Hamburg. Wie Georg Mecke die Hamburger Kammer tadelt. Sind die geforderten Neuwahlen mit der Satzung überhaupt vereinbar?

Freitagnachmittag, 16.33 Uhr, Plenarsaal der Handelskammer Hamburg. Es ist die erste Sitzung des Plenums nach Tobias Bergmanns Rücktritt als Präses. Und es ist voll. Rund 50 Plenarier und eine große Zahl von Medienvertretern sind erschienen.

André Mücke eröffnet die Sitzung. Der kommissarische Präses bedankt sich zunächst bei Bergmann für dessen „großen Einsatz“, man habe den Rücktritt mit „Bedauern und Respekt“ zur Kenntnis genommen. Dann weist Mücke nochmals darauf hin, dass das Präsidium – mit Ausnahme der Bergmann-Vertrauten Christine Stumpf – am 24. Januar 2019 zurücktreten werde, um den Weg für einen „Neustart in der Handelskammer“ freizumachen. Das Plenum soll dann das neue Präsidium bestimmen. Durchaus möglich, dass die alten Präsidiumsmitglieder erneut antreten. Mückes Appell am Schluss seiner Rede: „Lassen Sie uns zu einer themenorientierten Sacharbeit“ zurückkehren.

Vogelsang für Neuwahlen

Für einen Neustart plädiert auch Harald Vogelsang, der als erster Plenarier nach Mücke das Wort ergreift. Und zu einem Neustart gehören für den Haspa-Chef, der als einer von wenigen nicht der Mehrheitsfraktion „Die Kammer sind wir“ angehört, Neuwahlen. Doch genau die hat Mücke zuvor als laut Satzung „nicht möglich“ bezeichnet. Der Hausjustiziar soll nun für Klarheit sorgen. Der spricht sich zwar gegen Neuwahlen aus, weil dieser Weg mit einer „zu großen Rechtsunsicherheit“ verbunden wäre. Doch für unmöglich halte er sie nicht, wie Vogelsang im Abschluss nochmal für das Protokoll festhalten lässt. Vize-Präses Torsten Teichert hat offensichtlich wenig Interesse an einer langen Debatte über Neuwahlen, die auch er ablehnt, und nennt einen vorgezogenen Urnengang „rechtlich unsauber“. Damit seien Neuwahlen also „nicht unmöglich“, antwortet Vogelsang.

Airbus-Chef Georg Mecke: Schluss mit Mobbing

Keine weiteren Wortmeldungen zu diesem kontroversen Thema. Im Anschluss wird es grundsätzlich. Hamburgs Airbus-Chef Georg Mecke zeigt sich – wie er sagt – „ erschüttert“ über den Zustand der Handelskammer. „Sie hatte einst eine hohe Achtung im In- und Ausland. Das hat man komplett verspielt“, sagt der Mann, der die Verantwortung für den größten Industriebetrieb der Stadt mit fast 13.000 Beschäftigten trägt. Durch interne Querelen und so genannte Reformen sei „bestes Personal vertrieben“ worden. Damit müsse Schluss sein. Alle im Präsidium hätten nun die Verpflichtung, wieder „mit großer Anstrengung“ für die Kammer zu arbeiten und dürften sich nicht weiter gegenseitig mobben.

Wer übernimmt die Abfindung?

Nun kommt man zu Punkt 3 der Tagesordnung. Der mittlerweile aus dem Bündnis „Die Kammer sind wir“ und dem Präsidium zurückgetretene Chef des Hafenunternehmens Buss, Johann Killinger, will darüber abstimmen lassen, ob die Handelskammer die Abfindungszahlung in Höhe von 33.500 Euro an die frühere Bereichsleiterin Corinna Nienstedt übernimmt.

Dieses Geld hatte die Hauptgeschäftsführerin der Kammer, Christ Degen, ohne Rücksprache mit dem Ehrenamt angewiesen. Nicht wenige in der Kammer sind deshalb der Meinung, Degen solle den Betrag aus eigener Tasche bezahlen. Vor der Abstimmung müssen die Medienvertreter den Raum verlassen, weil sonst Persönlichkeitsrechte verletzt werden könnten, sagt André Mücke.

Punkt für die Hauptgeschäftsführerin

Die Beratung dauert nur wenige Minuten, dann steht fest: Die Kammer übernimmt die Abfindung. In geheimer Wahl haben mehr als 40 der Plenarier dafür gestimmt, Degen wegen der Zahlung zu entlasten, und damit der angeschlagenen Hauptgeschäftsführerin den Rücken gestärkt. Ironie des Schicksals: Das Plenum stimmt damit genau dem Vorschlag zu, für den Bergmann immer gekämpft hatte – und von seinen Vize-Präsides im Stich gelassen worden war. Dann wird die Debatte schärfer und kontroverser. Auslöser ist ein mehrfach geänderter Antrag des Präsidiums zum Reorganisationsprozess der Handelskammer.

Debatte um Reorganisation

Wie berichtet, soll die Kammer zum Jahreswechsel eine neue Struktur bekommen, die besser zur Strategie der Kammer-Rebellen passt, künftig mit deutlich geringeren Ausgaben zurechtzukommen. Ursprünglich sollte diese Reform verschoben werden. Jetzt ist davon keine Rede mehr. „Der Reorganisationsprozess in der Kammer läuft sehr gut“, sagt Vize-Präses Christine Stumpf. „In meinen Bereichen haben wir vieles erreicht, deshalb will ich auch auf jeden Fall weitermachen“, sagt Stumpf zur Begründung. „Mir ist rätselhaft wie Sie zu der Einschätzung kommen, dass die Reorganisation der Kammer gut läuft“, erwidert Haspa-Chef Vogelsang.

Reformprozess wird fortgesetzt

Er bezieht sich auf eine Umfrage, die der Personalrat unter den Mitarbeitern der Handelskammer durchgeführt hat, und deren Ergebnis Vize-Präses Torsten Teichert kurz zuvor präsentiert hat: Demnach glauben 79 Prozent der Kammermitarbeiter, dass die Reorganisation keine positiven Auswirkungen für die Kammer haben wird. 68 Prozent glauben, dass es auch für sie persönlich keine Verbesserung geben werde. „Sie können doch nicht ernsthaft glauben, dass Sie hier so weitermachen können, wenn fast 80 Prozent der Mitarbeiter den Prozess für einen Irrtum halten“, ruft der unabhängige Plenarier, Niels Pirck. Aber genau das können die Rebellen. Mit ihrer deutlichen Mehrheit beschließen sie, den Reformprozess fortzusetzen.