Hamburg. Das Topmodel entwirft mit dem Konzern eine neue Kollektion: T-Shirts, Jeans und Jacken. Toni Garrn folgt einer Mode-Ikone.
Heiko Schäfer ist ein hochgewachsener Mann. Unter den vier Dutzend Menschen, die sich am Montagvormittag in den Schauräumen des Hamburger Modekonzerns Tom Tailor tummeln, ist nur eine Frau, die dem Vorstandsvorsitzenden auf Augenhöhe begegnet. Zugleich ist es Schäfers derzeit weltweit bekannteste Geschäftspartnerin – und sie ist nur 20 Minuten entfernt von der Konzernzentrale am Garstedter Weg aufgewachsen: Das Topmodel Antonia „Toni“ Garrn steht auf sehr hohen Absätzen inmitten von Blusen, Blazern, Kleidern und Jeans, um die Entwürfe für eine Kollektion zu präsentieren, die in gut einem halben Jahr unter dem Namen „Toni x Tom“ in den Handel kommen wird.
Für den Konzern und seinen Chef ist es die mittlerweile dritte Zusammenarbeit mit Prominenten, die die Modemarke Tom Tailor bekannter machen und ihr Image positiv aufladen sollen. Mit dem ehemaligen Supermodel Naomi Campbell präsentierten die Modemacher aus Niendorf im Herbst 2017 eher festlich-glamouröse Outfits für Kundinnen im Alter 40plus: viel Schwarz, viel Goldglitzer. „Besonders in Russland ist das sehr gut angekommen“, sagt Schäfer. Die Campbell-Kollektionen sollten vor allem die internationale Bekanntheit von Unternehmen und Marke heben. Wie in vielen deutschen Modeunternehmen sinken auch bei Tom Tailor die Umsätze. In der vergangenen Woche gab der Konzern eine Gewinnwarnung heraus. Der Aktienkurs ist seit Anfang August um 45 Prozent eingebrochen.
Nach Naomi Campbell folgten Jeans und Karohemden von und mit der Hamburger Band Revolverheld. Die Zielgruppe: jünger, männlich, hamburgisch. Nachdem die starke internationale Expansion unter Schäfers Vorgänger Dieter Holzer gescheitert und in großen Teilen zurückgefahren worden ist, kehrt der 1962 in Hamburg gegründete Konzern zu seinen hanseatischen Wurzeln zurück. Mit beiden bisherigen Kooperationen sei man „sehr zufrieden“, sagt Schäfer. Er betont allerdings auch: Bei solchen Prominenten-Kollektionen gehe es mehr um den Imagegewinn als darum, Umsatz und Gewinn nach oben zu katapultieren.
Nun also Toni Garrn. Die 26-Jährige, die schon die Titelseiten der wichtigsten Modemagazine zierte und für weltbekannte Designer auf den Laufsteg ging, bevor sie am Gymnasium Ohlstedt die Abiturprüfungen bestand, ist so etwas wie die Synthese von Campbell und Revolverheld: weltbekannt spätestens seit ihrer Liaison mit Hollywoodstar Leonardo DiCaprio und in Hamburg zugleich besonders geschätzt, weil sie die Tochter der Stadt mit der größten internationalen Präsenz ist. Man kann auch sagen: Sie ist Hamburgs derzeit einziger Weltstar. „Wir sind stolz auf die Zusammenarbeit mit einem echten Hamburger Mädel, das eine Menge Verständnis für Modetrends und eine positive Grundhaltung mitbringt“, sagt Schäfer.
Toni Garrn sagt: „Tom Tailor ist ein Name, mit dem ich in Hamburg groß geworden bin. Die Zusammenarbeit macht viel Spaß.“ Aber wie viel Toni Garrn steckt überhaupt in der Toni-Garrn-Kollektion? „Das ist tatsächlich etwa 50 zu 50. Tom Tailor hat sehr gute Vorschläge gemacht, und ich habe meine Ideen dazu eingebracht. Nach zwölf Jahren im Business hat man ja so einige Erfahrungen gesammelt.“ Dass die Kooperation mit Garrn ganz besonders intensiv ist, bestätigt auch Konzernchef Schäfer: „Sie hat eine sehr starke Meinung.“
Etwa zwei Dutzend Teile wird die Sommerkollektion umfassen. T-Shirts, Blusen, Jeans und Denimjacken, ein Anzug. Viel Leinen, Baumwolle, Blau und Weiß sind die vorherrschenden Farben, Neontöne und Coral setzen einen Kontrapunkt. Die Preise, heißt es, seien die gleichen wie bei den normalen Kollektionen. Zielgruppe sind die typischen Tom-Tailor-Käuferinnen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren. Dass der Konzern noch Potenziale heben kann, macht Andrea Homann, die Vizepräsidentin der Marke, deutlich: „Tom Tailor macht mit Frauen- und mit Männermode etwa gleich viel Umsatz, obwohl der Markt für Women’s Wear etwa doppelt so groß ist. Wir wollen mehr Frauen gewinnen.“
Tom Tailor lässt in Asien und der Türkei produzieren
Dafür ist die Hamburgerin, die in New York lebt, auch wegen ihres sozialen Engagements eine gute Botschafterin. Sie unterstützt die Hilfsorganisation Plan International und hat eine Stiftung gegründet, die sich für Bildungsprogramme und die Rechte von Mädchen einsetzt.
Für sie sei es „wahnsinnig wichtig“ gewesen zu wissen, unter welchen Bedingungen die Kleidung, für die sie steht, produziert wird, sagt Toni Garrn. „Es ist bekannt, dass die Modeindustrie zu den umweltschädlichsten Branchen zählt. Wir haben sehr viele Checks gemacht, wo die Sachen gefertigt werden.“ Tom Tailor lässt – wie die meisten Modefirmen – vorwiegend in Asien und der Türkei produzieren. Die Hersteller würden überprüft, bevor sie einen Auftrag erhalten, betont der Vorstandschef. Ziel des Unternehmens sei zudem, bis zum Jahr 2020 mindestens 50 Prozent Baumwolle aus nachhaltigem Anbau verarbeiten zu lassen. Für das Topmodel aus den Walddörfern, das erste Erfahrungen als Schauspielerin („Oscar Pistorius“) sammelt, ist die Kooperation aber auch deshalb erfreulich, weil es mal wieder in der Heimatstadt sein kann. Zur Präsentation der Entwürfe kam Toni Garrn aus ihrem früheren Zuhause. „Wenn man morgens das Fenster aufmacht, riecht es in Hamburg einfach gut.“