Das Unternehmen baut mit Partner riesiges Logistikzentrum in Nanjing. Halbjahresgewinn legt um 40 Prozent zu. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 5000 Mitarbeiter weltweit.
Hamburg. Tanklastzüge auf denen in markantem Rot der Name „Hoyer“ prangt, trifft man in ganz Europa. Ab und zu auch in Shanghai, im brasilianischen São Paulo oder in Dubai. Eher selten sieht man sie in Hamburg. Das mutet merkwürdig an, denn der Hauptsitz des gleichnamigen Familienunternehmens liegt in Hamburg-Hamm in der Wendenstraße. Dennoch ist die Begründung einfach: „In Hamburg wickeln wir nur einen Bruchteil unseres Geschäfts ab, sagt Thomas Hoyer, Mitgesellschafter und Beiratschef der auf Flüssiggüter spezialisierten Spedition.
Auf dem Unternehmenshof herrscht dennoch geschäftiges Treiben: Tankcontainer stapeln sich, werden gereinigt, oder für neue Aufträge verladen. Mittendrin: Das Bürohaus in dem alle Fäden zusammenlaufen und die Zahlen verwaltet werden. Diese sind gut: Hoyer konnte sein Ergebnis vor Steuern im ersten Halbjahr bei einem stabilen Umsatz um 40 Prozent steigern. Jetzt will das Unternehmen weiter wachsen, vor allem im mittleren Osten und in Asien. Rund 150 zusätzliche Stellen sollen 2014 geschaffen werden.
Nicht zuletzt verdankt das Unternehmen seinen Boom einem neuen Großauftrag eines Chemiekonzerns aus Ludwigshafen, für den Hoyer einen Großteil der Werklogistik abwickeln darf. Den Wert eines solchen Auftrags begreift nur jemand, der etwas von der Chemiebranche versteht. Jahrzehntelang durften externe Spediteure Aufträge ausschließlich außerhalb der Werkstore erledigen, alles was dahinter geschah, übernahmen die Firmen aus Sicherheitsgründen selbst. „Chemieunternehmen schotten sich gern ab, weil da zum Teil mit hochsensiblen Flüssigkeiten hantiert wird“, so Hoyer. „Wenn sich das jetzt ändert, spricht das für die Zuverlässigkeit, die man unserem Unternehmen zumisst.“
Dabei reicht es dem Hamburger Speziallogistiker nicht, Flüssigkeiten in seinen rund 33.000 Tankcontainern von A nach B zu transportieren. Er versucht, durch langfristige Kontrakte möglichst viele logistische Aufgaben entlang der Wertschöpfungskette für seine Kunden zu erledigen. So investiert Hoyer nicht nur in Tankcontainer, von denen in den kommenden zwei Jahren weitere 3400 angeschafft werden sollen, sondern auch in andere Geschäftsfelder. In Saudi Arabien baut Hoyer eine Abfüllanlage für chemische Stoffe. Auf einem 65 Hektar großen Gelände im chinesischen Nanjing entwickelt Hoyer zusammen mit Partnern ein riesiges Logistikzentrum für chemische Produkte. Gesamtvolumen des Auftrags: annähernd 200 Millionen Euro.
Um den Kunden möglichst umfassende logistische Dienstleistungen anbieten zu können, hat Hoyer die Firma in sechs Geschäftsfelder gegliedert: Entscheidend dabei ist nicht die Aufgabenstellung, sondern was in den Tanks steckt. So gibt es ein Geschäftsfeld für Chemielogistik, eines für Gas, eines für Mineralöl und Kraftstoffe sowie eines für Lebensmittel. Hoyer befasst sich nämlich auch mit dem Transport von Säften oder Bier. Hinzu kommt ein Geschäftsfeld Technik mit Reinigungs- Werkstatt- und Lagerdienstleistungen und eine Sparte für die Seetransporte. Das gute System und vor allem seine Unternehmensgröße heben Hoyer von anderen Anbietern ab. Die Marktmacht ermöglicht es den Hamburgern, Aufträge abzuwickeln, bei denen kleinere Konkurrenten passen müssen, wie etwa jetzt die Tankstellenversorgung eines großen Mineralölherstellers im Großraum London. Hoyer liefert nicht nur den Kraftstoff aus, sondern regelt das komplette Bestands- und Transportmanagement.
Die Bandbreite der Aufgaben ist auch gleichzeitig der Vorteil des Unternehmens. „Das macht uns krisenfester“, sagt Ortwin Nast, Vorsitzender der Hoyer-Geschäftsführung. „Läuft ein Bereich einmal nicht so gut, kann dieses durch andere Geschäfte ausgeglichen werden.“ Derzeit würden aber alle Geschäftsfelder Gewinne machen. Sogar die Lebensmittellogistik, die im vergangenen Jahr noch mit sinkendem Umsatz kämpfte. So transportiert Hoyer für die weltgrößte Brauereigruppe Inbev Bier in Europa. Allerdings ist der Umsatz mit Nahrungsmitteln mit einem Anteil von knapp sechs Prozent am Gesamterlös der Gruppe relativ gering.
Angefangen hat Hoyer im Jahr 1922 als Milchgroßhändler
Dabei hat damit einmal alles angefangen, sagt Hoyer. Genauer gesagt mit Milch. 1922 habe sein Großvater in Hamburg mit einen Milchgroßhandel gestartet. „Er erkannte schon, dass es wichtig war, sich zu spezialisieren“, so Hoyer. Sein Vater habe dann die internationale Spedition aufgebaut und wurde einer der Pioniere des kombinierten Verkehrs Schiene-Straße. 1991 übernahm Sohn Thomas die Geschicke des Unternehmens. 2006 holte er Ortwin Nast in die Gruppe und besetzte den Vorsitz des Beirats. Dieser kontrolliert die Geschäftsführung und ist mit dem operativen Geschäft eng vertraut. „Wir agieren mehr wie ein Aufsichtsrat in Aktiengesellschaften“, sagt Hoyer.
Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 5000 Mitarbeiter weltweit. Das Familienunternehmen transportiert Schiefergas in den USA genauso wie Enteisungsmittel für den Frankfurter Flughafen und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von knapp 1,1 Milliarden Euro. „Wir sind in der Tankcontainerlogistik weltweit Nummer eins“, sagt Hoyer. Es handelt sich um spezielle Tanks, die in einen Rahmen eingefasst sind. Sie können gestapelt werden, passen auf Lkw-Auflieger, auf Containerwagen der Bahn und auf Schiffe. Anders als die pflegeleichten Stahlboxen sind Tankcontainer Hochtechnologieprodukte, darauf abgestimmt, sensible Stoffe aufzunehmen. Ein 40-Fuß-Container zum Transport des Kühlungsmittels Helium ist beispielsweise eine solche Spezialanfertigung: Drei Hüllen, dazwischen Vakuum, sollen den Tank so isolieren, dass das auf minus 269 Grad Celsius heruntergekühlte Gas nicht anfängt zu sieden. Entsprechend teuer ist der Tank in der Anschaffung, der Stückpreis liegt zwischen 680.000 und 750.000 Euro.
Gastanks spielen laut Geschäftsführer Nast eine wachsende Rolle, weil immer häufiger Flüssigerdgas (LNG) zu transportieren ist. Irgendwann, so glaubt er, wird sich LNG als Schiffstreibstoff durchsetzen. „Wir schauen, dass wir mit von der Partie sind, wenn es so weit ist“, sagt er.