Hamburg. Womit Hamburger Haushalte auch künftig beim Heizen sparen, beantworten Experten von Greenpeace, Verbraucherzentrale und Gasfirmen.

Die Öl- und Gaspreise sind auf ein niedriges Niveau gefallen. Ob Haushalte aber mit Öl oder Gas heizen, macht sich auf der Abrechnung heute in deutlichen Preisunterschieden bemerkbar: Ein Musterhaushalt von drei bis vier Personen in einem Einfamilienhaus mit Gasheizung musste in der abgelaufenen Heizperiode durchschnittlich 1147 Euro bezahlen. Viel billiger aber war es mit Öl: Hier wurden nur 826 Euro fällig. Unter dem Strich sei das Heizen mit Gas in der Heizsaison 2015/16 um rund 40 Prozent teurer gewesen als mit Öl, haben Berechnungen des Internetportals Verivox ergeben. Das Abendblatt erklärt, wie die Entwicklung weitergeht.

Wie hat sich der Ölpreis grundsätzlich entwickelt?

Der Weltmarkt wurde mit Öl zuletzt förmlich geflutet. Dieses hohe Angebot hat monatelang die Preise stark gedrückt. US-Unternehmen, die mithilfe der kostspieligen Fracking-Methode Schieferöl fördern, haben der OPEC Konkurrenz gemacht. Die OPEC lieferte bisher mit aktuell 13 Mitgliedstaaten rund ein Drittel des weltweiten Rohöls. Das Kartell besitzt jedoch drei Viertel der bekannten Reserven. Wegen des neuen Wettbewerbs der Vereinigten Staaten setzten einige OPEC-Länder auf Konfrontation: Insbesondere Saudi-Arabien versuchte, mit einer Ölschwemme internationale Wettbewerber aus dem Markt zu drängen.

Warum gibt es die Ölpreisbindung des Gases nicht mehr?

Die Koppelung von Gas- und Ölpreisen wurde in den 60er-Jahren vereinbart, um die großen Investitionen der Ver­sorger beim Aufbau der Versorgungs­infrastruktur verlässlich finanzieren zu können. Die Ölpreisbindung war kein Gesetz und kein internationales politisches Abkommen, sondern eine brancheninterne Vereinbarung zwischen Gasproduzenten, -importeuren und -versorgern, sagt Kay Rieck, Vorsitzender des Verwaltungsrats der Deutschen Oel & Gas S.A. Die Ölpreisbindung wurde in den 1960er-Jahren etwa zeitgleich mit der Gründung der OPEC eingeführt. Für die deutschen Gasverbraucher gab es sogar einen speziellen Passus in den Verträgen, der festschrieb, dass immer dann, wenn sich der Ölpreis ändert, auch der Gaspreis entsprechend angepasst wird. In der Zwischenzeit haben sich aber neue Handelsformen etabliert, die den Handel mittels Langfristver­trägen eingeschränkt haben. Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen untersagte der Bundesgerichtshof 2010 die Koppelklausel in den Verbraucherverträgen.

Wie reagierte der Preis für Gas seither?

Seit dem Aus für die Ölpreisbindung entwickelten sich beide Preise höchst unterschiedlich. Das Urteil des Bundesgerichtshofs betraf nur Privatkunden, denn sie hatten zusammen mit Verbraucherschutzorganisationen Klage eingereicht. Für den Verbraucher heißt das, dass es keinen Automatismus mehr gibt zwischen den beiden Preisen – sie folgen aber ähnlichen Konjunkturzyklen. Die Preise für Endkunden schwanken nicht so sehr wie die Weltmarktpreise – im Guten wie im Schlechten. So wurde der recht hohe Weltmarktpreis 2010 bis 2014 nicht direkt an die Verbraucher weitergegeben, weiß Gas-Experte Rieck. Andererseits profitieren die Verbraucher aber auch nicht automatisch vom zuletzt niedrigeren Niveau.

Wie wirken sich eine Öl- oder Gas­heizung bei den Verbrauchern aus?

Die Frage, ob man in sein Haus eine Öl-, Gas- oder alternative Heizung einbauen soll, ist eine Frage der Lebensphilosophie und politischen Rahmenbedingungen, sagt Kay Rieck. Gas gelte als vergleichsweise saubere Energie. Gerade Brennwertheizungen erreichen einen extrem hohen Wirkungsgrad. Und Gas setzt weniger CO2 frei als Kohle oder Heizöl. Es ist zwar denkbar, dass der Wärmebedarf langfristig über dezentrale Versorgungsnetze mit erneuerbaren Energien gedeckt wird, ergänzt Rieck. In der Zwischenzeit sei jedoch die Gasheizung sicher eine bewährte Alternative.

Wie entwickelt sich der Gaspreis in Zukunft­?

Neben der geförderten Menge auf dem Weltmarkt hängt die Preisentwicklung von politischen Entwicklungen in Förderländern sowie der Weltkonjunktur ab. Wichtiger als die Frage, wie der Weltmarktpreis des Gases liegt, ist für den Verbraucher daher, ob er sein Gas bei einem Versorger bezieht, der auch fallende Preise an den Markt weitergibt – und nicht nur steigende. Denn zu welchen Konditionen sich die Versorgungsunternehmen mit Gas versorgen, gehört zu ihren Geschäftsgeheimnissen. Für den Endverbraucher bilden sich die Preise im Wettbewerb. Hier lohnt sich ein Blick in Vergleichsportale.

Welche Heizung ist für die Zukunft
empfehlenswert?

Grundsätzlich gilt: Die Öl- und die Gasheizung werden langsam aussterben. Im aktuell von der Regierung ausgehandelten Klimaschutzplan sind diese Heizungen in Neubauten verboten. „In Altbauten werden Öl- und Gasheizungen dann ebenfalls verschwinden“, sagt Nobert Fleiger, Energieberater bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Eine Alternative bieten Wärmepumpen. Die Vorteile: Der Strompreis schwanke nicht so stark wie der Ölpreis, zudem könne die Wärmepumpe auch mit einer Fotovoltaikanlage betrieben werden. Fleiger rät zudem zu Brennwert- statt Niedertemperaturtechnik. Die Brennwertanlagen steigern die Effizienz bei Gasheizungen um elf, und um sechs Prozent bei Ölheizungen.

Wie stehen Experten zu exotischen
Lösungen wie Pellettheizungen?

Nach Ansicht von Energieberater Fleiger sind die Heizungen, die auf Biomasse basieren, oft nicht ausgereift. Auftretende Schäden seien eventuell schwieriger zu beheben, gute Reparatur­­betriebe Mangelware. Und: Derzeit sei Biomasse günstig zu kaufen, aber wie sieht die Preisentwicklung in der Zukunft aus? Die Verbraucherzentrale bietet passende Services für Haushalte an: Bei bestehenden Heizungen kann man für 40 Euro die Effizienz checken lassen. Bei förderfähigen Angeboten können sich Immobilienbesitzer zudem vor der Anschaffung bei den Experten der Verbraucherzentrale beraten lassen.

Wie entwickeln sich Nachfrage und
Angebot beim Öl weiter?

Die weltweite Nachfrage nach Öl bleibt mit rund 94 Millionen Fass pro Tag ungebrochen hoch. Vor zehn Jahren wurden täglich noch zehn Millionen Fass weniger verbraucht. Als Beispiel: Anfang der 90er-Jahre verbrauchte China in etwa so viel Öl wie Deutschland. Heute ist es fast fünfmal so viel. Allerdings hatte die wirtschaftliche Abkühlung in China auch Zweifel daran wachsen lassen, ob die Ölstaaten weiter so viel verkaufen können. Zugleich will der Iran nach dem Ende der Sanktionen künftig deutlich mehr Öl exportieren. Venezuela und Russland sind die Staaten, die am meisten mit dem vergleichsweise immer noch niedrigen Ölpreis zu kämpfen haben. Venezuela steht vor dem Ruin und hat immense Versorgungsprobleme, obwohl es die größten Ölreserven der Welt hat. Aus Russland kamen zuletzt Signale, an ein Ausweiten der Produktion zu denken: Das wichtige Nicht-OPEC-Land erwägt demnach eine Aufstockung seiner Exporte.

Wie wirkt sich das Fracking aus?

Nach einer Greenpeace-Studie werde der Boom beim durch Fracking erzeugten Öl zwar einen steilen Anstieg der Ölpreise bis in das kommende Jahrzehnt hinein bremsen. Aber andererseits seien die Kosten der Schieferölproduktion so hoch, dass die Preise auch nicht weiter fallen könnten. Öl bleibt nach Ansicht der Greenpeace-Forscher also teuer und wird mittel- und langfristig immer teurer werden.

Inwieweit beeinflussen Privathaus­halte die Klimabilanz?

Der größte Verbraucher von Öl weltweit ist der Verkehr, insbesondere der Straßenverkehr mit einem Anteil von 38 Prozent am Gesamtverbrauch. Etwa zehn Prozent entfallen auf Privathaushalte. Die Verbrennung von Öl ist nach der Kohle die zweitgrößte Quelle für die globalen CO2-Emissionen. Der Ölverbrauch trägt also erheblich zum Klimawandel bei. Das Aufheizen des Klimas sorgt aber auch für den Rückgang des arktischen Eises. Dadurch werden bisher für die Ölindustrie unerreichbare Gebiete im hohen Norden für die Ausbeutung der Öl- und Gasreserven zugänglich. Ihr Abbau und Verbrauch heizt dann wiederum den Klimawandel an, warnen Greenpeace-Experten.