Hamburg. Marktführer ING-DiBa gibt die Richtung vor: Im Schnitt gibt es gerade noch 0,14 Prozent. Was Experten den Sparern jetzt empfehlen.

Für sechs Millionen Kunden in Deutschland war es eine schlechte Nachricht: Die ING-DiBa halbierte unlängst ihren Tagesgeldzinssatz auf nur noch 0,1 Prozent. Zweifellos hat die Entscheidung des Markt­führers Signalwirkung, denn die Konditionen, die die niederländische Direktbank für ihr „Extrakonto“ gewährt, gelten in der Branche als so etwas wie ein inoffizieller Leitzins. Allerdings liegt die ING-DiBa mit der jüngsten Anpassung im Trend: Seit Januar 2016 ist der durchschnittliche Tagesgeldzins nach Erhebungen der FMH-Finanzberatung von 0,35 auf 0,14 Prozent abgesunken. Vor nur sechs Jahren wäre das den meisten Sparern wohl unglaublich erschienen – damals gab es noch 1,8 Prozent. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Zinstief:

Warum sinken die Tagesgeldzinsen?

Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung, hat darauf eine einfache Antwort: „Weil zu viel Geld da ist.“ Tatsächlich haben die Banken ein Problem: Der Bestand der täglich fälligen Einlagen – das umfasst Sparbücher und Tagesgeldkonten – bei den Instituten in Deutschland hat sich seit Anfang 2016 von 1687 Milliarden auf zuletzt 1866 Milliarden Euro erhöht. Doch die Banken können mit dem Geld nicht profitabel arbeiten. Wenn sie es bei der Bundesbank parken, müssen sie dafür sogar 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. Angesichts dieser Situation ist zum Beispiel der Euribor – ein Marktzins, zu dem sich europäische Banken untereinander Geld leihen – für Laufzeiten von mehr als sechs Monaten in den zurückliegenden Monaten weiter gesunken.

Wer hat die besten Tagesgeldzinsen?

Bei Filialbanken wie der Sparda-Bank Hamburg oder der Haspa hat man die Zinsen auf Tagesgeldkonten bereits komplett abgeschafft, hier gibt es konsequent 0,00 Prozent. Nimmt man eine dreimonatige Kündigungsfrist in Kauf, bietet die Haspa 0,03 Prozent. Direktbanken sind in der Regel etwas großzügiger. Unter ihnen gibt es einige, die sogar weit überdurchschnittliche Zinssätze bieten. So lockt Akbank, die deutsche Tochter eines türkischen Kreditinstituts, mit immerhin 0,7 Prozent. Das Geld unterliegt der deutschen Einlagensicherung. Mehrere Banken mit Sitz in Frankreich, in den Niederlanden oder in Schweden gewähren Zinsen im Bereich zwischen 0,4 und 0,5 Prozent.

Warum ist Tagesgeld noch so beliebt?

Trotz der Zinsflaute zählt das Tagesgeldkonto noch immer zu den beliebtesten Sparprodukten in Deutschland. „Es ist bequem, außerdem vermittelt es ein Gefühl der Flexibilität“, sagt dazu Max Herbst: „Man kann umsteuern, wenn sich bei den Zinsen am Markt etwas verändert.“

Wie viel bringt ein Neukundenbonus?

Einen Tagesgeldzins mit einer Eins vor dem Komma bietet die Consorsbank, eine deutsche Tochter des französischen Finanzkonzerns BNP Paribas. Diese Offerte gilt allerdings nur für Sparer­, die in den zurückliegenden sechs Monaten kein Konto oder Depot bei der Bank geführt haben – und der Zinssatz ist nur für sechs Monate garantiert, danach werden nur noch 0,05 Prozent gutgeschrieben. „Die Consorsbank erhofft sich von dem Angebot, dass neue Tagesgeldkunden dann auch andere Produkte nutzen, zum Beispiel das Wertpapierdepot“, erklärt Max Herbst. Auch die ING-DiBa ist bei Neukunden großzügiger. Für sie gibt es 0,75 Prozent, aber nur für vier Monate. Im Vergleich zu früheren Jahren sei der Umfang derartiger Neukundenboni allerdings deutlich zurückgegangen, so Herbst.

Ist Festgeld deutlich attraktiver?

Wer bereit ist, sein Geld einer Bank für einen etwas längeren, festgelegten Zeitraum zu überlassen, wird dafür mit höheren Zinsen belohnt. Traut man sich dies für ein Jahr, ist der Zinsabstand zum Tagesgeld aber marginal: Im Schnitt gibt es derzeit gerade einmal 0,20 Prozent. Allerdings gibt es auch hier „Ausreißer“, etwa den schwedischen Zahlungsverkehrsspezialisten Klarna (1,05 Prozent) oder die estnische Bigbank, die 0,9 Prozent bietet – doch sie steht wegen zweifelhafter Leistungsfähigkeit der estnischen Einlagensicherung auf einer „Schwarzen Liste“ des Verbraucherschutz-Magazins „Finanztest“.

Sparer, die Wert auf die deutsche Einlagensicherung legen, werden bei der Akbank (0,75 Prozent) fündig. Möchte man sich für drei Jahre binden, gibt es bei der VakifBank (österreichische Einlagensicherung) 1,20 Prozent. Nur knapp dahinter rangiert mit 1,10 Prozent die akf Bank, die der deutschen Einlagensicherung unterliegt. Bei fünfjähriger Anlagedauer bietet die VakifBank 1,40 Prozent, die Akbank nennt 1,30 Prozent. Es bleibt aber die Frage, für wie lange man sich angesichts der aktuellen Zinsunsicherheit binden sollte. „Meiner Einschätzung nach nicht für mehr als ein Jahr“, sagt dazu Dirk Ulbricht, Direktor des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen (iff).

Was bieten Onlineportale wie

Weltsparen?

Das Hamburger Unternehmen Deposit Solutions dürfte kaum ein Anleger dem Namen nach kennen. Etwas anderes gilt für die von dem FinTech betriebenen Onlineportale Zinspilot und Savedo. So hat Zinspilot eigenen Angaben zufolge bisher mehr als zwei Milliarden Euro von gut 60.000 Sparern auf Tages- und Festgeldkonten von ausländischen Banken ohne eigenen Marktauftritt in Deutschland vermittelt. Der Berliner Konkurrent Weltsparen hat nach eigenen Angaben für 90.000 Kunden ein Einlagevolumen von vier Milliarden Euro untergebracht. Über das Zinspilot-Portal bietet etwa die rumänische Alpha Bank einen Tagesgeldzins von 0,77 Prozent. Für eine sechsmonatige Festgeldanlage bei der britischen Atom bank (via Zinspilot) gibt es 1,00 Prozent.

Top-Anbieter für Zwölfmonatsfestgeld ist die italienische Banca Progetto (via Weltsparen) mit 1,3 Prozent. In den vergangenen Jahren haben Plattformen wie Weltsparen noch stärker als heute auf Banken mit außergewöhnlich attraktiven Zinsangeboten aus Ländern wie Bulgarien oder Portugal gesetzt. Die „Stiftung Warentest“ hatte sich dazu jedoch kritisch geäußert: „Wir bezweifeln, dass Länder, deren Wirt­schafts­kraft von den großen Rating­agenturen keine Topnoten erhält, Sparer im Schadens­fall zeit­nah entschädigen können.“ Staaten wie Portugal könnten solche guten Noten für die Kreditwürdigkeit eben nicht vorweisen. FMH-Inhaber Max Herbst empfiehlt Sparern, die über eines dieser Portale ihr Geld etwa bei einer italienischen Bank und für mehrere Jahre anlegen wollen, auf die Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung zu achten. Dies wird häufig angeboten, allerdings verliert man dann den Anspruch auf die Zinsen.

Kann man die Inflation ausgleichen?

„Häufig wird die Wirkung der Preissteigerung auf den Wert des Vermögens unterschätzt“, sagt Ulbricht. Im August sind die Verbraucherpreise in Deutschland um 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Angenommen, ein Sparer legt 50.000 Euro zum durchschnittlichen Tagesgeldzins von 0,14 Prozent an, dann muss er über den Zeitraum eines Jahres – wenn die Teuerungsrate und der Zinssatz konstant blieben – einen Kaufkraftverlust von 830 Euro hinnehmen, weil die Inflationsrate höher als der Zins ist. Mit keinem der bisher genannten Tages- oder Festgeldangebote lässt sich eine Vermögenseinbuße vermeiden.

Lohnt sich Sparen im Zinstief noch?

„Bis man eine Notreserve von einem bis zwei Monatseinkommen zusammenhat, ist es ohnehin ratsam“, so Ulbricht. Dabei sei die Rendite nachrangig. Nach Auffassung von Max Herbst ist Sparen aber prinzipiell sinnvoll, selbst unverzinst: „Wer nichts zurücklegt, hat später nichts.“ Bei ausreichend langem Anlagehorizont seien Aktieninvestments zu empfehlen, sagt Ulbricht – etwa über einen Fonds, der einen breiten Markt­index wie den MSCI World abbildet. „Das kommt aber grundsätzlich nur für Menschen infrage, die Durststrecken finanziell aussitzen und psychisch ohne Panikverkäufe durchstehen können“, so der iff-Direktor. „Je länger der Anlagehorizont, umso wahrscheinlicher ist ein Erfolg. Wer nicht nur spekulieren will, braucht mindestens zehn Jahre Perspektive.“

Wann steigen die Zinsen wieder?

Immer wieder hört man davon, dass sie es bereits tun. Doch das bezieht sich auf Renditen von Papieren mit langer Laufzeit, etwa die zehnjährigen Bundesanleihen. Deren Renditen lagen im Jahr 2016 im negativen Terrain, inzwischen notieren sie bei ungefähr 0,4 Prozent.

Im Kurzfristbereich tut sich hingegen wenig: Während die US-Notenbank Fed ihre Leitzinsen schon seit Ende 2015 in mehreren Schritten wieder über die Marke von 1,0 Prozent angehoben hat, verharrt der entsprechende Zinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) seit März 2016 bei 0,00 Prozent. Außerdem kaufen die Frankfurter Notenbanker jeden Monat Anleihen im Wert von 60 Milliarden Euro – auch dies hält die Zinsen im Keller.

Die Analysten des Hamburger Bankhauses Berenberg können vor diesem Hintergrund den deutschen Sparern wenig Hoffnungen machen: „Eine klare Wende hin zu deutlich höheren Zinsen zeichnet sich angesichts der weiterhin expansiven Geldpolitik der EZB vorerst nicht ab.“