Hamburg. Elektronische Helfer, die an Menschen erinnern, sollen in Hamburg verstärkt zum Einsatz kommen – nicht nur in Kliniken.
In manchen Kinofilmen sind Roboter von Menschen auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden. In der Realität fallen die Automaten bisher ebenfalls kaum auf, jedoch aus einem anderen Grund. Sie tun zwar seit Jahrzehnten in Werkshallen ihren Dienst. Doch was man dort als Roboter bezeichnet, sind meist nur programmierbare Greifarme.
Künstlicher Arbeiter
Mit einem künstlichen Arbeiter – das bedeutet der ursprünglich aus dem Tschechischen entlehnte Begriff – hat das wenig Ähnlichkeit. Angesichts der rapiden Fortschritte in der Digitalisierung ändert sich das jetzt allerdings: Sogenannte humanoide Roboter haben einen Körper und einen Kopf, vor allem aber können sie sehen, hören und sprechen. Immer häufiger werden sie für die Öffentlichkeit sichtbar und treten mit Menschen in direkten Kontakt, auch in Hamburg.
„Paul“ ist hier schon seit gut einem Jahr vor großem Publikum im Einsatz: Im Saturn-Elektronikmarkt an der Mönckebergstraße kann man ihn fragen, wo bestimmte Produkte zu finden sind, und sich von ihm dann dorthin führen lassen. Jeden Monat werde dies von mehreren Tausend Markt-Besuchern genutzt, sagt eine Firmensprecherin. Paul sei „sehr beliebt bei unseren Kunden“. Zwar lässt sich mit ihm auch über das Wetter plaudern, wirklich menschenähnlich aber sieht er nicht aus, sondern eher wie eine rollende Säule.
Was "Pepper" kann
Ganz anders ist das bei „Pepper“: Das von einer französischen Tochterfirma des japanischen Telekommunikations- und Medienkonzerns SoftBank entwickelte putzige Kerlchen hat ein 1,20 Meter hohes weißes Kunststoffgehäuse, einen runden Kopf mit übergroßen Augen sowie Hände, die zugreifen und Berührungen spüren können wie die eines Menschen. Pepper kann das Geschlecht seines menschlichen Gegenübers erkennen und anhand des Gesichtsausdrucks sogar dessen aktuelle Stimmungslage einschätzen. Sprechen kann er natürlich auch, aber eben nur im begrenzten Rahmen der Möglichkeiten künstlicher Intelligenz.
Testlauf bei Asklepios in Wandsbek
Demnächst will der Krankenhauskonzern Asklepios mit einem bereits angeschafften Pepper-Roboter in der Wandsbeker Klinik einen Testlauf starten. „Wir können uns zum Beispiel vorstellen, dass er mit Besuchern und Patienten kommuniziert und Fragen wie diese beantwortet: ,Wie komme ich zum Büro des Chefarztes?‘ oder ,Wo finde ich den nächsten Fahrstuhl?‘“, so Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz. „Der Roboter könnte auch mit Patienten spielen, er hat ja einen Touchscreen.“
Bei Hamburg Innovation, der Harburger Technologietransferstelle der öffentlich-rechtlichen Hochschulen der Hansestadt, gibt es ebenfalls Pläne, Pepper im Kontakt mit Besuchern zu erproben. Auch im Bankensektor beschäftigt man sich mit dem elektromechanischen Knirps: In der Sparkasse Bremen ist er seit Oktober im Einsatz, die Hamburger Volksbank hat ihn sich auf einer internen Veranstaltung vorführen lassen.
Digitale Zukunft
„Das Interesse an Pepper ist sehr groß“, sagt Nick Sohnemann, Gründer und Chef der Hamburger Innovationsagentur Future Candy, die Firmen dabei helfen will, „Ideen für die digitale Zukunft zu entwickeln“. Bei 25 bis 30 Gelegenheiten allein in diesem Jahr habe er Pepper in Unternehmen präsentiert, sagt Sohnemann. „Ein großes Thema ist der Einsatz des Roboters als Rezeptionist, zumindest in Randzeiten.“
Gar nicht niedlich wie Pepper, sondern eher wie einer der unangenehmeren unter den Humanoiden aus der „Star Wars“-Kinofilmreihe sieht DJ Rob aus. Als erster plattenauflegender Showroboter wirkt er seit Mai an Bord von „Mein Schiff 1“ der Hamburger Kreuzfahrtreederei TUI Cruises.
Hergestellt wurde der musikalische Automat von dem Berliner Unternehmen pi4_robotics. So feingliedrig wie DJ Rob seien die Produkte der Firma sonst nicht, sagt ihr Gründer und Chef Matthias Krinke, bisher seien sie zumeist in der Industrie tätig. Auch er arbeitet aber an weiteren Geräten, die außerhalb von Fertigungshallen verwendbar sind. „Uns liegen für 2019 mehrere Vorbestellungen für Roboter vor, die am Empfang von Unternehmen oder Institutionen eingesetzt werden sollen“, so Krinke. „Solche Geräte können Personen erkennen, etwa indem sie sich den Personalausweis zeigen lassen.“
Gisela im Bikini Berlin
Krinkes Firma hat aber nicht nur den ersten DJ-Roboter gebaut, sondern auch „Gisela“, die im Shoppingcenter Bikini Berlin seit Mai im ersten von einem humanoiden Automaten betriebenen Kiosk unter anderem von ihr selbst gefertigte 3-D-Puzzles verkauft. Gisela ist 2,10 Meter groß und damit – ganz anders als Pepper – eine respekteinflößende Erscheinung. „Aus Studien wissen wir, dass Kunden einen Roboter wünschen, der erwachsen wirkt, denn nur dann wird er ernst genommen“, sagt Krinke dazu. Mit ihrem Bildschirmgesicht folge Gisela noch einer anderen Erkenntnis: „Ein Roboter sollte nicht zu menschenähnlich aussehen, weil das als unheimlich wahrgenommen wird.“ Gisela spielte nicht nur bereits in einem „Tatort“-Krimi („Tiere der Großstadt“) mit und geriet darin sogar unter Tatverdacht. Demnächst dürfte sie nach Angaben von Krinke auch real sehr vielen Menschen begegnen: „Von Januar 2019 an wird eine große deutsche Einzelhandelskette Gisela einsetzen.“
Maschinenwesen von pi4_robotics sind schon seit längerer Zeit in Pflegeheimen und Krankenhäusern in Betrieb, um die Mahlzeiten von der Küche auf die Stationen zu bringen oder Wäschesäcke von dort abzuholen. Erste technische Voraussetzungen für eine Verwendung näher am Patienten sind nach Auffassung von Krinke bereits erfüllt, etwa die Gesichtserkennung: „Das ist wichtig, wenn ein Roboter zum Beispiel in einem Pflegeheim die Tabletten ausgeben soll – es muss sichergestellt sein, dass die richtige Person sie erhält.“ Im kommenden Jahr werde man die Geräte zudem mit einer Spracherkennung und einer Dialogfähigkeit ausstatten: „An weiteren Fähigkeiten, die für den Umgang mit Patienten bedeutsam sind, arbeiten wir intensiv.“
Eine Plüschrobbe in Pflegeeinrichtungen
Nick Sohnemann hat seinen Pepper ebenfalls schon bei Pflegeheimbetreibern vorgestellt. Der Roboter könne das dortige Personal begleiten und hinterher die sehr zeitraubende Dokumentation der Arbeiten erleichtern, so die Idee. „Aber Kliniken und Heimbetreiber haben in der Regel keine Entwicklungsabteilungen, die den Automaten die sehr speziellen Fähigkeiten vermitteln könnten“, sagt Sohnemann.
„Paro“ ist zwar kein humanoider Roboter, er hat stattdessen die Form und das weiche Fell einer jungen Robbe. Als Therapiehelfer ist er aber schon in Hamburger Pflegeeinrichtungen in Schnelsen und in Jenfeld tätig. Der Plüsch-Heuler kann auf Berührungen und menschliche Stimmen mit Bewegungen und Geräuschen reagieren. Er wird Demenzkranken zum Kuscheln angeboten – eine Idee, die aus guten Erfahrungen mit tiergestützten Therapien stammt. Paro, der schon seit den 1990er-Jahre in Japan entwickelt wurde, soll die Pflege unterstützen, sie jedoch nicht den Menschen abnehmen.
Auch bei Asklepios weist man Spekulationen, in einigen Jahren könnten angesichts der häufig beklagten Personalknappheit Pflegeroboter in der Branche die Arbeit aufnehmen, sehr entschieden zurück. Es sei „ausgeschlossen“, dass die Automaten in absehbarer Zeit Patienten pflegen, so Eberenz: „Davon ist die Technik noch Lichtjahre entfernt. Menschliche Zuwendung kann ein Roboter nicht ersetzen.“