Hamburg. Große Teile der Produktion von Röntgensystemen sollen in die Niederlande verlagert werden. IG Metall will um Arbeitsplätze kämpfen.

Das Betriebsrestaurant von Philips in Ohlsdorf gehört zu den schönsten Kantinen Hamburgs. Der Essbereich ist hell und in den Firmenfarbtönen Blau und Weiß gestaltet. Es gibt eine Grillstation und einen Pizzaofen, Gerichte aus dem Wok und eine gut sortierte Salatbar. An der Decke hängen Beamer und Fernseher, ermöglichen Präsentationen und sogenannte Townhall-Meetings. Das Licht lässt sich über ein Touchpad am Eingang steuern, um die im Raum sitzenden Menschen in die richtige Stimmung zu versetzen.

Es ist nicht überliefert, welches Lichtkonzept das Unternehmen am Dienstagmorgen für sein Townhall-Meeting wählte. Die Botschaft des niederländischen Elektronik- und Medizintechnikkonzerns dürfte den anwesenden Mitarbeitern aber die Laune getrübt haben – womöglich sogar auf den Magen geschlagen haben. Am Standort Hamburg, der das Hauptquartier für Deutschland, Österreich und die Schweiz (DACH-Region) ist und vom Niederländer Peter Vullinghs geleitet wird, droht ein erheblicher Jobabbau. Insgesamt gehe es um etwa 215 Arbeitsplätze, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person dem Abendblatt. Ein großer Teil der Produktion von Röntgensystemen soll in die Niederlande verlagert werden. Zudem soll ein Teil der Entwicklungsarbeit künftig in Indien stattfinden, sagte der Insider.

Zeitdruck gibt es nicht

Unternehmenssprecher Sebastian Lindemann bestätigte auf Abendblatt-Anfrage im Wesentlichen diese Pläne. „Wir führen Gespräche mit unserem Wirtschaftsausschuss und den Arbeitnehmervertretern, wie wir diese Maßnahme gestalten können“, sagte Lindemann. Auf eine Zahl der betroffenen Mitarbeiter wollte er sich nicht festlegen, die Größenordnung 200 stimme aber. Ende 2017 hatte das Unternehmen in der Abendblatt-Umfrage bei den größten Unternehmen der Hansestadt angegeben, in Hamburg knapp 2900 Beschäftigte zu haben. Betroffen wäre damit etwa jeder 14. Mitarbeiter. Man wolle in Ruhe mit den Mitarbeitern reden und schauen, ob es Möglichkeiten gibt, sie zu halten oder in anderen Bereichen unterzubringen, so Lindemann.

Fordernder wird die IG Metall. Gewerkschaftssekretär Kai Schliemann sagte, er werde zusammen mit dem Betriebsrat versuchen, dass es so wenige betriebsbedingte Kündigungen gebe und so viele Jobs in Hamburg erhalten blieben wie möglich. Mehr wollte Schliemann am Mittwoch nicht sagen, weil er sich zunächst noch in die Thematik einarbeiten müsse.

Die Verlagerung der Produktion der Röntgensysteme solle demnächst beginnen und laut Lindemann im Laufe des Jahres 2020 abgeschlossen sein. Einen Zeitdruck gebe es bei der Umsetzung der Maßnahme nicht. Als Grund für die Pläne verweist der Sprecher auf den Restrukturierungsprozess, in dem sich Philips seit einiger Zeit befinde.

Medizintechnik hat Wurzeln in Hansestadt

Der Mischkonzern alter Prägung wandelt sich stark. Mitte des vergangenen Jahrzehnts wurde die Halbleitersparte verkauft und firmiert seitdem unter dem Namen NXP. Der Ausstieg aus dem TV-Geschäft begann Anfang 2011 und wurde Anfang 2014 abgeschlossen. Vor einem Jahr war auch der Verkauf der Lichtsparte endgültig besiegelt – dabei war sie die Keimzelle des Unternehmens. Die Firmengeschichte hatte Ende des 19. Jahrhunderts im niederländischen Eindhoven mit der Herstellung von Glühlampen begonnen. Während man sich von traditions­reichen Bereichen trennte, wurde das Geschäft mit Kleingeräten ausgebaut: Mixer, Rasierer, Kaffeemaschinen und Elektrozahnbürsten rückten in den Vordergrund. Philips nimmt zudem verstärkt die Gesundheitstechnologie in den Fokus – und deren Ursprung lag maßgeblich in Hamburg.

An der Röntgenstraßen werden seit Jahrzehnten Produkte der Medizintechnik hergestellt. 1927 erwarb Philips die Firma C. F. H. Müller, in der Röntgenröhren gefertigt wurden. Dieser Zukauf war eine wichtige Grundlage für spätere Erfolge in der Medizintechnik des Konzerns. Der Standort Hamburg gilt als internationales Kompetenzzentrum für die Softwareentwicklung der bildgebenden Radiografie des Konzerns. Auch das digitale Röntgen wurde in Ohlsdorf erfunden. Die Röntgensysteme werden weltweit exportiert.

Ende 2015 weihte der Konzern direkt neben dem Medizingerätewerk seine neue Deutschland-Zentrale ein. Der Standort in der Nähe des Flughafens ersetzte den alten Sitz in St. Georg. Das Gebäude an der Röntgenstraße mietete Philips für 15 Jahre vom Projektentwickler ECE. Die erstklassige Ausstattung der Kantine ließ sich das Unternehmen 2,7 Millionen Euro kosten. Mit der Aufwertung wolle man den Beschäftigten Wertschätzung zeigen, hieß es damals. Für die Mitarbeiter, die nun um die Jobs bangen, muss das wie Hohn klingen.