Hamburg. 40 Mitarbeiter beschäftigen sich mit der Zukunftstechnologie. Erste Erfolge gibt es. Kommerzielle Passagierflüge könnten 2035 folgen.

Den Sprung über den Kanal hat das neue Flugzeug schon geschafft. 36 Minuten brauchte der E-Fan für die 74 Kilometer lange Strecke von Lydd in England nach Calais in Frankreich. Für die Luftfahrt war es vom Tempo her mit rund 120 Kilometern pro Stunde eher ein Schneckenrennen – eine historische Dimension hatte der Flug der Airbus-Maschine im Sommer 2015 trotzdem. Erstmals überquerte ein voll elektrisch angetriebener Zweisitzer den Ärmelkanal. Für Airbus-Group-Vorstandschef Tom Enders war es der „vorläufige Höhepunkt“ der rasanten Entwicklung der vergangenen Jahre auf diesem Feld.

Elektro- und Hybridantrieb sind in der Automobilindustrie schon seit Jahren auf dem Vormarsch. Den Durchbruch in Deutschland soll es jetzt durch eine Kaufprämie von bis zu 4000 Euro pro Auto geben, auf die sich Bundesregierung und Hersteller einigten. In der Luftfahrt nimmt das Thema erst jetzt allmählich Fahrt auf.

Emissionsziele setzen Branche unter Druck

Vor wenigen Wochen feierte Airbus in München die Grundsteinlegung für ein Systemhaus Elektrisches Fliegen. Zudem beschloss der MDAX-Konzern mit dem DAX-Schwergewicht Siemens eine Kooperation. Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 die technische Machbarkeit verschiedener hybrid-elektrischer Antriebssysteme nachzuweisen. „Der elektrische und hybrid-elektrische Flug sowie das Ziel eines emissionsfreien Luftverkehrs zählen zu den größten industriellen Herausforderungen unserer Zeit“, sagt Enders.

Die Branche steht unter Druck. Bis 2050 sehen die europäischen Emissionsziele eine Senkung des Kohlendioxidausstoßes verglichen mit dem Start des Jahrtausends um 75 Prozent vor. Auch der Lärm soll deutlich sinken. Mit den herkömmlichen Technologien ist das nicht erreichbar. „Der Hybrid-Elektroantrieb ist ein wichtiger Schritt zum klimaneutralen Fliegen“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Vorstandschef Enders gibt seinen Ingenieuren eine ehrgeizige Vorgabe mit auf den Weg. „Wir sind überzeugt, dass bis zum Jahr 2030 Verkehrsflugzeuge mit einer Kapazität von unter 100 Passagieren mit hybriden Antriebssystemen fliegen könnten.“

Triebwerke hängen nicht unter den Flügeln

An der Umsetzung arbeitet bei der Airbus Group federführend Martin Nüsseler. Der studierte Maschinenbauer leitet den Bereich E-Aircraft Systems, der derzeit 30 bis 40 Mitarbeiter beschäftigt und auf 100 Beschäftigte aufgestockt werden soll. Fünf Jahre nach dem Erstflug solcher Regionalflugzeuge mit einer Reichweite von bis zu knapp 1000 Kilometer hält er den regelmäßigen Einsatz mit Passagieren für möglich. „Frühestens ab dem Jahr 2035 könnten Flugzeuge mit Hybridantrieb kommerziell eingesetzt werden“, sagt der 48-Jährige.

Wie der Flieger der Zukunft aussehen könnte, lässt sich an der Konzeptstudie E-Thrust (Elektroschub) erahnen, die Airbus zusammen mit dem Triebwerkshersteller Rolls-Royce und Siemens entwarf. Die auffallendste Veränderung im Design: Die Triebwerke hängen nicht mehr unter den Flügeln. „Das wird das Flugzeug erheblich sparsamer machen“, sagt Großbongardt. „Durch eine neue Aerodynamik können 25 bis 30 Prozent Sprit gespart werden.“ Die Geschwindigkeit werde sich kaum ändern.

Antrieb mit Erdgas ist theoretisch möglich

Angetrieben wird das E-Thrust-Modell von sechs Elek­tromotoren, die dicht am Rumpf oberhalb der Flügel liegen, und einer zen­tralen Gasturbine. Sie kann mit Kerosin und Biosprit angetrieben werden. Auch Erdgas ist theoretisch möglich, aber das Verwenden dieser Energieform verfolgt Airbus nicht. Der Einsatz mehrerer kleiner Elektroantriebe bietet den Ingenieuren für den Gesamtentwurf neue konzeptionelle Möglichkeiten. „Die Flügelflächen werden besser angeströmt, wodurch sie kleiner werden können. Und die flexibleren Steuermöglichkeiten mehrerer Motoren reduziert die notwendige Größe der Steuerflächen des Flugzeugs“, sagt Nüsseler. Dadurch ist der Luftwiderstand geringer und lässt sich Gewicht sparen – in der Luftfahrt der wichtigste Faktor. Auch für Anwohner in Einflugschneisen soll es einen großen Vorteil geben. „Das aerodynamische Rauschen gibt es zwar immer. Aber der Triebwerkslärm bei Start und Landung wird deutlich reduziert“, sagt Großbongardt.

Eine Gasturbine und sechs Elektromotoren treiben bei der Konzeptstudie E-Thrust das Flugzeug an
Eine Gasturbine und sechs Elektromotoren treiben bei der Konzeptstudie E-Thrust das Flugzeug an © © EADS Innovation Works | Airbus - EIVI

Allerdings gibt es noch ein gravierendes Problem beim Hybridantrieb. „Kerosin hat im Vergleich zu einer Lithium-Ionen-Batterie die 50-fache Leistungsdichte“, sagt Nüsseler. „Das heißt, dass die Batterie 50-mal schwerer ist als Kerosin. Der höhere Wirkungsgrad der elektrischen Motoren kompensiert zwar einiges. Trotzdem ist die heutige Batterietechnologie als alleinige Energiequelle viel zu schwer.“ Bei der Energiespeicherung müssen also noch deutliche Verbesserungen erzielt werden. An dieser Herausforderung arbeitet Airbus seit Jahresanfang im Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) auf Finkenwerder.

In Frankreich wird Serienproduktion aufgebaut

Eine Schnittstelle zu den Hamburger Kollegen der Airbus-Flugzeugsparte gibt es bei der Anpassung der Bordsysteme wie Hydraulik, Klima und Elek­trik an die elektrische Energieversorgung. Die Techniker müssen zudem den hohen Energietransport an Bord technisch gewährleisten. Schließlich wurde Strom bisher nur als Hilfsmittel für kleine Aggregate verwendet. Beim neuen Großraumjet A350 wird mit einer Spannung von 270 Volt gearbeitet, künftig könnten es bis zu 3000 Volt sein. „Das ist neu für die Luftfahrt. Wir müssen den elektrischen Energietransport leicht und sicher darstellen“, sagt Nüsseler. Starke Impulse von einer über den Wolken naheliegenden Energiequelle erwarten Experten übrigens nicht. „Solarenergie spielt für größere Flugzeuge keine Rolle, weil die Energiedichte aus heutiger Sicht zu gering ist“, sagt Nüsseler. Nur bei kleineren Maschinen sei sie ergänzend möglich.

Während die Serienproduktion größerer Passagierflugzeuge mit Elek­troantrieb noch ferne Zukunftsmusik ist, steht sie beim E-Fan vier Jahre nach Projektstart in den Startlöchern. Im südwestfranzösischen Pau baut die Airbus-Group-Tochter Voltair SAS eine Endmontagelinie für den kleinen Elektro-Zweisitzer. Spätestens Anfang 2018 soll der erste E-Fan 2.0 für die Pilotengrundausbildung in Dienst gestellt werden. Als die Standortentscheidung vor einem Jahr verkündet wurde, sagte der damalige Chief Technical Officer Jean Botti: „Durch die Serienfertigung des E-Fan werden wir den Elek­troflug vorantreiben und Erfahrungen bei der Ausweitung der Technologie auf industriellen Maßstab gewinnen.“