Hamburg. Das Hamburger Unternehmen erfüllt in seinem Vorstand eine Quote von 40 Prozent – ein Vorbild für andere Konzerne.
Sie haben es im Berufsleben weit gebracht. Silke Grimm und Edna Schöne sind fast schon Ausnahmen in den deutschen Chefetagen. Beide sind neben drei weiteren Männern Vorstandsmitglieder des Kreditversicherers Euler Hermes. Kaum ein anderes Unternehmen dürfte eine Frauenquote von 40 Prozent in der höchsten Führungsebene vorweisen können. Die beiden Frauen haben vieles gemeinsam. Beide sind Eigengewächse von Euler Hermes und haben Kinder.
1991 kam Grimm zu dem Hamburger Unternehmen, bei dem sie erst einmal einen dualen Studiengang an der Wirtschaftsakademie Hamburg, der heutigen Hamburg School of Business Administration machen konnte. Drei Jahre später hatte sie bestanden und suchte nach weiteren Qualifikationen. Sie machte berufsbegleitend ein zweites wirtschaftswissenschaftliches Studium an der Nordakademie Elmshorn.
Vor vier Jahren wurde die Hamburgerin zum Finanzvorstand bei Euler Hermes ernannt. Sie ist für 200 Mitarbeiter verantwortlich und sitzt auch im Aufsichtsrat der HSH Nordbank und im Beirat der Bundesbank in Norddeutschland. Das Geschäft von Weltmarktführer Euler Hermes besteht aus zwei Säulen, einerseits das private Kreditversicherungsgeschäft, in dem Euler Hermes 52.000 Kunden weltweit gegen Zahlungsausfälle absichert, und andererseits die staatlichen Exportkreditgarantien im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland, die sogenannten Hermesdeckungen.
Die Juristin Edna Schöne ist ebenfalls in der Hansestadt aufgewachsen. Sie startete ihre Karriere bei Euler Hermes im Jahr 2000 in der Rechtsabteilung. Stück für Stück hat sie sich hochgearbeitet. Seit dem 1. Januar ist sie als Vorstand für die staatlichen Exportkreditgarantien verantwortlich, etwa wenn ein Unternehmer aus Deutschland ein großes Stahlwerk in ein anderes Land liefern will, und er diese Lieferung absichern will. Solch große Geschäfte mit langen Laufzeiten, vor allem in risikoreiche Länder, sichert meist nur der Bund ab. „Die Nachfrage aus der deutschen Wirtschaft ist insbesondere in politisch turbulenten Zeiten groß“, sagt Schöne. Während im Kreditversicherungsgeschäft Euler Hermes selbst das Risiko trägt und über die Vergabe aller Kreditlimite entscheidet, haftet bei den Exportkreditgarantien der Staat.
Deshalb entscheiden Schöne und ihr Team nur bei Anträgen mit einem Volumen von bis zu fünf Millionen Euro selbst über die Übernahme einer Deckung. Bei größeren Projekten und langen Laufzeiten prüfen die beteiligten Bundesministerien. Dann diskutiert Schöne gleichzeitig mit vier Ministerien.
Schöne ist für 380 Mitarbeiter zuständig, von denen viele in der Berechnung von Länder- und Käuferrisiken arbeiten und mit ihren Einschätzungen möglichst dafür sorgen müssen, dass das Risiko für den Bund möglichst gering bleibt und er nur Lieferantenkredite absichert, die von den Abnehmern auch getilgt werden können. Doch die Risiken werden größer. Zum Beispiel in Russland. Die drastische Abwertung des Rubels trifft Unternehmen in dem Land, die beträchtliche Verbindlichkeiten in harten Devisen haben. Sie werden vermutlich Schwierigkeiten bekommen, die fälligen Schulden zu refinanzieren.
Zusammen mit der sich abzeichnenden Rezession erwartet Euler Hermes für 2015 deshalb einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um rund 30 Prozent in dem Land. „Schäden gehören jedoch dazu, als Marktführer darf man nicht als erster den Kopf einziehen“, sagt Grimm.
Ausgerechnet zwei Frauen sind für die Geschicke eines wichtigen Hamburger Unternehmens zuständig. Das ist eine Ausnahme in der deutschen Wirtschaft. Bei den 200 größten Firmen Deutschlands lag 2014 der Frauenanteil im Vorstand nur bei gerade mal gut fünf Prozent – und bei knapp 80 Prozent dieser Unternehmen herrscht eine „Männer-Monokultur“, bei der keine Frau im Vorstand sitzt. Frauen in Führungspositionen ist für die beiden Managerinnen eine Selbstverständlichkeit, es gehört in ihrem Unternehmen zur Kultur und sie hatten nie Probleme, sich zu behaupten. Die erste Frau im Vorstand, die inzwischen den Ruhestand genießt, kam vor 15 Jahren ins Führungsgremium. Euler Hermes gehört damit zu den Unternehmen, die schon früh mit der Unterstützung von potenziellen weiblichen Führungskräften angefangen hat. „Wir brauchen die besten Talente und deshalb wollen wir als Arbeitgeber modern und attraktiv sein“, begründet Grimm das Engagement. Mit gezielten Angeboten zur Karriereförderung und Work-Life-Balance motiviert der Kreditversicherer sein weibliches Personal, etwa durch Weiterbildung, Mentoren-Programme oder Vorträge vor Frauen. Schon früh wurde zudem ein Eltern-Kind-Zimmer eingerichtet, Ferienprogramme und Unterstützung bei der Kinderbetreuung organisiert und Heimarbeit eingeführt. Zudem ermöglicht Euler Hermes seinen Talenten, Führung auf Zeit. 52 Prozent der 1400 Mitarbeiter des Unternehmens sind weiblich. 1200 davon arbeiten in Hamburg.
Aufgrund der Bemühungen, Beruf und die Bedürfnisse der Kinder zu vereinbaren, ist Euler Hermes 2012 mit dem Helga-Stödter-Preis der Handelskammer Hamburg ausgezeichnet worden. Mit dem Preis zeichnet die Kammer Unternehmen aus, die sich vorbildlich für ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in Führungspositionen einsetzen und das Prinzip des „Mixed Leadership“, also der gemischten Führungsstruktur, in ihrer Personalstruktur realisiert haben. Schöne hat zusammen mit anderen Frauen sogar vor vielen Jahren bei Euler Hermes ein Frauen-Netzwerk gegründet, indem sich Frauen über ihre Perspektiven austauschen. „Natürlich motiviert man Frauen, wenn eine Stelle frei wird, die für sie passt, sich zu bewerben und die Aufgabe zuzutrauen“, sagt Schöne. „Wichtig ist auch der Austausch mit anderen Netzwerken, wie etwa dem der Allianz oder der HSH Nordbank“, sagt Grimm. Themen seien unter anderem, Erfahrungen auszutauschen, „und vor allem jüngere Frauen zu ermutigen, wir leben das ja vor.“
Schöne und Grimm sind auch für den 2018 geplanten Umzug von Euler Hermes und das geplante Neubauprojekt verantwortlich. Das Haus in der Friedensallee wird verkauft. Dort sollen Wohnungen entstehen. In der Gasstraße, wo bereits Schönes Mitarbeiter sitzen, soll die neue Zentrale gebaut werden. Die Mitarbeiter sollen bei der Gestaltung eingebunden werden. „Wir freuen uns schon auf den Neubau und das Arbeiten der Zukunft, das wesentlich digitaler, flexibler und grenzübergreifender sein wird“, sagen die beiden. Sie verstehen sich hervorragend.