Hamburg/Frankfurt am Main. Harry Hohmeister spricht im Abendblatt-Interview über die Gründe für das Chaos am Himmel und Pläne am Standort Hamburg.
Die Luftfahrt hat in diesem Sommer viele Schlagzeilen produziert. Immer wieder kam es zu Flugausfällen, Verspätungen und einem Chaos an den Airports. Auf Einladung des Luftfahrt-Presse-Clubs war Lufthansa-Vorstand Harry Hohmeister in Hamburg. Kurz vor seinem Rückflug stellte er sich den Fragen des Abendblatts.
Herr Hohmeister, Passagiere der Lufthansa berichten immer wieder von Flugstreichungen. Wie viele Flüge haben Sie in diesem Jahr schon gestrichen?
Harry Hohmeister: Leider zu viele. Konzernweit waren es etwa 18.000 – das entspricht einer zweiwöchigen Schließung unseres größten Drehkreuzes in Frankfurt. Zusätzlich gab es leider auch zahlreiche Verspätungen, die dazu führten, dass Passagiere an unseren Drehkreuzen ihre Anschlussflüge nicht erreichen konnten. Natürlich macht mir das Sorge. Das ist nicht das Qualitätsprodukt, was wir als Premiumairline unseren Kunden anbieten möchten. Das Schwierige ist, dass ein Großteil der Ursachen nicht bei den Airlines, sondern an anderer Stelle liegt, zum Beispiel der Flugsicherung, den Sicherheitskontrollen oder der Gepäckbeförderung.
Verstehen Sie den Ärger von Passagieren?
Hohmeister: Ja, den verstehe ich. Unsere Kunden erwarten zu Recht Zuverlässigkeit von uns. Ein großer Teil unserer Gäste hat geschäftliche Termine und ohnehin einen eng getakteten Tagesablauf. Sie nutzen dieses hervorragende Verkehrsmittel, das einem eigentlich Zeit schenken soll. Ich bin ja auch viel beruflich unterwegs – so viele Verspätungen und Schwierigkeiten wie dieses Jahr habe ich noch nie erlebt. Ich mache mir da auch Sorgen um das Image Deutschlands. Wir stehen für Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit – wenn wir diesen Ruf verlieren sollten, wirkt sich das auch auf Lufthansa negativ aus.
Ein großes Ärgernis in Hamburg sind die verspäteten Flüge nach 23 Uhr. Wenn Sie eine Ihrer Verbindungen als Dauersünder feststellen würden, würden Sie diesen Flug streichen?
Hohmeister: Zunächst einmal stellt sich diese Frage nicht, weil wir keine solche Verbindung haben. Bei verspätungsanfälligen Flügen bauen wir Puffer und Reserven ein, wir planen mit verlängerten Flugzeiten oder erhöhen die Bodenzeit. Das haben wir in diesem Sommer auch für die Strecke München-Hamburg gemacht, wo wir den Puffer in München um zehn Minuten erhöht haben, damit Verspätungen aufgefangen werden können. Jede Verspätung ist eine zu viel – keine Frage. Im Vergleich zu anderen Airlines stehen wir aber sehr gut da.
Auf dem Luftverkehrsgipfel kündigten Sie an, künftig mehr Ersatzmaschinen und -crews bereitzuhalten. Wie soll das in der Praxis aussehen?
Hohmeister: Wir haben in Frankfurt bereits in diesem Sommer zwei zusätzliche Reserveflugzeuge bereitgestellt. Aber das reichte noch nicht, um die angespannte Situation am Boden und in der Luft zu kompensieren. Wir werden die Zahl weiter erhöhen – übrigens auch in München. Diese Maßnahme ist besonders kostenintensiv, da Reserveflugzeuge, die am Boden stehen, kein Geld verdienen können. Zudem haben wir bei Airbus neun A320 mit herkömmlichen Triebwerken gekauft, um die verspätete Auslieferung der A320neo-Modelle zu kompensieren.
Eine zusätzliche Investition – das hört sich nach höheren Ticketpreisen an ...
Hohmeister: Wir sind ein Unternehmen, das voll im Wettbewerb in einem liberalisierten Markt steht. Bahn, Bus und Auto sind zusätzliche Alternativen für unsere Kunden. Es ist nicht realistisch, dass wir Preise am Markt vorbei einfach um zehn Prozent erhöhen. Wir müssen uns also auf der Kostenseite refinanzieren. Wir wollen so pünktlich fliegen, dass unsere Passagiere zufrieden sind und wir weniger Kompensationen für Verspätungen bezahlen müssen. Wir werden auch mit unseren Systempartnern, wie Flughäfen und Flugsicherungen, über die Gebühren sprechen. Im Moment bezahlen wir den vollen Preis, auch wenn die Qualität nicht zu 100 Prozent erbracht wird. Das ist nicht in Ordnung, denn am Ende werden wir vom Kunden für Verspätungen verantwortlich gemacht, auch wenn wir nichts dafür können.
Lufthansa fliegt ab Fuhlsbüttel nur nach Frankfurt und München. Konkurrenz gibt es nur auf der München-Strecke mit der eigenen Billigtochter Eurowings. Da müsste der Rubel auf den Hamburg-Strecken doch eigentlich rollen …
Hohmeister: Es gibt schon lange keine Preise mehr, die nur für einzelne Strecken gemacht werden. Die Preisgestaltung orientiert sich am Wettbewerb über das gesamte Angebot, und zwar europaweit. Zwei von drei Kunden fliegen von Hamburg aus in ein Drehkreuz, um von dort dann weiterzufliegen, zum Beispiel nach New York. Diese Kunden könnten auch eine Airline aus dem Ausland wählen und über London oder Amsterdam fliegen. Und innerdeutsch ist natürlich auch die Bahn ein ernstzunehmender Wettbewerber, der viele Gäste anlockt.
Wären weitere Strecken ab Hamburg für Sie interessant?
Hohmeister: Für den Lufthansa-Konzern über Eurowings schon. Eurowings ist hier in den vergangenen zwei Jahren stark gewachsen, jetzt muss sich der Flugbetrieb erst einmal stabilisieren. Das starke Wachstum auch durch die Übernahme von Teilen der Air Berlin führt dazu, dass nun eine ganze Reihe von Aufgaben anstehen, die nicht vorhersehbar waren vor zwei, drei Jahren. Eurowings ist aber sicherlich an einem weiteren Ausbau in Hamburg interessiert. Mit den Premiumairlines verbinden wir Hamburg wie kaum eine andere Stadt mit unseren Drehkreuzen und über diese mit der ganzen Welt. Lufthansa fliegt 17-mal täglich nach Frankfurt und 16-mal nach München, Swiss sechsmal nach Zürich und Austrian fünfmal nach Wien. Da sind wir sehr gut aufgestellt. In Hamburg werden wir hier wahrscheinlich eher über größere Flugzeuge als zusätzliche Frequenzen wachsen.
Wie wichtig ist der Standort Hamburg für Sie?
Hohmeister: Der Standort Hamburg ist ein wichtiger Teil in unserer langjährigen Geschichte. Wir haben mehr als 10.000 Beschäftigte in der Region, der gesamte Konzern ist hier mit seinen Fluglinien, der Cateringtochter LSG Sky Chefs und natürlich der Lufthansa Technik vertreten. Zusätzlich ist Hamburg als Technologie- und Innovationszentrum ein sehr wichtiger Standort für uns. Für den Konzern übernachten im Regelfall 24 Flugzeuge in Fuhlsbüttel.
Die Billigflieger werden in Hamburg immer stärker. Fürchten Sie deren Konkurrenz?
Hohmeister: Solange die Eurowings stärker wird, fürchten wir sie nicht ...
Sie haben neun A320 mit herkömmlichen Triebwerken bei Airbus bestellt, weil sich die Lieferung der Neos verzögert. Sind Sie wegen der verspäteten Auslieferung sauer auf Airbus?
Hohmeister: Wir haben es generell mit schwierigen Rahmenbedingungen zu tun. Auf wen sollen wir denn noch sauer sein? Als Manager sehe ich das ganz nüchtern. Natürlich kann es Probleme geben, aber ich bin lösungsorientiert. Die Lösung liegt aber nicht nur bei Airbus, sondern auch beim Triebwerkhersteller Pratt & Whitney. Wir müssen einfach erkennen, dass dieser Technologiesprung im Moment nicht so zuverlässig gelingt wie erwartet. Der Neo ist eine echte Innovation: 20 Prozent weniger Spritverbrauch, 50 Prozent weniger Lärm. Das Zuverlässigkeitsprofil ist aber derzeit deutlich schlechter als das einer herkömmlichen A320. Aber wenn der Neo fliegt, dann ist es ein sehr gutes Flugzeug.