Berlin/Hamburg. Bundesverkehrsminister Scheuer will trotzdem am Dieselprivileg festhalten und spricht sich gegen Fahrverbote und Plaketten aus.
Das ist kein guter Tabellenstand: Unter den 66 deutschen Städten, in denen die Grenzwerte bei gesundheitsschädlichen Stickoxiden (NOx) überschritten werden, gehört Hamburg zu den fünf am stärksten belasteten. Das geht aus einer Auswertung hervor, die Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Donnerstag in Berlin beim „Lokalmedien-Gipfel: Bessere Luft in Städten“ vorgestellt hat. Im Jahresmittel lag die Belastung mit dem Atemgift, das vor allem aus Dieselmotoren von Kraftfahrzeugen und Schiffen stammt, im vergangenen Jahr in Hamburg bei 58 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Erlaubt sind nach den seit 2010 gültigen EU-Grenzwerten nur 40 Mikrogramm. Schlechter als Hamburg sind nur München (78 Mikrogramm), Stuttgart (73), Köln (62) und Reutlingen (60).
Ziel der Politik sei es, die Grenzwerte in allen deutschen Städten bis 2020 einzuhalten, sagte der Minister in der Dialogrunde mit Journalisten aus allen betroffenen deutschen Regionen. Das wolle man aber „ohne Verbote und Panik“ schaffen, so Scheuer. „Wir wollen keine Fahrverbote und keine blaue, hellblaue oder sonstwas für eine Plakette“, so der Minister.
"Autohersteller müssen Fehler ausmerzen"
Es gehe dabei nicht darum, mit Managern der Autoindustrie zu kuscheln oder zu mauscheln. „Es soll nicht gleich jeder das Gefühl haben, er müsse seinen Diesel zum Schrottplatz fahren“, so Scheuer. „Die Autohersteller müssen Fehler ausmerzen, die gemacht wurden. Ich möchte aber zu einer Versachlichung beitragen. Es geht auch um den Wohlstand in Deutschland. Gute Mobilität und saubere Luft – das ist kein Widerspruch aus unserer Sicht.“
Nach den vom Verkehrsminister vorgestellten Daten ist die Belastung zwar in fast allen Städten zuletzt deutlich zurückgegangen – sie liegt aber in vielen Regionen noch immer weit über den EU-Grenzwerten. In Hamburg ist die Belastung von 2016 auf 2017 um rund acht Prozent gesunken: von 63 Mikrogramm auf 58 im jeweiligen Jahresdurchschnitt.
Mehr als eine Viertelmillion Diesel-Pkw in Hamburg
Nach den jüngsten Zahlen des Ministeriums gab es in Hamburg zuletzt 783.255 Pkw, davon 265.809 Diesel. Etwa 70.000 davon können und sollen durch Software-Updates nachgerüstet werden, um den Schadstoffausstoß zu senken. Bisher haben allerdings erst 26.702 (also rund 38 Prozent) von diesem Angebot Gebrauch gemacht.
Die zuständigen Experten im Ministerium gehen aber davon aus, dass schließlich fast alle Autofahrer, auch im eigenen Interessen, die Software-Nachrüstung auf Kosten der Autoindustrie in Anspruch nehmen werden. Bis Ende 2018 sollten bundesweit 5,3 Millionen Fahrzeuge mit neuer Software bestückt sein, hieß es – was den NOx-Ausstoß um bis zu 30 Prozent reduziere.
Scheuer hält am Dieselprivileg fest
Der Minister verteidigte trotz aller Probleme die steuerlichen Vorteile für Dieselfahrzeuge, das so genannte Dieselprivileg. Viele Handwerker und Pendler seien auf den Diesel angewiesen, zudem habe es große Effizienzgewinne bei den Verbräuchen der Dieselmotoren gegeben. Angesprochen auf die bundesweit ersten Fahrverbote für Diesel in Hamburg, machte der Minister zwar erneut deutlich, dass er nicht viel von Verboten halte – dass solche Entscheidungen aber Sache von Ländern und Kommunen seien und Hamburg „gute Leute in der Verwaltung“ habe. „Da werden Sie von mir nichts hören, das ist eine Entscheidung vor Ort“, so Scheuer. Als eine neue Maßnahme zur Förderung der E-Mobilität kündigte Scheuer an, dass Elektro-Lkw von 2019 an keine Maut mehr zahlen müssten.
Guido Zielke, Abteilungsleiter im Bundesverkehrsministerium betonte in der Diskussion, wie wichtig die Wahl der Standorte für die Luft-Messstellen sei. So erhöhe ein Standort etwa an Bushaltestellen die Messergebnisse massiv. Zu der Diskussion, ob die Messstationen in Deutschland an vielen Stellen falsch positioniert seien, sagte Zielke jedoch, man werde jetzt nicht die Diskussion über die Luftbelastung in eine Debatte über die Messmethoden umleiten. „Aber jede Stadt sollte sich die Messsituation mal anschauen“, so Zielke. „Busse haben eine große Bedeutung – mehr als Tante Erna, die einmal in der Woche fährt.“
Schiffsabgase fallen unter internationale Vereinbarungen
Zur Frage der Schiffsabgase, die neben Hamburg auch viele große deutsche Binnenhäfen betrifft, hieß es von den zuständigen Experten bei dem Treffen immer wieder, dass dies eine zentrale Frage in vielen Städten sei. Bei der Seeschifffahrt sei man allerdings auf internationale Vereinbarungen angewiesen. Immerhin gebe es solche bereits für Nord- und Ostsee. Hamburg sei mit seiner Landstromversorgung vorbildlich. Man müsse prüfen, ob man eine Anschlusspflicht bundesgesetzlich regle, hieß es von den Experten des Bundesverkehrsministeriums.
Er habe Vertreter der Lokalmedien zu dem Gipfel eingeladen, weil diese besonders nah am Alltag der Menschen seien, sagte Minister Scheuer. „Lokaljournalismus ist für mich ein Herzensanliegen. Lokalmedien schaffen Identität, Lokalmedien sind Heimat, und Lokalmedien sind in der Kommunikation systemrelevant“, so der Minister. Deswegen sei ihre Stimme auch bei der Diskussion über den Verkehr der Zukunft wichtig. Schließlich erlebten wir gerade eine „Revolution der Mobilität“, die mit der Zeit der „Erfindung des Automobils“ vergleichbar sei.