Hamburg. Das Hamburger Unternehmen Diehl streicht 565 Jobs. Serienfertigungen für A380, A340 und A320 sollen ins Ausland verlagert werden.

Die Mitarbeiter des Luftfahrtzulieferers Diehl Aviation waren betroffen und geschockt. So beschreibt Betriebsratschef Ulrich Orth die Stimmung bei der Mitarbeiterversammlung. Denn was die Geschäftsleitung verkündete, war viel dramatischer, als sie befürchtet hatten. Rund die Hälfte der 1100 Mitarbeiter wird ihren Job in Hamburg verlieren, weil die komplette Serienfertigung von Bordküchen und Waschräumen für die Airbus-Typen wie A 380, A 340 und A320 nach Ungarn verlagert werden soll.

„565 Beschäftigte droht die Entlassung bis zum Jahr 2020“, sagte Orth dem Abendblatt. Davon seien 325 Mitarbeiter in der Serienfertigung, 90 in der Entwicklungsabteilung und 150 im administrativen Bereich betroffen. „Hier in Hamburg verbleibt ein sogenannter Anlauf- und Entwicklungsbetrieb, und auch dessen Existenz ist nur für zwei Jahre gesichert“, so Orth. Das werde auch bei anderen Zulieferbetrieben noch große Erosionseffekte auslösen.

Ein Unternehmenssprecher wollte sich zu den Personalabbauplänen nicht äußern. Er bestätigte lediglich, dass eine Mitarbeiterversammlung stattgefunden habe, bei der es um die wirtschaftliche Situation des Unternehmens gegangen sei. Ende 2018 läuft bei Diehl ein Beschäftigungssicherungsvertrag aus.

Diehl-Betriebsrat kündigt Protest an

Die Ankündigungen des Vorstands werden nicht leise und geräuschlos von der Belegschaft hingenommen, kündigt Orth an. „Wir verlangen von Diehl die Übernahme ihrer sozialen und regionalen Verantwortung.“ Für viele Familien steht die Existenz auf dem Spiel. „Wir sind gegen diese Verlagerung und werden Maßnahmen vorschlagen, die eine nachhaltige Sicherung aller Arbeitsplätze beinhalten“, so Orth. Gegenwärtig berät sich der Betriebsrat auch mit Anwälten.

Hintergrund der Entlassungen ist offenbar ein neues Einkaufskonzept von Airbus. „Zulieferungen sollen immer von zwei Unternehmen kommen, oder wenn das nicht möglich ist, dann soll bei einem Zulieferer ein Produktionsstandort im kostengünstigen Ausland liegen“, sagt Patryk Krause von der IG Metall in der Region Hamburg. So will Airbus unabhängiger werden.

EU-Fördergelder für Stellenabverlagerung?

Die Verlagerung der Serienfertigung nach Ungarn soll in drei Stufen erfolgen. Orth erwartet, dass damit auch nur Probleme bei der Fertigung verschoben werden. „Eine Verlagerung wird das nicht lösen“, sagt Orth. In der ungarischen Stadt Nyírbátor unterhält Diehl Aviation, worin die Luftfahrtaktivitäten der Diehl-Gruppe gebündelt sind, einen Standort, der erst kürzlich mit einem Logistikzentrum erweitert wurde. In Nyírbátor und Debrecen beschäftigt Diehl über 600 Mitarbeiter. „Der Ausbau und die zunehmende Qualifizierung des Standorts ermöglichen es dem Unternehmen, in Zukunft bei Bedarf das Produktportfolio in Nyírbátor zu erweitern“, teilte das Unternehmen erst vor wenigen Tagen mit.

Laut Betriebsrat bekommt Diehl für die Verlagerung der Produktion nach Ungarn sogar Fördergelder der EU. Ungarn ist ein beliebter Standort bei deutschen Unternehmen, auch aus steuerlichen Gründen. So hat Ungarn mit neun Prozent die niedrigste Körperschaftssteuer in der EU. In Deutschland beträgt sie 15 Prozent. Außerdem sind die Sozialabgaben der Arbeitgeber seit 2016 um 7,5 Prozentpunkte auf insgesamt 19,5 Prozent gesunken. Erst kürzlich hatte BMW angekündigt für eine Milliarde Euro sein erstes Werk in Debrecen zu errichten. Rund 6000 Firmen, die zumindest teilweise im Besitz deutscher Unternehmen sind, beschäftigen in Ungarn mehr als 300.000 Menschen.

Diehl ist stark von Airbus abhängig

Diehl ist sehr stark von Airbus abhängig und will deshalb in Zukunft stärker vom wachsenden Geschäft mit Kabinennachrüstungen bei Gebrauchtflugzeugen profitieren. Passagierflugzeuge benötigen alle fünf bis sechs Jahre eine neuen Innenausstattung.

Eine generelle Tendenz zur Abwanderung von Zulieferern ist am Luftfahrtstandort Hamburg nicht zu beobachten. So hat die französische Safran-Gruppe gerade erst ein Werk für Triebwerksverkleidungen mit künftig bis zu 100 Beschäftigten in der Hansestadt eröffnet.

Branchenbeobachtern zufolge müssen Luftfahrtzulieferer aber derzeit mit zwei Herausforderungen umgehen: Die Flugzeugbauer Airbus und Boeing weiten die Produktion aktuell kräftig aus und fordern entsprechende Kapazitätssteigerungen von den Lieferanten. Gleichzeitig haben sie ihre Marktmacht noch gesteigert. Das nutzten sie jetzt, um den Kostendruck auf die Zulieferer zu erhöhen, heißt es.