Hamburg. Modekette Bonita bereitet Hamburgern Probleme. Zweite Gewinnwarnung innerhalb weniger Monate. Nun werden Jobs gestrichen.
Es sollte der ganz große Wurf werden für den Hamburger Modekonzern Tom Tailor, der Vorstoß in die Riege der größten Bekleidungsunternehmen des Kontinents. „Wir werden aus dem Stand zu einem Schwergewicht im europäischen Modemarkt“, sagte der damalige Tom-Tailor-Vorstandschef Dieter Holzer, als die Hamburger Mitte 2012 die vollständige Übernahme der Boutiquenkette Bonita für 220 Millionen Euro verkündeten. Holzer versprach eine bessere gemeinsame Zukunft: „Wir sehen strategisch, operativ und finanziell viele Vorteile.“
Gut sechs Jahre später ist der Manager längst von seinen Aufgaben in der Tom-Tailor-Zentrale am Garstedter Weg in Niendorf entbunden, Bonita, das Dauersorgenkind des börsennotierten Konzerns, ist für den Konzern zur schweren Bürde geworden und ließ in den vergangenen Tagen den Aktienkurs weiter einbrechen. Ende Januar hatte er noch bei knapp 12 Euro gelegen, seitdem ist er um fast 80 Prozent gefallen (siehe Grafik). Jetzt hat Holzer-Nachfolger Heiko Schäfer die Reißleine gezogen. Bonita solle restrukturiert und für „alle wertschaffenden Optionen“ vorbereitet werden, so der Konzern. „Dazu gehört auch ein möglicher Verkauf.“
Zweite Gewinnwarnung in wenigen Monaten
Zeitgleich gab Tom Tailor die zweite Gewinnwarnung binnen weniger Monate heraus. Der Konzern erwartet für dieses Jahr zwar weiterhin etwa 850 Millionen Euro Umsatz, nun aber deutlich geringere Gewinnmargen. Analysten gehen davon aus, dass der Konzern 2018 deutlich in die roten Zahlen rutscht. Dafür verantwortlich ist Bonita.
Der Konzern musste mehr als 100 Millionen Euro auf den Wert der Marke abschreiben und mehr Geld für drohende Verluste aus unprofitablen Bonita-Filialen zurückstellen. Davon gab es einst mehr als 1000 in Deutschland, Österreich, Belgien, der Schweiz und den Niederlanden.
Sorgenkind Bonita
Im Zuge der Restrukturierung des Konzerns wurden mehrere Hundert geschlossen, derzeit existieren noch um die 750 Bonita-Stores, davon 560 in Deutschland und ein knappes Dutzend in Hamburg. Doch während die Kernmarke Tom Tailor nach dem verlustreichen Krisenjahr 2016 schneller als erwartet wieder auf die Beine kommt und sich besser entwickelt als viele Mitbewerber in der insgesamt kriselnden deutschen Modebranche, gibt es bei der aus dem niederrheinischen Hamminkeln gesteuerten Marke Bonita keinerlei Anzeichen für eine nachhaltige Verbesserung.
Im Gegenteil: Lag der Umsatz im Jahr 2013 noch bei etwa 350 Millionen Euro, werden für dieses Jahr 220 Millionen Euro erwartet. Schon im operativen Geschäft wird Bonita absehbar Verluste einfahren. Im dritten Quartal zog die Marke den Konzern wieder in die Verlustzone, seine Verschuldung steigt. Für das vierte Quartal erwarten Analysten noch schlechtere Geschäfte der Marke.
Im Zweifel ist das Wetter schuld
Konzernchef Schäfer sieht dafür mehrere wesentliche Gründe. „Das Marktsegment insgesamt steht unter starkem Druck, die Umsätze sind branchenweit um zehn Prozent zurückgegangen“, sagt er. Bonita bietet Mode für Frauen im Alter ab 50 Jahren – und trifft dabei offenbar nicht immer den Geschmack der Zielgruppe. Zudem habe man in diesem Jahr Pech mit dem Wetter gehabt, sagt Schäfer. „Es gab kein richtiges Frühjahr und keinen richtigen Herbst.“ Übergangskleidung wie Strickjacken seien schwer verkäuflich gewesen. Neue Hosenmodelle zu günstigeren Preisen seien von den Kundinnen nicht so angenommen worden wie erwartet. Zudem gab es „interne Probleme“, räumt Schäfer ein. Er hat ein neues Management in Hamminkeln installiert, dieses habe einen „überzeugenden Plan“ vorgelegt. „Wir setzen darauf, dass dieser erfolgreich umgesetzt wird.“
Doch nachdem der Aktienkurs nach der zweiten Gewinnwarnung zeitweise im freien Fall war, am Montag mit 1,99 Euro einen historischen Tiefststand erreichte und sich erst am Dienstag wieder etwas erholte, schwindet in Hamburg die Geduld mit Hamminkeln. Schäfer sagt auch einen Satz, der durchaus als Ultimatum verstanden werden kann: „Wir müssen bei Bonita 2019 in jedem Fall deutliche Schritte nach vorne sehen, sonst wird eine Trennung wahrscheinlicher.“ Einstweilen sollen weitere unprofitable Bonita-Läden geschlossen werden. Ende vergangener Woche verkündete Bonita-Chef Karsten Oberheide den noch 300 Mitarbeitern in der Hamminkelner Zentrale, 2019 werde es dort weiteren Personalabbau geben.
Analysten werden ungeduldig
Der Aktienanalyst Volker Bosse von der Baader Bank dagegen hat die Geduld mit Tom Tailor und der Krisentochter verloren. „Wir hören seit zwei Jahren, dass sich das Geschäft stabilisiert und dass es jetzt besser wird“, sagt er. Tatsächlich sei Bonita ein „nicht enden wollendes Desaster“ und keine Besserung in Sicht. Es gebe viele Filialen an Standorten mit sinkender Kundenfrequenz, der E-Commerce-Service sei „weit hinter dem, was der Kunde heute erwartet“. Bosse hat seine Empfehlung für Tom-Tailor-Aktien jetzt von „Kaufen“ auf „Halten“ gesenkt, das Kursziel von 6 auf 2,50 Euro. Berenberg-Analyst Alexander O’Donoghue dagegen empfiehlt in einer wenige Tagen alten Analyse weiter, die Papiere zu kaufen. Aus Sicht von Bosse stellt sich für den Konzern die Frage, wie sinnvoll es ist, mit der Marke Tom Tailor verdientes Geld weiter in die Marke Bonita zu stecken.
Tom-Tailor-Gründer Uwe Schröder hatte sie schon 2017 im Abendblatt indirekt, aber recht eindeutig beantwortet. Ob er Bonita noch einmal übernehmen würde? „Das ist fraglich“, sagte der damals scheidende langjährige Aufsichtsratschef. „Aus heutiger Sicht wäre es besser gewesen, das Geld in die eigene Marke zu investieren.“