Hamburg. Jahrelang sind die Flotten geschrumpft. Nun planen deutsche Firmen mithilfe ausländischer Geldgeber Investitionen.

Die deutschen Reeder kämpfen sich langsam aus der nun schon sieben Jahre anhaltenden Schifffahrtskrise heraus. Eine knappe Mehrheit der Unternehmen erwartet für dieses Jahr steigende Umsätze, drei von vier Reedern planen die Anschaffung neuer Schiffe, wie aus einer am Donnerstag vorstellten Studie der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hervorgeht. Nur jeder Zehnte will danach noch eigene Frachter verschrotten.

Besonders positiv: Im Frühjahr dieses Jahres waren die Flotten der befragten Reeder im Durchschnitt zu 91 Prozent ausgelastet – dies ist der höchste Wert seit dem Beginn der Befragung 2009. Noch im vergangenen Jahr lag der Auslastungsgrad lediglich bei zwei Dritteln. Unter Druck sind allerdings nach wie vor die Preise, die sich für den Transport von Waren auf dem Meer erzielen lassen. Nur 35 Prozent der Führungskräfte erwarten, dass die Frachtraten in den kommenden zwölf Monaten steigen werden, 39 Prozent gehen von gleichbleibenden Konditionen aus.

Von einer durchgreifenden Erholung des Marktes will der Schifffahrtsexperte von PwC, Claus Brandt, daher noch nicht sprechen. Die bessere Auslastung ist aus seiner Sicht vor allem die Folge der Konsolidierung in den vergangenen Jahren. „Viele Reeder haben auf die sinkende Nachfrage reagiert und ihre Flotten verkleinert.“ Vor diesem Hintergrund bestehe nun die Möglichkeit, wieder neue Schiffe anzuschaffen, wobei vor allem auf einen möglichst niedrigen Treibstoffverbrauch geachtet werde, um die Kosten gering zu halten. Generell werde auf immer größere Schiffe gesetzt.

Kommentar: Kurs auf die nächste Schifffahrtskrise

Zuletzt hatte unter anderem der Chef der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen, erwogen, Containerfrachter mit einer Tragfähigkeit von rund 20.000 Standardeinheiten (TEU) zu ordern. Bei der ausländischen Konkurrenz sind solche Giganten längst im Einsatz. So wird in der kommenden Woche das derzeit größte Containerschiff der Welt, die „MSC Zoe“, dem Hamburger Hafen einen Besuch abstatten. Die Kapazität liegt hier bei 19.244 Standardcontainern. Um die geplanten Investitionen in Modernisierungen und neue Schiffe stemmen zu können, setzen die befragten Reeder zunehmend auf große, institutionelle Kapitalgeber wie Fonds oder Versicherungen.

Knapp zwei Drittel der Unternehmen wollen grundsätzlich attraktiver für solche Finanziers werden, mehr als die Hälfte hatte schon Kontakt zu entsprechenden Kapitalgebern. Viele von ihnen kommen aus dem Ausland, insbesondere aus den USA und Großbritannien, zunehmend aber auch aus Asien. Es sei davon auszugehen, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren beschleunigen werde, erläuterte Brandt. Denn Investoren suchten angesichts niedriger Zinsen weltweit händeringend nach Alternativen, um ihr Geld gewinnbringend anzulegen. Hinzu komme, dass die Banken ihr Engagement in der Schifffahrt wegen steigender Eigenkapitalforderungen weiter zurückfahren.

Die verstärkte internationale Verflechtung zeigt sich auch bei der Bewertung des Standortes Deutschland. Zwar wollen die meisten Unternehmen an einem Firmensitz in der Bundesrepublik festhalten, immerhin ein Fünftel denkt aber über eine Verlagerung ins Ausland nach, bei einem weiteren Fünftel ist die Auslagerung von Teilen schon erfolgt. Als besonders attraktiv sehen die deutschen Reedereien die Standorte Singapur und Zypern an, auch Malta steht hoch im Kurs.

Von einer etwaigen Verlagerung versprechen sich die deutschen Reeder vor allem Kostenvorteile und eine leichtere Zusammenarbeit mit den Behörden. Nach Einschätzung der Befragten ist die ausländische Konkurrenz besser durch die Schifffahrtskrise gekommen, weil sie unter anderem weniger mit Bürokratie zu kämpfen hat und mehr Unterstützung von staatlicher Seite erhält wie etwa Steuervorteile oder andere Vergünstigungen.

Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer belastet Kapitäne und Besatzungen

Eine besondere Belastung für die deutschen Reedereien stellt derzeit die Situation im Mittelmeer dar. In fast der Hälfte der Unternehmen hat ein Schiff schon mal Flüchtlinge aus Seenot retten müssen. Drei von vier Reedereien gehen dabei davon aus, dass die ungewöhnlichen psychischen Belastungen, denen Kapitäne und Besatzung ausgesetzt sind, ein großes oder sehr großes Problem darstellen. „Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, dass die Mannschaften weder für Rettungseinsätze in einem derartigen Ausmaß geschult noch auf die Aufnahme so vieler notleidender Menschen vorbereitet sind“, sagt PwC-Experte Brandt. Sie könnten solche tief greifenden Erfahrungen auch mental kaum verarbeiten.