Hamburg. Der Hamburger Importeur Farmkind zieht das Getränk zurück und erhebt Schadenersatzklage. Weitere Unternehmen sind betroffen.
Als im Sommer das Kokoswasser von Taste Nirvana plötzlich nicht mehr in den Regalen von Lebensmittelhändlern und Drogerieketten stand, reagierten die Kunden zunächst verwundert. Nachdem es auch Wochen später nicht wieder auftauchte, waren sie irritiert. Ohne großes öffentliches Aufsehen ist der Hersteller des angesagten Trendgetränks vom deutschen Markt verschwunden. Der Grund: Offenbar war in den grünen Glasfläschchen mit dem Hinweis „Pure“ mit Preisen zwischen sechs und neun Euro nicht nur pures Kokoswasser, sondern auch reichlich Zucker und Leitungswasser. Taste Nirvana ist zudem kein Einzelfall. Die Wettbewerbszentrale hat insgesamt vier Unternehmen wegen falscher Angaben auf ihren Kokoswasserflaschen abgemahnt, ein weiterer Fall ist derweil in der Prüfung.
Das Getränk hat in den vergangenen Jahren viele Liebhaber gefunden, die auch weit weg von den Stränden in Thailand, Vietnam, den Philippinen oder der Karibik den Saft aus grünen Kokosnüssen schlürfen wollen. Kokoswasser hat viele Mineralstoffe wie Kalium, Natrium, Magnesium – aber wenig Kalorien. Deshalb gilt das Getränk als gesund und steht bei Sportlern hoch im Kurs. Zahlreiche Anbieter, darunter auch Start-ups, strebten auf den Markt mit Kokoswasser in trendigen Flaschen – und natürlich mit dem Zusatz „pur“.
Hamburger Importeur setzte auf das Kokoswasser
Auch der Hamburger Christian Hoffmann, der gemeinsam mit seiner Frau den europäischen Vertrieb für das amerikanischen Unternehmen Taste Nirvana mit Ableger in Thailand aufbaute, setzte auf das angesagte Erfrischungsgetränk. Er kündigte seinen sicheren Managerjob bei Coca-Cola, gründete das Unternehmen Farmkind und wurde innerhalb weniger Jahre zu einem der größten Distributeure. „Die Nüsse werden frühmorgens geerntet und sofort frisch abgefüllt“, sagte er im vergangenen Sommer dem Abendblatt. „Unser Kokoswasser besteht zu 100 Prozent aus natürlichem Direktsaft und nicht aus Konzentrat.“ Mehr als 1000 Händler zwischen Italien und Finnland nahmen das Kokoswasser in verschiedenen Geschmacksrichtungen und teilweise in Bio-Qualität ins Sortiment, in Hamburg etwa Budnikowsky, dm, Edeka oder der Bio-Hof Wulksfelde. 2017 machte Farmkind mit Taste Nirvana knapp eine Million Euro Umsatz.
Das ist vorbei. Hoffmann hat im Oktober eine Schadenersatzklage gegen den Hersteller von Taste Nirvana eingereicht. Ende Mai hatte der deutsche Importeur einen Hinweis bekommen, dass sein Produkt nicht so rein ist wie angegeben. Er ließ das Kokoswasser daraufhin mit sogenannten Isotopen-Analysen ähnlich wie in der Weinindustrie testen – mit niederschmetterndem Ergebnis. Das Getränk enthalte bedeutende Mengen zugesetzten Zucker und Leitungswasser, hieß es. Hoffmann zog – ohne Abmahnung der Wettbewerbszentrale – sofort die Reißleine und ließ sein Produkt im Juli in Absprache mit den zuständigen Behörden aus den Regalen nehmen.
Taste Nirvana gab es bei Budni, dm, Edeka und Co.
Die Händler – wie etwa Budnikowsky – bestätigen das. Eine offizielle Rückrufaktion wurde nicht gestartet. „Es gab kein Gesundheitsrisiko“, sagt der 39-Jährige. Seine Anwälte fordern jetzt vor einem Gericht im US-Staat Kalifornien knapp fünf Millionen Euro Schadenersatz. „Dass es sich um einen Betrugsfall handelt, davon konnte ich nicht ausgehen“, erklärt er, warum er das Produkt nicht früher testen ließ.
Inzwischen sind weitere Anbieter vom Markt verschwunden. „Wir hatten im vergangenen Jahr vier Beschwerden von unseren Mitgliedern zu gestrecktem Kokoswasser“, sagt Hanna Gempp, die bei der Wettbewerbszentrale für die Bereiche Lebensmittel und Getränke zu ständig ist. Dabei handelte es sich um drei kleinere Start-ups und einen größeren Importeur von asiatischen Lebensmitteln. Drei Anbieter seien abgemahnt worden und hätten eine Unterlassungserklärung abgegeben. Im vierten Fall habe es eine einstweilige Verfügung gegeben, die akzeptiert wurde.
Christian Hoffmann sieht sich in seiner Existenz bedroht
Namen nennt die Wettbewerbsexpertin nicht. Aktuell hat Gempp noch einen fünften Fall auf dem Tisch. „Kokoswasser ist ein vergleichsweise neues Produkt, die Konkurrenz ist groß“, erklärt die Wettbewerbsexpertin die Verstöße bei der Kennzeichnungspflicht. Insgesamt habe es im vergangenen Jahr sogar 23 Beschwerden rund um das Thema Kokosprodukte gegeben. Dabei sei es vor allem um mögliche Irreführung bei gesundheitsbezogenen Aussagen zu Kokosöl gegangen.
Der Absatz von Kokoswasser ist weiterhin hoch. Konkrete Zahlen gibt es nicht, der Markt ist unübersichtlich. Während früher Kokosnüsse an den Stränden in Südostasien verrotteten, kommen die Herkunftsländer heute mit der Produktion nicht mehr hinterher – trotz zunehmender Kritik an den wenig ökologischen Transportwegen um die halbe Erde. Taste Nirvana hat das Kokoswasser auf der US-Internetseite weiter im Angebot. Statt mit dem Hinweis „pure“ wirbt das Unternehmen nun allerdings mit „real“ – echt.
Hoffmann will Firma Farmkind neu aufstellen
Für Importeur Christian Hoffmann ist das Thema seit Sommer diesen Jahres komplett erledigt. Der Hamburger, der übrigens selbst Kokosgeschmack gar nicht mag, hat sich von dem Lieferanten und der Marke Taste Nirvana getrennt. Für den Vater von kleinen Zwillingen ist der Abschied von seinem einzigen Produkt „existenziell“, sagt er. Jetzt will er seine Firma Farmkind für die Zukunft ganz neu aufstellen. „Wir schauen uns den internationalen Food-Markt genau an und entscheiden dann über den Vertrieb von neuen Marken.“