Hamburg. Weniger Container umgeschlagen, Probleme mit Schlick. Meier sagt, wie er Hamburg wieder fit für die Zukunft machen will.

Er hat sich in den vergangenen Monaten mit großen Interviews auffällig zurückgehalten. Nun redet Jens Meier – und zwar im Abendblatt. Über die zunehmend stärkere Konkurrenz aus Antwerpen, warum er die Skandalisierung der Schlickprobleme in Hamburg nicht versteht und worauf er sich im kommenden Jahr als Hafenchef besonders freut.

Herr Meier, der Hamburger Hafen hat auch im ersten Halbjahr noch einen Rückgang beim Containerumschlag verzeichnet. Wann wird der Negativtrend endlich gestoppt?

Jens Meier: Die Zahlen haben sich seit Beginn des zweiten Quartals in eine positive Richtung gewandelt. Der Trend setzt sich stetig fort, sodass ich davon ausgehe, dass wir zum Jahresende mindestens die Zahlen vom Vorjahr erreichen werden. Mit ein bisschen Optimismus werden wir sie sogar leicht überschreiten.

Konkurrent Antwerpen hat Hamburg mittlerweile beim Umschlag überholt und wächst kräftig. Was machen die Belgier besser als Hamburg?

Ich würde nicht sagen, die Belgier machen es besser, aber sie machen gewisse Dinge anders als Hamburg. Der Unterschied zwischen Antwerpen und Hamburg ist, dass dort ein sehr großer Teil des Umschlags durch den größten Kunden, die Reederei MSC, stattfindet. Das liegt daran, dass MSC dort ein eigenes Terminal hat, das aus Kostengründen ausgelastet wird. Das wirkt sich auf die Statistik aus.

Hamburg hat es bisher – mit Ausnahme von Altenwerder – abgelehnt, Reedern an bestimmten Terminals Vorrechte einzuräumen. Muss das geändert werden?

Wir haben zwei erfolgreiche Terminalbetreiber in Hamburg. Es ist allein deren Entscheidung, ob sie sich im Rahmen von Kooperationen oder finanziellen Verflechtungen mit Reedereien zusammentun. Da mischen wir uns nicht ein. Wenn wir neue Flächen bereitstellen, machen wir zuvor ein Markterkundungsverfahren. Da gibt es für mich kein Tabu. Wenn sich eine Reederei zusammen mit einem Terminalbetreiber mit einem sinnvollen Konzept bewerben würde, schauen wir uns das gerne an.

Antwerpen hat Hamburg vor allem die Feeder-Verkehre weggenommen, also die Funktion als Verteilstelle.

Wir sollten davon wegkommen, die Statistik der gezählten Container als das Maß aller Dinge zu betrachten. Viel wichtiger ist die Wertschöpfung, die wir im Hafen erzielen. Wir schauen deshalb weniger auf die Verteilverkehre, sondern insbesondere auf die Ladungsbewegungen und die im Hinterland abgesetzten Container. Da zeigt sich nämlich Hamburgs Stärke: Die Hafenbahn legt kräftig zu und hat im ersten Halbjahr wieder ein Allzeithoch erreicht. Die Auslastung in den Hinterlandtransporten wird immer besser. Wir haben leider wegen der Verzögerungen bei der Fahrrinnenanpassung Verteilverkehre verloren, da die Schiffe nicht voll beladen nach Hamburg kommen können und die Reeder die dafür bestimmte Ladung vorher in anderen Häfen abladen. Bei der für den Weitertransport ins Hinterland bestimmten und bei der lokalen Ladung legen wir zu!

Dennoch gibt es sehr viele Dinge, die gegen Hamburg sprechen: Die geringere Nutzung des Nord-Ostsee-Kanals, die Schiffsgrößenentwicklungen, die Reederei-Allianzen, die zur Neuordnung der Dienste und zu weniger Ladung in Hamburg führen. Kritiker sagen, Hamburg drohe der Abstieg zum Provinzhafen. Was macht Sie so optimistisch, dass das nicht passiert?

Hamburg hat große Vorteile gegenüber anderen Standorten: langfristige, verlässliche Partnerschaften, eine hohe Qualität in der Abfertigung und insbesondere die Fähigkeit, in Krisensituationen eng zusammenzurücken, um die Probleme gemeinsam zu meistern. Ein Beispiel: Die Insolvenz der Reederei Hanjin hat dazu geführt, dass weltweit die Häfen Schiffe dieser Reederei ausgesperrt haben. Auch in Europa. Und was hat Hamburg gemacht? Wir haben nach Lösungen gesucht, wie wir helfen können – mit dem Ergebnis, dass Hamburg der einzige Hafen in Europa ist, wo die Hanjin-Schiffe in Zusammenarbeit mit dem Terminalbetreiber Eurogate abgefertigt werden. Das findet weltweit eine positive Beachtung und hat Hamburgs guten Ruf in der maritimen Branche noch verbessert. „Auf Hamburg kann man sich verlassen“, sagen die Reeder. Dabei geht es nicht um die HPA oder um ein einzelnes Unternehmen, sondern es geht um Hamburg als Ganzes. Das sollten wir bei allen Streitereien, die es intern immer mal wieder gibt, nicht vergessen.

Sie selbst werden kritisiert, Sie würden sich zu stark um Ihre Smart-Port-Projekte kümmern und dabei das Alltagsgeschäft vernachlässigen ...

Wir erleben derzeit viele Umbrüche, nicht zuletzt durch die Digitalisierung. Ich möchte erreichen, dass, wo immer weltweit neue Standards entstehen, wir diese mitsetzen und nicht anderen hinterherlaufen. Es gewinnt nämlich am Ende nicht der Stärkste, sondern derjenige, der sich am schnellsten und intelligentesten auf die Veränderungen einstellt, andernfalls verliert man den ­Anschluss und damit oft auch Wettbewerbsstärke. Wenn man allerdings bei Trends vorne mit dabei ist, muss man immer mal wieder in den Rückspiegel schauen, dass man alle mitnimmt. Manchen erscheinen Entscheidungen unverständlich, weil sie nicht ausreichend erklärt werden. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, unsere Partner im Hafen bei den Neuerungen mehr mitzunehmen. Das ist in den vergangenen Monaten vielleicht etwas zu kurz gekommen.

Zum Ende des Jahres soll endlich die Entscheidung zur Elbvertiefung kommen. Wie optimistisch sind Sie?

Wir können nur sagen, dass wir von unserer Seite alles dafür getan haben, dass die Fahrrinnenanpassung umgesetzt werden kann. Ich bin optimistisch, dass wir eine positive Entscheidung bekommen. Im Übrigen ziehe ich meinen Hut vor den Verwaltungsrichtern, die in einem extrem komplexen Verfahren zu einem Urteil kommen müssen. Bei diesem Prozess kann man nicht schnell richtig oder falsch sagen. Es gibt Unmengen an Gutachten, die zu bewerten sind. Da braucht es Fachexperten.

Was würde ein Nein zur Elbvertiefung für Hamburg bedeuten?

Wenn die Fahrrinnenanpassung nicht kommen sollte, wäre das ganz sicher kein Untergang für den Hamburger Hafen, aber es wäre fatal für Deutschland. Zum einen, weil ein Signal in die Welt ginge, dass Deutschland keine Großprojekte mehr hinbekommt. Zum anderen würden Im- und Export leiden, weil sich Prozesskosten dabei erheblich verteuern würden.

Um die Wertschöpfung im Hafen zu erhalten, werden mehr Industrieansiedlungen gefordert. Was tut sich in diesem Zusammenhang?

Wir bereiten gerade im Kuhwerder Hafen die Flächen für die Ansiedlung eines international bekannten Industrieunternehmens vor. Wir reden hier über ein Investment von mehreren Millionen Euro. Im Übrigen bereiten wir gerade für die Umplanung des Hafengebiets von Steinwerder eine Marktanalyse vor, die in den kommenden drei Monaten durchgeführt wird. Auch dort geht es im Schwerpunkt um die Frage, welche hafennahe Industrieansiedlung hier geeignet ist.

Viele Monate lang erhitzte die Verschlickung des Hafens die Gemüter. Zuletzt kam vom Bund der Steuerzahler scharfe Kritik, wegen Steuerverschwendung. Ist das Pro­blem aus Ihrer Sicht nun dauerhaft gelöst?

Jahrelang hatten wir das Problem, dass wir die ausgebaggerten Sedimente nur auf Hamburger Gebiet verbringen konnten. Deshalb wurde das Baggergut an die Grenze gebracht, von wo aus es langsam durch die Tide wieder in den Hafen hineintrieb – und wir wieder baggern mussten. Das hat der Steuerzahlerbund in seinem Schwarzbuch aufgegriffen. Und ich kann für uns sagen: Wir hätten die Sedimente auch viel lieber weit weggebracht, um diese Kreislaufbaggerei zu durchbrechen. Deshalb sind wir jetzt sehr froh, über die Einigung mit Schleswig-Holstein, mit der wir Baggergut in die Nordsee bringen können. Das wird spürbare Entlastung bringen – nicht gleich morgen, weil sich die Mengen erst nach und nach abbauen, aber wir sind auf gutem Wege. Eines muss ich noch loswerden: Sedimentation ist in Flusshäfen etwas völlig Normales. Die gab es schon immer. Ich wundere mich darüber, warum dieses Thema in letzter Zeit bei uns skandalisiert wurde. Ich danke unseren Kollegen, dass sie das Thema so professionell bearbeiten.

Moment! Sie können doch nicht bestreiten, dass die Schlickmengen in letzter Zeit deutlich zugenommen haben.

Nein. Das haben sie tatsächlich, weil wir weniger Regenmengen am Oberlauf der Elbe haben. Ich will auch nicht verhehlen, dass es Engpässe wegen Mindertiefen gegeben hat, aber wir können nicht überall gleichzeitig baggern, sondern haben versucht bedarfsgerecht zu agieren. Werden an einem Liegeplatz Mindertiefen festgestellt, prüfen wir, wann dort das nächste Schiff mit großem Tiefgang erwartet wird, und schicken rechtzeitig vorher die Bagger hin. Wir haben eigens eine Taskforce Sedimentmanagement eingerichtet, in der wir aus allen relevanten Bereichen das Fachwissen bündeln. Wegen des Schlicks musste noch nie ein Schiff draußen bleiben, und das soll auch nicht passieren.

Steigen die Schlickmengen, dann steigen auch die Baggerkosten. Wo soll das noch hinführen?

Sportbootbesitzer wissen, dass sie in ihren Yachthäfen bei Niedrigwasser trockenfallen können, das gilt schon seit meiner Kindheit. Insgesamt versucht die HPA natürlich, durch ein ganzheitliches Sedimentmanagement die Kosten so gering wie möglich zu halten. Geld wird die Unterhaltungsbaggerei aber immer kosten.

Kritisiert wurde, dass die Landstromanlage feierlich in Betrieb ging, ohne dass sie ein Kreuzfahrtschiff mit Strom versorgte.

Wir haben immer gesagt, dass es sich zunächst um eine Inbetriebnahme handelt, bei der weitere Tests unter realen Bedingungen durchgeführt werden. Ich kann Sie aber beruhigen. Die Testphase ist beendet. Die Landstromanlage funktioniert einwandfrei und hat die „AIDAsol“ am 3. Oktober sechs Stunden lang mit Energie versorgt. Damit erfüllen wir die Landstromnorm.

Worauf freuen Sie sich für das Jahr 2017?

Oh, da gibt es vieles im Hafen. Ein Thema ist die positive Entwicklung des Kreuzfahrtstandorts Hamburg. Schon heute sind wir unter den Top drei der nordeuropäischen Kreuzfahrthäfen.