Hamburg. Das gemeinnützige Hamburger Unternehmen Goldeimer arbeitet für eine bessere Sanitärversorgung in Afrika.
Beim Einkauf von Toilettenpapier entscheiden in der Regel zwei Kriterien: Wie weich soll es sein? Wie teuer darf es sein? Für Menschen, die auch beim Geschäft auf dem stillen Örtchen bewusst handeln wollen, gibt es als Alternative – ökologisch korrekt – Recyclingpapier. Unter dem Namen Goldeimer ist seit einiger Zeit ein Tissue auf dem Markt, für das die Macher in Anspruch nehmen, als Erstes auch noch sozial zu sein. Enno Schröder nickt. „Wir sind das einzige Klopapier, das andernorts Klos baut“, sagt er. Wörtlich ist das natürlich nicht zu nehmen. Aber, so steht es auf jedem Paket, Goldeimer hat sich der weltweiten Verbesserung der sanitären Infrastruktur verschrieben. Mit dem Kauf des Papiers werden Projekte unterstützt, die mehr Menschen einen Zugang zu vernünftigen Toiletten ermöglichen.
„Das ist immer noch ein Tabuthema“, sagt Schröder. Der 36-Jährige führt gemeinsam mit Malte Schremmer (31) die Goldeimer-Geschäfte, beide sind Geologen. Zum Kernteam gehören außerdem der Geologe Rolf Schwander (28), der Veranstaltungskaufmann Björn Mertins (27) und der Umweltingenieur David Birkas (28). Die gemeinnützige GmbH ist eine hundertprozentige Tochter des Hamburger Wasserlieferanten Viva con Agua, der mit seinem Geschäftsmodell weltweit den Zugang zu frischem Trinkwasser unterstützt. Vor Kurzem wurde Goldeimer zum Hamburger Landessieger im bundesweiten Gründerwettbewerb der Förderbank KfW gekürt
Mobile Kompost-Klos
Neben dem Toilettenpapier bietet Goldeimer mobile Kompost-Klos an, die bei Festivals und anderen Großveranstaltungen genutzt werden. Die Mission: „Wir wollen möglichst viele Menschen für die weltweiten Probleme mit der Sanitärversorgung sensibilisieren.“
Entstanden war die Idee vor sieben Jahren bei einer Reise nach Westafrika. Goldeimer-Gründer Malte Schremmer, damals noch Student an der Kieler Uni, hatte sich eine schwere Durchfallerkrankung geholt und dabei gemerkt, wie schlecht die Versorgung mit verlässlichen Klos selbst in relativ entwickelten Ländern wie Ghana und Burkina Faso war. Weltweit haben 4,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu verlässlichen Sanitäranlagen. Dadurch entstehen viele Krankheiten, 500.000 Kinder sterben jedes Jahr an den Folgen. Schremmer ließ das Thema nicht los.
Zurück in Deutschland baute er für einen Ideen-Wettbewerb sein erstes mobiles Klo, das statt mit Wasser oder Chemie auf der Basis von Holzspänen funktioniert. Der Start von Goldeimer. Der Name ist natürlich Programm. Im Volksmund werden die Auffangbehälter für Fäkalien unter sogenannten Plumpsklos so bezeichnet.
46 Rollen Klopapier pro Jahr
2014 waren Schremmer und seine Mitstreiter mit 20 ihrer Goldeimer-Mobiltoiletten bei Festivals wie Hurrican, Deichbrand oder Dockville. 2015 waren es schon 60. Seit 2017 bietet Goldeimer mit 75 Kompost-Klos eine „Hygieneoase“ und macht „mit Musik, Lektüre und vor allem Sauberkeit den Klo-Gang zum Event“, sagt Schröder. Dann arbeiten in dem Team 20 Saisonbeschäftigte und 200 Ehrenamtliche. Das Ganze hat seinen Preis für die Nutzer. Während Toilettenwagen und Chemie-Klos meist kostenfrei sind, kostet der Gang aufs Goldeimer-Klo 2 Euro. Die Flatrate gibt es für 15 Euro. „In den vergangenen Jahren haben wir bei Veranstaltungen 2,5 Millionen Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Bevölkerung erreicht“, sagt Schröder.
Im Schnitt verbraucht jeder Deutsche im Jahr 46 Rollen Klopapier, umgerechnet sind das mehr als 9000 Blatt. Das Produkt gehört zu denen, die nahezu jeder Kunde regelmäßig im Einkaufskorb hat. Als weiteres Standbein außerhalb der Festivalsaison haben die Hamburger deshalb seit zwei Jahren Goldeimer-Klopapier im Programm. Dreilagig, aus 100 Prozent Altpapier und – ganz wichtig – bedruckt. „Alle für Klos, Klos für alle“ steht analog zum Viva-con-Agua-Slogan „Wasser für alle, alle für Wasser“ auf den Abreißblättchen. „Das kommt gut an“, sagt Geschäftsführer Enno Schröder, der seit Ende 2014 dabei ist und zuvor in der Entwicklungshilfe gearbeitet hat. Fast eine halbe Million Klopapierpakete wurden inzwischen verkauft.
In Hamburg war die Drogeriemarktkette Budnikowsky die erste, die das Klopapier für das gute Gewissen führte. Inzwischen liegt es in 500 Filialen unterschiedlicher Ketten, darunter die Bio-Supermärkte Denn’s und Alnatura sowie bei Edeka und Famila, in den Regalen. Weiterer Verkaufskanal ist der Onlineshop. Mit 2,99 Euro für acht Rollen à 150 Blatt ist Goldeimer teurer als etwa das Recyclingpapier der Budni-Eigenmarke (2,19 Euro für acht Rollen à 200 Blatt). „Im Vergleich zu Markenprodukten liegen wir aber in einem ähnlichen Bereich“, sagt Schröder.
Pro Paket 20 Cent an Kooperationspartner
Der Unterschied: 20 Cent von jeder verkauften Packung, die durch den Lizenzvertrag zwischen dem Hersteller Wepa und der Goldeimer-Muttergesellschaft Viva con Agua entstehen, fließen in Sanitärprojekte, die derzeit vom Kooperationspartner Welthungerhilfe im Rahmen der WASH-Initiative (Water, Sanitation and Hygiene) durchgeführt werden. Das ist in der Satzung festgelegt. Die ersten Projekte werden inzwischen unterstützt. Ein Teil der Einnahmen geht zurzeit noch in die Konsolidierung des Geschäftsmodells der gemeinnützigen GmbH. „Wir sind noch im Aufbau“, sagt Schröder. Die Finanzplanung sieht vor, dass das Gründungsdarlehen bis 2020 abbezahlt ist. Danach sollen „100 Prozent der zukünftigen Gewinne in die Arbeit von Viva con Agua und der Welthungerhilfe investiert werden“.
Das gilt auch für die Einnahmen durch den Betrieb und Verkauf der Komposttoiletten und weiterer Produkte. Vor Kurzem hat Goldeimer mit der niedersächsischen Firma Werkhaus, die aus nachhaltigen Materialen Kleinmöbel baut, sein Sortiment erweitert. Es gibt jetzt einen bunt bedruckten Klopapierhalter (21,90 Euro) und einen sogenannten Klocker (44,90 Euro), ein spezieller Hocker, der für eine gesündere Sitzposition auf dem Klo sorgen soll. Weitere Artikel sind in Planung. „Der Tabubruch ist für uns ein Mittel, um unsere Vision zu verwirklichen“, sagt Schröder. Dafür soll nun auch die Bildungsarbeit etwa in deutschen Schulen ausgebaut werden. Damit das Goldeimer-Motto „Alle für Klos, Klos für alle“ irgendwann kein Appell mehr ist, sondern eine Feststellung.