Hamburg. Vor drei Jahren begann Chickpeace als ehrenamtliches Projekt. Nun haben 13 geflüchtete Frauen bezahlte Arbeit.

Der Salat mit Beluga-Linsen und Zuckerschoten ist fast fertig. Maisaa Saloum rührt noch die Soße und zupft Koriander-Blättchen. Das rundet das Aroma ab. Rehab Husein steht am Herd, formt Falafel. Ein Kichererbsen-Bällchen nach dem anderen lässt sie in die offene Pfanne fallen. Es zischt, dampft und riecht köstlich. Daneben schält Hanadi Alkhouly Karotten, die sie noch mit Sesam und Honig grillen wird.

Es ist kurz vor neun Uhr am Morgen. Die Frauen in der kleinen Küche arbeiten schnell und konzentriert. Ab und zu werfen sie sich ein paar Worte zu. Meistens auf Arabisch, manchmal auf Deutsch. Alle drei kommen aus Syrien. Etwas später wird Helen Ghebrekidan dazustoßen. Sie stammt aus Eritrea. In zwei Stunden sollen die orientalischen Vorspeisen auf einem Buffet bei einem Empfang in Harburg stehen. Jetzt läuft der Countdown.

Wirtschaftliche Perspektive eröffnen

Was vor drei Jahren als ehrenamtliches Kochprojekt in einer Flüchtlingsunterkunft in Harburg begann, hat sich zum professionellem Cateringservice entwickelt. Chickpeace. Der Name ist ein Kunstwort aus Chicks, einem umgangssprachlichen Begriff aus dem Englischen für junge Frauen sowie Peas für Kichererbsen oder Peace für Frieden. Das hat einen Grund: Alle Köchinnen haben eine Flucht hinter sich.

Sie kommen aus Kriegs- und Krisenländern wie Syrien und Eritrea, aus dem Irak, Somalia und Afghanistan. Mit Chickpeace wollen sie sich eine wirtschaftliche Perspektive eröffnen. „Ziel ist, dass die Frauen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen“, sagt Manuela Maurer, die das Projekt mitgegründet hat. Dabei geht es um mehr als einen weiteren Caterer. Wenn möglich präsentieren die Chickpeace-Frauen ihre Speisen bei den Veranstaltungen selbst und erzählen die Geschichten dahinter. Inzwischen arbeiten 13 Köchinnen regelmäßig mit.

Auf der Speisekarte stehen 32 Gerichte

Maisaa Saloum ist über einen Kochkurs zu Chickpeace gekommen. Die 31-Jährige mit elegant gezupften Augenbrauen unter dem bunten Kopftuch hat schon in ihrer Heimatstadt Aleppo eine Weiterbildung als Köchin absolviert. Vor zweieinhalb Jahren ist sie mit Mann und drei Kindern auf ihrer Flucht vor dem Krieg in Syrien im holsteinischen Wedel gelandet. Haushalt, Kinder und Sprachkurs reichten der jungen Frau nicht. Inzwischen kocht sie mehrfach in der Woche bei Chickpeace und übernimmt Führungsaufgaben. Gerade dekoriert sie einen Rote-Bete-Salat mit Schafskäse und Orangenscheiben. „Das ist mein Traumjob“, sagt Maisaa Saloum, die eine Ausbildung als Köchin machen möchte.

Im Frühjahr 2018 konnte Chick­peace nach langer Suche endlich eine eigene Produktionsküche in Altona beziehen, als Untermieter des gemeinnützigen Getränkeproduzenten „Das Geld hängt an den Bäumen“. Seitdem startet der Cateringservice richtig durch. Während sie 2017 insgesamt 41 Aufträge erledigt haben, waren es zuletzt mehr als 20 im Monat. „Die Frauen haben im Schnitt an vier Tagen in der Woche Arbeit“, sagt Initiatorin Maurer, die gemeinsam mit Margarete Anslik organisatorische Funktionen übernimmt. Sie kochen für Privatpersonen, Firmen, Behörden, für Hochzeiten, Taufen, Sommerfeste mit 10 bis 150 Personen. Auf der Speisekarte stehen 32 Gerichte – von der Suppe bis zum Dessert.

Kochen hat sie verändert

An diesem Tag ist ein Buffet für 50 Personen gebucht. Der Speiseplan mit acht Vorspeisen ist mit Magneten am Kühlschrank befestigt, dahinter stehen jeweils Kiloangaben und Stückzahlen. Hanadi Alkhouly macht jetzt die Schale mit M’hamara fertig. Das ist eine Paprikacreme mit Walnüssen und Granatapfelsirup. „Die Arbeit macht viel Spaß“, sagt die 35-jährige Mutter von drei Kindern.

Das gemeinsame Kochen hat sie verändert, selbstbewusster gemacht – und selbstständiger. Gemeinsam entwickeln die Frauen Rezepte weiter, auch interkulturell. Jetzt guckt Maisaa Saloum auf die Uhr. Langsam wird die Zeit knapp. Die Köfte mit Datteln und Schafskäse sind fertig, die Blätterteigrollen auch. Aber das Tabouleh fehlt noch, und die Soße für die Falafel. Wo andere nervös geworden wären, behalten die Frauen die Ruhe. Rehab Husein schmeckt nochmal ab – und gibt einen Schuss Olivenöl zum Humus.

Weibliche Flüchtlinge finden nur schwer Arbeit

Neun Euro verdienen die Köchinnen pro Stunde. Der Verdienst wird beim Jobcenter mit der staatlichen Unterstützung gegengerechnet. Bislang reicht es noch bei keiner zum Leben. Aber das soll sich ändern. Zum Jahreswechsel wird der Cateringservice, der im Moment noch unter dem Dach eines Vereins läuft, als gemeinnützige GmbH gegründet. „Für das zweite Halbjahr planen wir die ersten Mini-Jobs“, sagt Manuela Maurer. Die Speisekarte soll erweitert werden. Die Sozialpädagogin hat seit 2016 viel Zeit und Arbeit in Chickpeace gesteckt.

„Bislang sind wir vollkommen ohne Fördermittel ausgekommen“, sagt die 48-jährige. Um den Cateringservice weiterzuentwickeln, hatte sie sich für ein europäisches Förderprogramm beworben. „Leider wurden wir abgelehnt“, sagt Maurer. Trotzdem kämpft sie weiter: In den nächsten drei Jahren soll das Integrationsprojekt so wachsen, dass alle Mitarbeiterinnen ihr Auskommen haben, hofft Maurer.

Langwieriger Prozess

Die Integration von Flüchtlingen auf den Arbeitsmarkt ist ein langwieriger Prozess. Im Dezember 2017 (aktuellere Zahlen liegen nicht vor) waren 9700 Menschen aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern, dazu zählen unter anderem Afghanistan, Eritrea, Irak, Somalia und Syrien, in Hamburg sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das war etwa ein Fünftel der Flüchtlinge in der Stadt. Aber nur knapp 2200 davon waren Frauen, eine Quote von gerade mal 20 Prozent.

In der Altonaer Küche sind die meisten Platten inzwischen fertig. Hanadi Alkhouly holt noch schnell eine Zitrone aus dem Kühlschrank, schält sie und formt aus der Schale eine Blume. „Ohne Dekoration geht es nicht“, sagt sie und lacht. Der Zeitplan passt auf den Punkt. In diesem Moment kommt der Fahrer und holt die orientalischen Leckereien ab. Einen Moment stehen die Frauen noch in der Küche zusammen, essen etwas. Dann räumen sie auf. Am Kühlschrank hängen die Bestelllisten für die nächsten Tage.