Hamburg. Das Unternehmen Pickawood will den Umsatz im nächsten Jahr um 50 Prozent steigern. Immer mehr Kunden meiden Massenware.
Schuhe, Taschen, Uhren, T-Shirts und sogar Kekse – all dies können Verbraucher nach eigenen Wünschen gestalten lassen. Und das tun sie immer häufiger. „Bereits heute finden mehr als die Hälfte der Kunden individuelle Produkte interessanter als gleichwertige Massenprodukte“, sagt Mark Sievers, Marketingexperte bei der Unternehmensberatung KPMG, die zusammen mit den Marktforschern des IFH Köln eine Studie zu diesem Thema erstellt hat.
Auf diesen Trend setzt das Hamburger Unternehmen Pickawood – offenbar mit Erfolg: Die Firma, die Möbel nach Maß über das Internet anbietet, tauchte in den vergangenen Jahren mehrfach auf Listen der wachstumsstärksten Start-ups auf. „Wir haben mit Regalen angefangen und sie sind immer noch das Hauptprodukt. Aber nach und nach haben wir unser Produktportfolio erweitert und bieten jetzt auch Sideboards, Tische oder Kleiderschränke an“, sagt Pickawood-Geschäftsführer Tim Ehling, der das Unternehmen im Jahr 2012 zusammen mit Geschäftspartnern gegründet hat.
Idee stammt von der polnischen Verwandtschaft
Auf die Idee dafür kam er bei Verwandten: „Meine Frau stammt aus Polen und bei einem Besuch dort haben wir eine maßgefertigte Schrankwand gesehen“, erklärt Ehling, der zuvor eine Agentur für Internet-Suchmaschinenmarketing aufgebaut hatte. Er vertraute darauf, dass man solche Möbelstücke online auch in Deutschland verkaufen kann – zum Beispiel an Menschen, die in komplex geschnittenen Altbauwohnungen leben oder Dachschrägen berücksichtigen müssen. Inzwischen hat Pickawood 18 Beschäftigte und einen Showroom am Rödingsmarkt. Hergestellt werden die Möbel allerdings fast ausschließlich in Polen.
„Wir arbeiten derzeit mit zwölf Produktionsbetrieben zusammen, die alle mittelgroße Familienbetriebe sind und meist eine bestimmte Spezialisierung haben“, sagt Mitgeschäftsführer Henry Fleischer, der 2013 zu Pickawood kam. Elf der Betriebe mit meist zwischen 20 und 40 Mitarbeitern befinden sich in Polen. „Wir hätten nichts dagegen, einen größeren Teil der Fertigung nach Deutschland zu holen“, so Fleischer. „Aber Polen bietet immer noch deutlich günstigere Personalkosten, und das Land ist einer der führenden Möbelproduktionsstandorte Europas.“
Fertigung hauptsächlich von Einzelstücken
Auch dort arbeite man in der Regel mit modernen, rechnergesteuerten Maschinen. Hohe Flexibilität ist eine Voraussetzung für Aufträge von Pickawood, denn abgesehen von einer kleineren Serie von Schreibtischen für die Haspa handelt es sich bei Bestellungen praktisch ausschließlich um Einzelstücke. Die Kunden können unter mindestens elf Massivholzarten und 200 Lackfarbtönen auswählen. Möbel aus Spanplatten mit lackierten Oberflächen machen ungefähr die Hälfte des Absatzes aus, unter denen aus Naturholz sind Eiche und Buche besonders gefragt.
„Derzeit verkaufen wir gut 7000 Möbelstücke pro Jahr, wovon fast keines wie das andere ist“, sagt Fleischer. „Das ist für uns eine Herausforderung, weil es bedeuten kann, dass eine lackierte Tür von einem Fertigungsbetrieb zu einem anderen geschickt werden muss.“ Wettbewerber schränkten wegen dieser Komplexität die Auswahlmöglichkeiten stark ein und böten meist nur einige wenige Materialien an. „Unsere Kunden sind meist über 30 Jahre alt, haben oftmals eine Familie und gehören eher zu den besser verdienenden Menschen“, beschreibt Ehling die Zielgruppe: „Sie wollen Möbel, die auf sie persönlich zugeschnitten und langlebig sind.“ Genau diesen Kundenkreis haben auch verschiedene andere Anbieter im Blick: Ende September eröffnete die Tischfabrik24 aus Berlin einen Showroom in der HafenCity, die Firma Holzconnection, ebenfalls aus Berlin, ist in Hamburg mit Filialen in Eppendorf und Winterhude vertreten. Ein weiterer bedeutender Konkurrent ist DeinSchrank.de aus Frechen bei Köln, der jedoch nicht mit einem Geschäft in Hamburg präsent ist.
Online-Umsatz der Branche wird weiter stark steigen
Auch für viele Pickawood-Kunden ist es gar nicht so wichtig, die Möbel vor der Kaufentscheidung ansehen und anfassen zu können: „Wir verkaufen zwar in Hamburg tendenziell etwas mehr als in anderen Städten“, sagt Ehling. „Aber 95 Prozent des Umsatzes erzielen wir online.“ Die Kunden können die Möbel im Internet konfigurieren, indem sie die Maße und die gewünschte Ausführung eingeben. Geliefert werden die Stücke dann in Einzelteilen, einen Montageservice kann man hinzubuchen.
Einer Studie der Beratungsfirma PwC zur Möbelbranche zufolge dürfte der Online-Umsatz bis 2022 stark zulegen – um jährlich 11,3 Prozent. Ehling hat ambitioniertere Ziele: „Wir sind seit der Gründung sehr stark gewachsen und erwarten, den Umsatz von knapp fünf Millionen Euro 2019 um mehr als 50 Prozent steigern zu können.“ Die Zahl der Mitarbeiter dürfte dann bis Ende 2019 auf rund 30 steigen, so der Gründer.
Aktuell steht die Erschließung von weiteren europäischen Märkten auf der Agenda, was frisches Kapital erfordert. „2015 gab es eine kleine Crowdfinanzierungs-Runde und gerade jetzt läuft eine weitere, mit der wir bereits eine halbe Million Euro eingesammelt haben“, so Ehling. „Ein großer Teil der Investoren hat vorher bei uns etwas gekauft.“
An Ideen für die Weiterentwicklung der Firma fehle es den Geschäftsführern nicht, sagt Fleischer: „Längerfristig können wir uns vorstellen, auch Küchen oder Betten anzubieten.“