Querdenker: Thomas Hoyer hat aus der Spedition seines Vaters ein Imperium geformt. An diesem Unternehmer ist vieles überraschend.

Bei der Fachspedition Hoyer in der Wendenstraße herrscht an diesem Morgen reger Betrieb. Auf dem Hof des Transporteurs von Flüssiggütern stehen etliche Tankauflieger. Sie warten darauf, in die Waschhallen zur Reinigung zu kommen. Gabelstapler fahren Tankcontainer hin und her. Es herrscht ein geschäftiges Gewusel, als ein grauhaariger Mann im Anzug auf einem Fahrrad auf den Hof einbiegt. Freundlich begrüßt er einige Fahrer und hält vor dem Hauptgebäude. Er steigt ab, als jemand ruft: „Leute, der Chef ist da.“

Thomas Hoyer, Firmenpatriarch, Gesellschafter des gleichnamigen Weltmarktführers für Flüssigtransporte mit 30 Standorten in Europa, den USA, Brasilien, Asien und Australien, Herrscher über 2369 Zugmaschinen, 2656 Tankauflieger und 39.156 Tankcontainer, aber zur Arbeit kommt er von seinem Wohnort Eppendorf nach Hamm mit dem Rad. Jeden zweiten Tag, wenn das Wetter es zulässt. „Ich fahre auch mit dem Fahrrad zum Flughafen, wenn ich auf Geschäftsreise muss“, sagt der 67-Jährige. „Das ist für mich Lebensqualität.“

Das Programm des Senats zum Ausbau der Radwege in Hamburg unterstützt er dennoch nicht. „Das ist für mich nur grüne Ideologie“, sagt Hoyer. Er ist ein vielschichtiger Mann. Durch und durch konservativ. Ein Anhänger Friedrichs des Großen und preußischer Ideale. Andererseits ein Freigeist, der manche Normen kritisiert und offen sagt, was er denkt, auch wenn es dem Gegenüber nicht immer gefällt.

Hoyer wollte den Preis zuerst nicht annehmen

Den Gründerpreis wollte Hoyer zuerst gar nicht annehmen. Zum einen weil er sich an die Maxime seiner Südtiroler Mutter erinnerte: „In der Zeitung steht man nur zweimal im Leben. Mit der Geburts- und der Todesanzeige.“ Zum anderen sieht sich Hoyer nicht als Gründer: „Das Unternehmen hat mein Vater Walter Hoyer gegründet.“ Aber sein Sohn hat das Unternehmen zu einem Weltkonzern ausgebaut.

Nach einem volkswirtschaftlichen Studium und einer Lehre bei Kühne & Nagel übernahm er 1991 den Chefsessel vom Vater und expandierte mit der Fachspedition. Er gründete Niederlassungen von Moskau bis Brasilien, baute die bestehenden aus und machte Hoyer zur Nummer eins beim Transport flüssiger Güter im kombinierten Verkehr auf der Straße, der Schiene und dem Seeweg. Was Walter Hoyer als Ein-Mann-Fuhrunternehmer im Kellerbüro seines Elternhauses in der Börnestraße in Eilbek anfing, ist heute ein Imperium mit rund 6500 Mitarbeitern und einem Umsatz von 1,2 Milliarden Euro.

Und trotz der eigenen Leistung spricht aus Hoyer vor allem die Bewunderung für seinen Vater: „Er hatte eine unglaubliche Präsenz.“ Besuchern zeigt Hoyer gerne ein Foto aus den 1930er-Jahren. Es zeigt Vater Walter, wie er im Anzug mit Krawatte schwere Milchkannen auf die Pritsche eines Lieferwagens hebt. „Der Mann hatte Disziplin“, sagt Hoyer, allerdings habe er diese auch von seiner Umgebung verlangt. Anständige Tischmanieren lernte Hoyer, indem ihm sein Vater zum Umgang mit Messer und Gabel Bücher unter die Achseln klemmte. „So entspannt, wie Sie sich gerade auf dem Stuhl zurücklehnen, das hätte sich mein Vater niemals gestattet.“

Schon früh musste Hoyer im väterlichen Betrieb mitarbeiten. „Schulferien, Semesterferien – wenn meine Kommilitonen ihren Urlaub begannen, trat ich morgens um 7 Uhr auf dem Hof an zur Tankreinigung.“ So war der Lebensweg vom Vater vorgegeben, obgleich Hoyer ganz andere Ideen hatte. „Ich interessierte mich sehr für Archäologie und träumte davon, Troja auszugraben.“ Das ging nicht ohne Konflikte ab.

Verantwortung in der Familie breit gestreut

Letztlich spricht aus Hoyer aber die Dankbarkeit: „Wir hatten nie ein besonders enges Verhältnis, aber ohne ihn wüsste ich gar nicht, was aus mir geworden wäre. Er hat meinem Leben eine Richtung gegeben.“ Und zwar die eines Familien-unternehmers. Man könnte Thomas Hoyer auch als den Inbegriff eines Familienunternehmers bezeichnen, nicht nur weil er immer wieder eingeladen wird, darüber Vorträge zu halten. Sondern weil die Verantwortung für das Unternehmen in der Familie breit gestreut ist.

Thomas Hoyer hat mit seiner Frau zwei erwachsene Töchter. Er hat drei Schwestern, die sich im Unternehmen engagieren. Hinzu kommen zwölf Enkel seines Vaters – alle sind Mitgesellschafter. „Damit alle an einem Strang ziehen, müssen mögliche Konflikte in der Familie schon früh ausgeräumt werden“, sagt Hoyer. So gebe es regelmäßig neben den Gesellschafterversammlungen auch Familientreffen an den Hoyer-Standorten.

Hoyer kennt viele Beispiele von Familien, die so zerstritten sind, dass das Unternehmen darunter leidet. Sein Gegenrezept: „Erfolgreiche Familienunternehmen stellen das generationenübergreifende Denken und Handeln heraus“, sagt er. Von Generation zu Generation werde ein Gut weitergegeben. „Die nächste Generation empfängt dieses Gut nicht, um es zu verkaufen oder um davon zu leben, sondern um ihrerseits Verantwortung zu übernehmen und diese an die nächste Generation weiterzureichen.“

Seit 2006 ist Hoyer Vorsitzender des Beirats

Das sei nicht immer einfach, denn in Familienunternehmen träfen unterschiedliche Pole aufeinander: „Das Unternehmen ist die Ratio. Man fällt aufgrund gewisser Prozesse Entscheidungen. Bei der Familie sind immer Emotionen im Spiel, welche die Entscheidungen beeinflussen“, sagt Hoyer. Zwischen diesen zwei Polen müsse der Familienunternehmer agieren.

2006 hat sich Thomas Hoyer aus der Geschäftsführung zurückgezogen, und den Vorsitz des Beirats übernommen. Das Unternehmen wird von zwei familienfremden Geschäftsführern geleitet. Und das läuft laut Hoyer sehr gut. Das heißt aber nicht, dass Thomas Hoyer selbst nicht weiter strategisch und kulturell tätig ist. Die letzte Entscheidung trifft er mit dem Beirat. Dass das Erbe seines Vaters so gut gedeiht, macht Thomas Hoyer stolz.

Deshalb freut er sich nun auch über die Verleihung des Gründerpreises für das Lebenswerk. Und er freut sich darüber, einen seiner ältesten Freunde wiederzutreffen, der sein Kommen zur Gala zugesagt hat: Josef Ackermann, Ex-Vorstandschef der Deutschen Bank. „Den Joe kenne ich seit unseren gemeinsamen Studienzeiten an der Universität St. Gallen. Ein unglaublich kluger Kopf. Der war besser als wir alle. Aber er ist heute noch genauso bodenständig und herzlich wie 1972 an der Kaffeebar der Hochschule“, sagt Hoyer.

„Verantwortung bedeutet für mich da zu sein. Da zu sein für die Familie wie auch für die Firma“, sagt der Geehrte. Ein Mitarbeiter habe einst zu ihm gesagt: „Wenn ich Ihr Auto vor der Firma stehen sehe, dann weiß ich, dass der Tag gut wird.“ Nun ist es das Fahrrad.