Hamburg. Auch Jaguar entdeckt die norddeutsche Metropole und zeigt in einem Pop-up-Store an den Großen Bleichen seine Innovation.

Wer mehr als 70.000 Euro für ein Elektroauto mit hoher Reichweite ausgeben möchte, muss derzeit in der Hamburger Innenstadt nur weniger als 150 Meter zurücklegen, um sich zwei Konkurrenzmodelle ausführlich präsentieren und erklären zu lassen: Außer dem Tesla-Schauraum an den Großen Bleichen hat Anfang September auf der gleichen Straßenseite ein sogenannter Pop-up-Store für den brandneuen Jaguar I-Pace eröffnet. Noch bis zum Sonnabend zeigt die britische Premium-Automarke dort ihr erstes reines Elektrofahrzeug.

„Wir müssen dahin gehen, wo wir auf unsere Zielgruppe stoßen“, sagt Christian Löer, Marketingdirektor bei Jaguar Land Rover Deutschland – „also in die städtischen A-Lagen, wo diese Menschen gerne shoppen.“ Mit diesem Vermarktungskonzept hat das Unternehmen in Hamburg schon früher einmal Erfahrungen gesammelt: Im Frühjahr 2016 führte man in einem Pop-up-Store ebenfalls an den Großen Bleichen die damals neuen Modelle F-Pace und Range Rover Evoque Cabriolet vor.

2000 Besucher erwartet

Für die elf Tage, an denen die Elek­tro-Geländelimousine I-Pace derzeit in der Hansestadt beworben wird, rechnet Löer mit insgesamt rund 2000 Besuchern, wobei etliche „nur zum Schauen“ hereinkommen. „Wir gehen von 50 Gesprächen mit unseren beiden Produktspezialisten pro Tag aus“, sagt der Marketingdirektor: „Eine solche Kundenfrequenz bekommt man in einem klassischen Autohaus in den Vierteln abseits der City nicht so leicht.“ Für Probefahrten ist man dann aber doch auf die Zusammenarbeit mit dortigen Händlern wie Krüll oder Hugo Pfohe angewiesen. „Es macht ja auch nicht wirklich so viel Freude, in der Innenstadt eine Proberunde zu drehen“, findet Löer.

Mit Pop-up-Stores in Form von Seecontainern experimentierte Mercedes unter anderem auf Hamburger Straßenfesten, bevor der schwäbische Autobauer im Juni 2014 am Ballindamm den weltweit ersten „Mercedes me“-Standort eröffnete. Dessen Konzept sieht allerdings etwas anders aus als das von Jaguar oder Tesla. Während diese beiden Marken mit ihren Stores jeweils konkrete Automodelle bewerben, geht es dem Daimler-Konzern mehr darum, die Mercedes-„Markenwelt“ in einem urbanen Umfeld zu präsentieren. „Wir wollen dort sein, wo unsere Kunden und Interessierte sind“, sagt Matthias Kallis, Leiter der Mercedes-Benz-Niederlassung Hamburg.

Modernes Gastronomiekonzept

„Der Mercedes me Store Hamburg zieht als Verbindung aus Eventlocation, dem modernen Gastronomiekonzept von Sternekoch Karlheinz Hauser sowie digitalen Interaktionen verstärkt junge und neue Zielgruppen an“, so Kallis. Man sei „sehr zufrieden mit der Besucherfrequenz“ am Ballindamm und habe mittlerweile neun weitere derartige Stores in München, Moskau, Hongkong, Osaka, Peking, Shanghai, Melbourne sowie zwei in Tokio eröffnet, weitere Standorte seien in Planung.

Noch einen Schritt weiter als Mercedes geht der bayerische Wettbewerber Audi: Während in dem Schauraum am Ballindamm immer noch ein reales Auto steht – demnächst wird es der erst vor wenigen Tagen vorgestellte Mercedes EQC mit Elektroantrieb sein –, setzt die Ingolstädter Tochter des Volkswagen-Konzerns in ihren „Audi City“-Innenstadtstandorten vollständig auf die virtuelle Realität.

„Starke regionale Nachfrage“

„Erst die Digitalisierung hat es möglich gemacht, etwas darzustellen, was man physisch nicht vorrätig hat“, sagt dazu der Branchenexperte Stefan Reindl, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Auch Jaguar, Tesla und Mercedes könnten in ihren kleinräumigen City-Showrooms und Pop-up-Stores ja nur beispielhaft in realer Form zeigen, welche Ausstattungsvarianten möglich seien, darüber hinaus greife man stark auf digitale Medien zurück. Aus Sicht von Reindl passt die technologielastige Präsentationsform aber gut zu der neuen Generation von vollelektrischen Autos. Schließlich habe sich zum Beispiel Tesla einst ja auch einiges von den durchgestylten Apple-Stores abgeschaut.

Der Hamburger Tesla-Store in den Großen Bleichen 10
Der Hamburger Tesla-Store in den Großen Bleichen 10 © Andreas Laible | Andreas Laible

Im August 2017 hatte der US-Elek­trofahrzeugpionier schon den dritten Standort in Hamburg eröffnet. Außer mit dem seit Oktober 2014 bestehenden Ladengeschäft an den Großen Bleichen und dem Service-Center an der Essener Straße ist Tesla seitdem auch im Alstertal-Einkaufszentrum vertreten. Damit reagiere man auf die „starke regionale Nachfrage“, hieß es damals von dem Unternehmen. Hamburg sei hinsichtlich nachhaltiger Mobilität eine der fortschrittlichsten Großstädte Deutschlands. Tatsächlich ist der Marktanteil der reinen Elektroautos mit 0,177 Prozent (Januar 2018) hier höher als in allen anderen Bundesländern.

Tesla ist jedoch die einzige der genannten Automarken, die allein auf Showrooms setzt und sie nicht als Ergänzung zu traditionellen Autohäusern versteht. Die haben nach Einschätzung von Reindl auch künftig ihre Berechtigung: „Befragungen zeigen, dass sich die Menschen in möglichst genau das Fahrzeug, für das sie sich interessieren, hineinsetzen wollen. Sie wollen es fühlen und damit probefahren.“ Bei Herstellern mit größerer Modellvielfalt stoße das Konzept der Innenstadt-Schauräume damit schnell an Grenzen.

Großer Fahrspaß

Eine Probefahrt mit dem I-Pace empfiehlt auch Jaguar-Marketingdirektor Löer: „Die Beschleunigung ist für viele Menschen, die mit E-Autos noch nicht vertraut sind, eine echte Überraschung. Da kommt mehr Fahrspaß auf als bei den meisten Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.“ Überrascht war wohl aber auch Jaguar selbst – und zwar von dem großen Interesse an dem neuen Modell, das in Deutschland seit August erhältlich ist: „Wir haben alles verkauft, was wir produzieren können.“ Die Kunden für das mindestens knapp 78.000 Euro teure Auto müssten sich auf „mehrere Monate“ Lieferzeit einstellen.