegeben. Dennoch wählte Hamburgs Finanzsenator An­dreas Dressel (SPD) anlässlich des Verkaufs eine betont vorsichtige Formulierung; man könne nun einen „ersten Schlussstrich“ ziehen, sagte er mit Blick auf die für die Länderhaushalte weiter bestehenden Risiken in Milliardenhöhe.

Nicht gerade euphorisch klangen auch Dressels Worte zur künftigen Rolle des Unternehmens, das unter dem Namen „Hamburg Commercial Bank“ auftreten wird: „Wir hoffen, dass die Bank auch in neuer Eigentümerschaft ein wichtiger Finanzmarkt-Akteur im Norden bleibt.“ Schließlich zeichnet sich schon ab, dass in den nächsten Jahren noch Hunderte von Arbeitsplätzen wegfallen werden – vor allem in Kiel.

Doch wie geht es mit der Bank nun tatsächlich weiter? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:

Welche Chancen hat das Geschäftsmodell der neuen Bank?

Der neue Name deutet es schon an: Das privatisierte Institut will als klassische Geschäftsbank für mittelständische Unternehmenskunden aktiv sein – nicht mehr wie früher hauptsächlich als Schiffsfinanzierer, sondern eher in der gewerblichen Immobilienfinanzierung und im Sektor der erneuerbaren Energien. „Aber gerade im Hinblick auf die Kreditversorgung des gehobenen Mittelstands ist der Wettbewerb sehr intensiv geworden“, sagt Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim.

Doch vieles bleibe unklar, findet Michael Kruse, Vorsitzender und wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion: „Hamburg und Kiel haben von den neuen Eigentümern keinerlei bindende Zusagen darüber erhalten, wie es mit der Bank weitergehen soll. Die Finanzinvestoren sagen nicht, welche Strategie sie mit ihr verfolgen wollen. Hier gibt es nur Fragezeichen – und das Prinzip Hoffnung.“

Wie viele Arbeitsplätze werden künftig noch verloren gehen?

Offiziell hält sich die Bank dazu mit konkreten Zahlen noch zurück. Nach Informationen des Abendblatts wird der neue Aufsichtsrat am kommenden Montag zu seiner ersten Arbeitssitzung zusammenkommen, am Tag darauf will der Vorstandsvorsitzende Stefan Ermisch in Hamburg und Kiel die Mitarbeiter informieren. In einer internen Nachricht an die Beschäftigten, die dem Abendblatt vorliegt, hatte Ermisch die Belegschaft bereits Anfang November auf eine neue Welle des Stellenabbaus vorbereitet. In der Struktur der Bank seien „grundlegende Änderungen“ notwendig, hieß es dort, man werde künftig

„mit deutlich schlankeren Strukturen“ agieren. Insidern zufolge sollen von aktuell rund 1700 Vollzeitstellen bis zum Jahr 2022 nur 1300 übrig bleiben, auf längere Sicht könne die Zahl sogar unter 1000 sinken. Allein schon durch den Wegfall der Abbaubank, in der die faulen Kredite und die abzuwickelnden Geschäfte gebündelt waren, sowie durch das Ende der komplexen Ländergarantie ergebe sich ein verringerter Personalbedarf, hatte Ermisch intern erklärt. Bis zum Frühjahr soll zudem ein Großteil der IT ausgelagert werden.

Welche Rolle wird der Standort Kiel für die Bank spielen?

Mehr als 4300 Vollzeitbeschäftigte hatte die HSH Nordbank auf dem Höhepunkt der Finanzkrise zum Jahresende 2008, davon rund 1800 in Hamburg und etwas weniger in Kiel. Derzeit sind es noch knapp 1000 in Hamburg und rund 700 in der Fördestadt. Doch die bisher in einem Staatsvertrag geregelte Kon­struktion von zwei „formal gleichwertigen“ Standorten ist mit der Privatisierung weggefallen – und auch der künftige Name der Bank lässt für Kiel nichts Gutes erwarten. Vor diesem Hintergrund geht man davon aus, dass der bevorstehende Personalabbau vorrangig dort stattfinden wird. In diese Richtung deuten auch Aussagen des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU), wonach es möglich scheine, 200 bis 600 Arbeitsplätze in Kiel zu erhalten. Der FDP-Politiker Kruse meint: „Auf lange Sicht dürfte der Standort Kiel nicht zu halten sein.“

Was ist über die neuen Eigentümer der HSH Nordbank bekannt?

Für rund eine Milliarde Euro hat eine Gruppe von Finanzinvestoren um den US-Kapitalanleger Cerberus die Bank übernommen. Der Name des neuen Haupteigners, der ein Vermögen von umgerechnet rund 30 Milliarden Euro verwaltet, ist geeignet, Vorurteile zu wecken: In der griechischen Mythologie ist Kerberos – latinisiert Cerberus – ein dreiköpfiger Hund, der darüber wacht, dass niemand aus der Hölle entkommt.

Tatsächlich war der US-Investor indirekt schon vor dem Kauf der HSH mit einer Beteiligung in Hamburg vertreten: Die Deutscher Ring Bausparkasse wurde im Dezember 2017 von der mehrheitlich zu Cerberus gehörenden Bank Bawag aus Wien übernommen, die ihrerseits nun mit einem kleinen Anteil an der HSH Nordbank beteiligt ist. Gerade vor wenigen Tagen hat die Deutscher Ring Bausparkasse angekündigt, kurzfristig mehr als die Hälfte der insgesamt 100 Stellen zu streichen. „Ein derartiger Abbau mit Brachialgewalt erfüllt uns mit Blick auf die HSH Nordbank mit Sorge“, sagt dazu Ira Gloe-Semler, Leiterin des Fachbereichs Finanzdienstleistungen bei Ver.di Hamburg. Schließlich sei es in der Branche bisher üblich gewesen, Sparprogramme mittels guter Sozialpläne umzusetzen.

Beim Kauf der HSH habe sich Cerberus vielleicht nicht von der Aussicht auf ein langfristig funktionierendes Geschäftsmodell leiten lassen, argwöhnt Kruse: „Mir scheint, dass der Fokus der Finanzinvestoren auf dem günstigen Erwerb fauler Vermögenswerte lag, die man mit Gewinn verwerten will. Sollte den Investoren das gelingen, haben sie die Bank praktisch gratis bekommen.“ So hätten sie der HSH gleichzeitig mit der Übernahme ein Portfolio fauler Kredite mit einem Wertabschlag von einer Milliarde Euro abgekauft.

Welche finanziellen Risiken bleiben für Hamburg bestehen?

Auch Hamburg und Schleswig-Holstein haben der Bank ein Paket an faulen Schiffskrediten abgekauft. Das war Mitte 2016, der Kaufpreis lag damals bei 2,4 Milliarden Euro. Diese „Ausgeburt“ der HSH, so Norbert Hackbusch, Finanz­experte der Linkspartei in der Bürgerschaft, werde jetzt schon nur noch mit höchstens 1,4 Milliarden Euro bewertet – „und wir befürchten, dass der Bestand noch weiter an Wert verliert“.

Hamburg und Schleswig-Holstein seien dadurch „zu einem der größten Reeder im Land geworden“, ergänzt Kruse. Mit den Kreditvolumen wurden seinerzeit immerhin 256 Schiffe finanziert. Darüber hinaus läuft die sogenannte Gewährträgerhaftung noch bis zum Jahr 2041. Das bedeutet: Hamburg haftet für aktuell noch 650 Millionen Euro an Altkrediten in den Büchern der HSH. Hinzu kommt die zeitlich nicht limitierte Haftung für Pensionsverbindlichkeiten von rund 320 Millionen Euro.

Aus der Zehn-Milliarden-Euro-Garantie, mit der Hamburg und Schleswig-Holstein im Jahr 2008 die HSH vor der Pleite retteten, wird abzüglich der Gebühren, die die Bank dafür zahlen musste, ein Schaden von rund 6,5 Milliarden Euro resultieren. Der „hsh finanzfonds“, über den die Garantie vergeben wurde, soll nach Auskunft der Hamburger Finanzbehörde bis mindestens 2025 fortbestehen. Dann wird der Fehlbetrag auf die Länderhaushalte verteilt.

Wie viel kosteten die HSH-Probleme jeden einzelnen Hamburger?

Insgesamt entfällt allein auf Hamburg je nach Rechnung ein Schaden in Höhe von 5,5 Milliarden bis sieben Milliarden Euro, pro Kopf sind das zwischen etwa 3200 und 4100 Euro.

Inwieweit sind private Geldanleger vom Schicksal der HSH betroffen?

Unter blumigen Namen wie „Osteranleihe“ oder „Winterzauber“ verkauften Sparkassen Wertpapiere der HSH Nordbank an Privatanleger. Es geht dabei um einen Gesamtbetrag von rund drei Milliarden Euro. Die Papiere fallen nicht unter die gesetzliche Einlagensicherung – im Gegensatz zu den Festgeldern im Volumen von 3,2 Milliarden Euro, die die HSH seit Ende 2017 über den externe Online-Anbieter zinspilot.de und über Zinsmarkt, eine Einlagenplattform der Deutschen Bank, eingesammelt hat.