Hamburg. Der Hamburger Internetkonzern Otto baut sein eigenes Gründerzentrum massiv aus. Das soll Wachstum bringen.

Es gehört zur Legendenbildung der New Economy, dass ­besonders erfolgreiche Ideen für neue Geschäftsfelder unter großen Entbehrungen in der elterlichen Garage entstanden sind. Heute kann das immer noch so laufen. Zugleich sind junge Gründer so heiß umworben wie nie zuvor. Der Hamburger Handels- und Internetkonzern Otto Group hat angekündigt, für den Aufbau von Start-ups ein Budget in Höhe von 85 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Unter dem Dach der konzerneigenen Firmenschmiede Otto Group Digital Solutions (OGDS) soll vor allem die Gründung von handelsnahen Start-ups gefördert werden. Pro Jahr sollen zwei bis drei neue Geschäftsmodelle mit Schwerpunkt in den Bereichen Logistik, ­E-Commerce und Fintech entstehen, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Der Kapitalrahmen ist für die nächsten drei bis fünf Jahre ausgelegt.

Was Otto-Kunden zum Karneval suchen

„Mit der Fokussierung auf eigene Gründungen setzen wir klar auf Innovationen für unser Kerngeschäft statt auf schnelle Rendite“, sagte Rainer Hillebrand, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Otto Group und zuständig für die Bereiche Konzernstrategie, ­E-Commerce und Business Intelligence. Dabei gehe es dem Unternehmen nicht nur darum, „die eigene Digitalisierung voranzutreiben, sondern auch dem Markt digitale Zukunftslösungen zu liefern“, so Hillebrand. Im Klartext: Die Firmen müssen auch eigenständig auf dem Markt agieren. Otto ist bereits seit Längerem in dem Umfeld unterwegs. Nach Marktschätzungen hat der Konzern mit 8500 Mitarbeitern in Hamburg in den vergangenen Jahren etwa 800 Millionen Euro über Fondsgesellschaften in Start-ups investiert. Als erfolgreichste Gründung unter eigenem Firmendach gilt Modehändler About you.

Ideen schnell testen

Die Entwicklungseinheit Otto Group Digital Solutions gibt es seit September 2016. Dahinter stecken die Geschäftsführer Paul Jozefak und Björn Schäfers. „Anders als externe Start-ups können wir die Vorteile der Konzernstruktur nutzen, unsere Ideen trotzdem schnell testen und das Wachstum unserer Gründungen immens beschleunigen“, so Jozefak. Etwa zehn Millionen Euro sind bereits in das Gründerzen­trum geflossen. Insgesamt arbeiten mehr als 400 Beschäftigte weltweit für OGDS, in der Zentrale in der Hamburger Innenstadt sitzen 35 Mitarbeiter.

Zum Portfolio gehört etwa das Logistik-Unternehmen BorderGuru, dass Komplettlösungen für den grenzüberschreitenden Onlinehandel anbietet. Das Unternehmen, das inzwischen zur Otto-Tochter Hermes gehört, übernimmt die Abholung aus dem Warenlager, Abwicklung von Zollprozessen und Zustellung zum Endkunden. Das Start-up hat eigene Hubs an internationalen Flughäfen. Zu den Kunden gehören unter anderem Cainiao, die Logistikplattform des chinesischen Internetgiganten Alibaba. 2017 erzielte das Start-up einen Jahresumsatz von zehn Millionen Euro.

Weitere Projekte im Aufbau

Weitere Unternehmen sind Risk Ident, ein Softwareanbieter für Betrugsprävention, oder CollectAI, das eine digitale Lösung für den automatischen Einzug von offenen Forderungen auf der Grundlage von künstlicher Intelligenz bietet. Nach Unternehmensangaben wurden seit der Gründung 2016 insgesamt Forderungen in Höhe von 40 Millionen Euro bearbeitet. Auch die Shopping24 Internet Group, ein Anbieter von Shoppingportalen und Produktsuchmaschinen, gehört zu der Otto-internen Gründerschmiede. Minderheitenbeteiligungen hält OGDS unter anderem an Ifeelgoods (Rewards-Plattform) und Picalike (Ähnlichkeitssuche).

Aktuell sind ein halbes Dutzend weitere Projekte im Aufbau, vor allem im Bereich Logistik und Internet of Things. Dabei geht es um die Kommunikation von Maschinen, etwa wenn die Waschmaschine die Onlinebestellung für das fehlende Waschmittel aufgibt.