Hamburg. Spezialisten des Hamburger Händlers Otto haben die App Alike entwickelt. Auch Konkurrenten wie Ikea und Amazon sind mit dabei.
Als Cynthia Lammers vor gut einem Jahr umziehen wollte, hatte sie ein Problem. Für die neue Wohnung wollte sie ein Sofa kaufen. Im skandinavischen Stil sollte es sein. Und gemütlich. „Ich hatte ein ziemlich klares Bild im Kopf“, sagt die 31 Jahre alte Otto-Mitarbeiterin. Sie suchte im Internet, verbrachte ihre freien Sonnabende in Möbelläden. Der Zeitaufwand war groß, das Ergebnis letztlich frustrierend. Sie fand zwar ähnliche Modelle, aber irgendwas passte immer nicht, mal das Material, mal die Größe, mal der Preis.
Eine Situation, wie sie die meisten wohl schon erlebt haben. „Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, die Suche für Kunden zu vereinfachen“, sagt Lammers. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Benjamin Böge aus dem Entwicklerbereich des Hamburger Onlinehändlers konzipierte sie die Smartphone-Anwendung Alike. Das Prinzip: Die Nutzer machen ein Foto von einem gesuchten Einrichtungsgegenstand, etwa in einem Schaufenster, in einer Zeitschrift oder bei Freunden. Die App durchsucht dann innerhalb von Sekunden über 100 Onlineshops für Möbel und Accessoires nach dem gewünschten Produkt und schlägt auch Alternativen vor – mit Bezugsquelle und Preis.
Ziel ist eine offene Plattform
„Gerade bei Möbeln fällt es schwer, eine genaue Beschreibung in Worte zu fassen“, sagt Cynthia Lammers, die Medienwissenschaften und Betriebswirtschaft studiert hat. „Das funktioniert am besten durch ein Bild.“ Insgesamt greift die App auf 3,5 Millionen Produkte zu. Zu den Onlineshops gehören unter anderem die Otto-Tochter Baur, aber auch Konkurrenten wie Ikea, Amazon und Home24. Seit einigen Wochen kann die Anwendung in den App-Stores von Apple und Google kostenlos heruntergeladen werden.
Alike ist ein weiterer Schritt des Handelskonzerns Otto im Transformationsprozess zu einer offenen Plattform. Schon länger entwickeln Abteilungen des Konzerns Lösungen mit Künstlicher Intelligenz und Bilderkennung, um Kunden beim Shoppen zu unterstützen und den Absatz zu steigern. Man muss sich das so vorstellen, als ob dem Smartphone das Sehen beigebracht würde. In diesem Fall werden die Fotos der Möbelstücke mithilfe von Algorithmen in mehreren Schritten in Einzelteile zerlegt und analysiert. Dabei müssen Vorder- und Hintergrund voneinander getrennt, Eigenschaften wie Form, Farbe und Material extrahiert werden. Danach gleicht der Algorithmus die Daten mit den Produkten in der Datenbank ab und zeigt optisch ähnliche Ergebnisse.
Geschäftsmodell läuft auf Provisionsbasis
Das klappt im Moment noch mal mehr, mal weniger gut. Gerade bei Fotos aus Zeitschriften und Katalogen fällt das Suchergebnis nicht immer optimal aus. Noch bis Ende des Jahres läuft die Testphase. „Es ist ein selbstlernender Algorithmus“, erklärt Benjamin Böge, der Medieninformatik studiert und seinen Master in E-Commerce gemacht hat. Je mehr die App genutzt werde, desto besser falle das Suchergebnis aus. In den nächsten Monaten soll zudem die Zahl der Produkte in den durchsuchten Onlineshops erhöht werden. Das Alike-Geschäftsmodell läuft auf Provisionsbasis. Hat der Nutzer das gewünschte Möbelstück gefunden, gelangt er über die App direkt zum Shop des jeweiligen Anbieters. Für jeden Klick kassiert Otto. „Die erste Resonanz der Nutzer ist positiv“, sagt Böge .
Otto ist nicht der einzige E-Commerce-Anbieter, der mit der visuellen Suche beim Onlineshopping experimentiert. „Visual Commerce“ heißt der Trend. Kunden der Berliner Modeplattform Zalando können Fotos von Kleidungsstücken, die sie in sozialen Medien oder auch auf der Straße gesehen haben, hochladen und im Angebot des Händlers danach suchen. Dass Otto gerade mit dem Segment Möbel startet, kommt nicht von ungefähr. Das Unternehmen ist mit 950 Millionen Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2017/18 mit Abstand die Nummer eins im Onlinemöbelhandel bundesweit.
Produktentwicklerin Cynthia Lammers war bei der Möbelsuche übrigens letztlich erfolgreich. Ihr Sofa hat sie gefunden – auch ohne App. „Allerdings erst, als ich umgezogen war.“