Hamburg. Konrad Ellegast hatte früher 10.000 Mitarbeiter. Jetzt sind es 15-mal so viele. Das neue Leben eines Managers.
Als Vorstandsvorsitzender des Harburger Autozulieferers Phoenix war Konrad Ellegast einst der Chef von 10.000 Beschäftigten. Inzwischen ist er seit 15 Jahren im Ruhestand, doch zu Spitzenzeiten hat er nun rund 150.000 „Mitarbeiter“, fast ausschließlich weibliche: Im Garten des Bauernhauses von 1885 in Oetjendorf bei Ahrensburg, das Ellegast zusammen mit seiner Frau schon Anfang der 1970er-Jahre restaurierte, hält er drei Bienenvölker. Auf das Produkt ihrer Arbeit kommt es ihm dabei gar nicht so sehr an: „Ich bin immer froh, wenn es nicht so viel Honig gibt.“ In dieser Saison kommen jedoch immerhin rund 80 Kilogramm zusammen.
Bienen halten die Ellegasts, seit ihr Sohn mit damals 13 Jahren gerne ein Tier haben wollte – er hatte allerdings eher an ein Pony gedacht. Ellegast war von der perfekten Organisation eines Bienenvolks aber sofort fasziniert, besonders von der effizienten Kommunikation: „Wenn etwas dringend zu tun ist, sind alle 50.000 Mitglieder des Gemeinwesens innerhalb von zwei Minuten informiert.“ Kein Wunder, dass ein Topmanager von einer solchen Leistung beeindruckt ist.
Einsatz für bienenfreundliche Landwirtschaft
Als Ruheständler fand Ellegast dann mehr Zeit, sich unter anderem als Kuratoriumsmitglied der Deutschen Wildtierstiftung für eine bienenfreundlichere Landwirtschaft und allgemein für den Erhalt einer artenreichen Umwelt einzusetzen. Daneben ist er jedoch auch als 78-Jähriger – ein Alter, das man ihm nicht anmerkt – in der Wirtschaft noch immer als Fachmann für seine frühere Branche gefragt.
So ist er als „Senior Advisor“ für den US-Finanzinvestor Cerberus, der zuletzt auch bei der HSH Nordbank einstieg, tätig. „Es geht darum, in der europäischen Automobilzulieferindustrie Firmen zu finden, denen es gerade schlecht geht, die aber einen gesunden Kern haben“, erklärt Ellegast und nennt als Beispiel den Kunststoffteilehersteller Peguform, den Cerberus aus der Insolvenz übernahm und sanierte. Außer für die Amerikaner ist Ellegast auch für chinesische Unternehmen als Berater aktiv. Unter anderem initiierte er die Übernahme der Firma Boge, die Kunststoffprodukte und Fahrwerkskomponenten für die Autobranche produziert, durch eine Tochter von CRRC, dem weltgrößten Eisenbahnbauer.
Aktuell gebe es zwar nicht so viele sanierungsbedürftige Unternehmen in der Autozulieferbranche, sagt Ellegast, „aber das kann sich mit der Technologieumstellung auf Elektroantriebe bald ändern.“ Im vorigen Jahr brachte er eine der größten staatlichen Investmentgesellschaften Chinas, die SDIC, mit dem TÜV Nord in Kontakt; die Asiaten sind daran interessiert, das Feld der Qualitätsinspektionen für ausländische Institutionen zu öffnen.
Der Ex-Manager und seine Blumenwiese
„Solche Projekte machen Spaß“, sagt Ellegast. Zwei- bis dreimal pro Jahr reist er nach China, um seine Auftraggeber zu treffen, deren Langfristorientierung ihn beeindruckt. In der Regel nimmt die Beratertätigkeit zwei Tage in der Woche in Anspruch, wobei er meist von zu Hause aus arbeiten kann.
Direkt gegenüber dem Bauernhaus hat der frühere Manager in diesem Frühjahr ein Projekt ganz anderer Art angestoßen: Anstatt eines Felds mit der sonst üblichen Monokultur befindet sich dort jetzt eine 33.000 Quadratmeter (3,3 Hektar) große „Bienenwiese“, auf der mehr als 40 Pflanzenarten wie Sonnenblumen, Mohn und Klee wachsen. Das soll für die nächsten sechs Jahre so bleiben. Mitglieder des Rotary Clubs Ahrensburg zahlen auf Initiative von Ellegast dem Landwirt eine Aufwandsentschädigung.
Er hat ein Wildbienenhotel gebaut
„Innerhalb von wenigen Jahrzehnten hat die Insektenpopulation in Deutschland um mehr als 70 Prozent abgenommen“, sagt Ellegast dazu. „Dabei sind 60 Prozent unserer Nahrungspflanzen auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Darum ist der Erhalt der Artenvielfalt aus meiner Sicht wichtiger als eine China-Transaktion.“
Nun gehe es vor allem darum, Nachahmer zu finden: „Gerade jüngere Landwirte sind aufgeschlossen für diese Idee, wenn ein Sponsor für die Finanzierung gewonnen werden kann.“ Zwei Mitstreiter – den Autozulieferer Bruss Sealing Systems und den Immobilienunternehmer Cornelius Liedtke (Büll & Liedtke) – gibt es schon. So können zwei weitere Flächen von drei beziehungsweise zweieinhalb Hektar in Bienenwiesen verwandelt werden. Im Mai hat Ellegast zudem eigenhändig ein „Hotel“ für Wildbienen am Rand der Wiese errichtet: Die Insekten können sich dort in angebohrten Holzblöcken ansiedeln.
Doch auch im Rahmen seiner Beratertätigkeit arbeitet er gerade an einem neuen Projekt; Näheres darf er noch nicht sagen. Zwar könnte man einwenden, dass sich das Gebaren von Finanzinvestoren, die nur ihre eigene Rendite maximieren, stark vom Lebensprinzip eines durch Selbstlosigkeit geprägten Bienenstaats unterscheidet.
„Aber eine angeschlagene Firma mit einem eigentlich funktionierenden Geschäftsmodell vor der Pleite zu retten, ist auch volkswirtschaftlich betrachtet richtig“, sagt Ellegast. „Wenn es darum ginge, ein Unternehmen zu zerschlagen, würde ich nicht mitmachen.“