Hamburg. Fluglinien beklagen lange Lieferzeiten: Airbus will nun 5500 Kurzstreckenjets des A320 im Werk Finkenwerder im Eiltempo produzieren.
Es ist eine wahre Auftragsflut, die Airbus vor sich herschiebt: 5500 Bestellungen für den Kurzstreckenjet A320 stehen in den Büchern des europäischen Flugzeugbauers. Mehr als zehn Jahre würde es dauern, um beim bisherigen Produktionstempo die Order abzuarbeiten. „Die Airlines beklagen jetzt schon die langen Lieferzeiten“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt dem Abendblatt.
Fertigungsrate steigt auf 60 Jets im Monat
Am Freitag hat der Konzern gegengesteuert. Statt derzeit 43 Maschinen im Monat soll bis Mitte 2019 die Fertigungsrate auf 60 Exemplare steigen. Profiteur dieser Entwicklung ist Hamburg. Das Werk auf Finkenwerder erhält eine vierte Endmontagelinie. Das hatte Airbus-Chef Fabrice Brégier im Juni ins Spiel gebracht und wurde nun beschlossen. Rein rechnerisch ergibt sich eine Steigerung der Kapazität um ein Drittel. Statt bisher 22 Maschinen werden künftig rund 30 Jets pro Monat in Hamburg produziert und ausgeliefert.
„Wenn man sich die Orderbücher und Prognosen anschaut, dann ist das notwendig“, sagt Großbongardt. Nur so könne verhindert werden, dass die Fluggesellschaften zur Konkurrenz abwandern. Schließlich stehe mit der C-Serie des kanadischen Herstellers Bombardier ein ambitionierter neuer Jet in den Startlöchern. Die Flugtests sind zu 97 Prozent abgeschlossen, das Flugzeug steht kurz vor der Zulassung. Allerdings kommt der Jet später als erwartet und die Entwicklung kostet mehr Geld als geplant. Daher ist die kanadische Provinz Quebec am Donnerstag mit rund 700 Millionen Euro bei dem Hersteller eingestiegen. Trotz der Probleme erwartet Großbongardt aber, dass der Jet auf den Markt kommt, den die Platzhirsche Airbus und Boeing bisher weitgehend unter sich ausmachen.
Mehr Jobs durch steigende Nachfrage?
Um die steigende Nachfrage der Airlines bei Kurzstreckenjets bedienen zu können, bauen beide Unternehmen ihre Fertigungskapazitäten aus. Der US-Hersteller hatte schon angekündigt, ab 2018 pro Monat 52 Maschinen vom Typ 737 statt der bisherigen 42 zu bauen. Airbus wollte die Rate für den A320 im ersten Quartal 2017 auf 50 Jets erhöhen.
Mit der Erhöhung auf 60 Exemplare rund zwei Jahre später strebt der für die Flugzeugprogramme zuständige Vizepräsident Didier Evrard nun die „höchste Produktionsrate in der Geschichte der Zivilluftfahrt“ an. Mit den Zulieferern, die ebenfalls ihre Produktion hochfahren müssen, erwartet das Unternehmen keine Probleme. Airbus-Finanzchef Harald Wilhelm erwähnte sogar eine Vereinbarung mit den Lieferanten, im Jahr 2020 die Fertigungsrate auf 63 Maschinen erhöhen zu können. Wilhelm: „Wir sehen weiterhin einen starken Markt bei Verkehrsflugzeugen.“
Ob mit der Ausweitung der Fertigungsrate in Hamburg auch ein Jobaufbau stattfindet, lässt Airbus offen. Aus Unternehmenskreisen auf Finkenwerder hört man die Hoffnung auf 150 neue Jobs. Ein Firmensprecher wollte die Zahl nicht kommentieren, sprach nur von Beschäftigungssicherung für die 12.700 Arbeitnehmer. Weil für die in Toulouse endmontierten Jets die Kabine künftig dort eingebaut wird, verliert Hamburg auch Arbeit. In der dadurch frei werdenden Halle soll die vierte Endmontagelinie ihren Platz finden.
Sprit sparendes Modell ist Verkaufsschlager
Zudem würden von den Programmen für den A330, A350 und A380 Mitarbeiter in die A320-Produktion wechseln, weil bei den Langstreckenjets die Fertigungsraten gesenkt oder die Arbeitsabläufe produktiver würden. „Das ist eine Standortsicherung für Hamburg und daher eine tolle Geschichte“, sagt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Und Großbongardt ergänzt: „Es kann nur von Vorteil sein, beim Brot- und Buttergeschäft A320 einen hohen Anteil zu haben.“ Schließlich gehören mehr als 80 Prozent des Airbus-Auftragsbestands von 6755 Flugzeugen zu diesem Typ. Vor allem die Sprit sparende neue Version A320neo entpuppt sich als Verkaufsschlager.
Für Finanzchef Wilhelm war der Freitag ein guter Tag. Zum einen winkt aus China der nächste Großauftrag. Einen Tag nach dem Kaufvertrag über 130 Flugzeuge der Staatsholding CAS im Wert von 15,4 Milliarden Euro, wurde am Rande des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Absichtserklärung über die Bestellung von 100 Helikoptern des Typs H135 im Wert von einer Milliarde Euro abgeschlossen.
Umsatz steigt im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent
Zum anderen legte die Airbus Group für die ersten neun Monate eine starke Bilanz vor. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sechs Prozent auf 42,9 Milliarden Euro. Das Konzernergebnis steigerte sich sogar um 36 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro. Der Auftragseingang stieg um 42 Prozent auf 112 Milliarden Euro.
„Wir sind auf Kurs, unsere Prognose für das Geschäftsjahr zu erreichen“, sagte Airbus-Group-Chef Tom Enders und geht von einem Plus bei Umsatz, Gewinn und der zu erwartenden Dividende aus. Wegen der guten Liquiditätslage will der Konzern für eine Milliarde Euro Aktien zurückkaufen. An der Börse kam das gut an. Der Aktienkurs kletterte um vier Prozent.