Thomas Krings, Risikovorstand des Kreditversicherers Euler Hermes, befürchtet einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 5,5 Prozent.
Hamburg. Deutschlands Unternehmen sind immer stärker in den Welthandel eingebunden – und das bringt Chancen, erhöht aber auch die Zahl potenzieller Gefahrenherde. „Wir sehen insgesamt steigende globale Risiken, sowohl wirtschaftliche als auch vor allem geopolitische“, sagt Thomas Krings, Risikovorstand des Kreditversicherers Euler Hermes in Hamburg. So verzeichne Chinas Wirtschaft das geringste Wachstum seit 25 Jahren. „Hinzu kommen territoriale Streitigkeiten wie der Russland-Konflikt oder im Mittleren Osten, die im vorigen Jahrzehnt noch nahezu unvorstellbar waren“, so Krings.
Vor allem aber gebe es zahlreiche potenzielle neue Krisenherde, die bei einer Eskalation die künftige Entwicklung der Weltwirtschaft negativ beeinflussen könnten, zum Beispiel im Südchinesischen Meer zwischen Japan und China. Schon jetzt litten außerdem neben Russland auch Länder wie der Iran und Venezuela unter dem starken Ölpreisverfall, der Löcher in ihre Staatskassen reiße und zu politischen Spannungen führe.
Für die Handelsdrehscheibe Hamburg haben diese Entwicklungen erhebliche Bedeutung. Russland steht dabei an erster Stelle der Risikofaktoren.
„Russland ist nach China der zweitwichtigste Handelspartner des Hamburger Hafens“, erklärt Krings. Allerdings nahm der Außenhandel mit dem Land bereits im vorigen Jahr um acht Prozent ab. „Für 2015 erwarten wir einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Russland um 5,5 Prozent“, sagt der Euler-Hermes-Experte.
Hauptgründe dafür seien nicht die Sanktionen des Westens, sondern der Rubel- und der Ölpreisverfall, verbunden mit einer einseitigen Ausrichtung der Wirtschaft. Nach den Erkenntnissen des Kreditversicherers würde Russland einen Rohölpreis von mindestens 100 Dollar je Barrel (159 Liter) benötigen, damit keine Löcher in den Staatshaushalt gerissen werden, aktuell liegt der Preis für Öl der Sorte Brent aber nur noch bei rund 60 Dollar. Zudem verteuere die Abwertung des Rubel westliche Waren erheblich. „Deutsche Firmen erhalten daher deutlich weniger Aufträge“, so Krings. Dabei gebe es Maschinenbauer und Außenhändler, für die das Russland-Geschäft große Bedeutung habe.
Schnelle Erholung ist nicht zu erwarten
Eine schnelle Erholung sei nicht zu erwarten: Für 2016 rechnet der Kreditversicherer mit einem weiteren Minus des russischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von vier Prozent – und im schlimmsten Fall, bei einer weiteren erheblichen Verschärfung der Sanktionen, könne es zu einem wirtschaftlichen Kollaps mit einem BIP-Rückgang von bis zu 15 Prozent kommen. Selbst wenn sich dieses Szenario nicht realisiert, wird Russland nach Einschätzung von Euler Hermes in diesem Jahr den weltweit höchsten Anstieg der Insolvenzen verzeichnen (plus 30 Prozent).
Dagegen hat der Containerumschlag aus dem Handel mit China um fast zehn Prozent zugenommen. Den- noch nehmen auch im China-Geschäft die Risiken für deutsche Unternehmen zu: Euler Hermes prognostiziert für dieses Jahr eine Zunahme der Insolvenzen um fünf Prozent, die Zahlungsausfälle haben sich bereits 2014 verdoppelt. „Für chinesische Firmen wird es schwerer, an Bankkredite zu kommen“, sagt Krings, „außerdem mehren sich die Anzeichen für eine Immobilienblase.“ Allerdings gehen 60 Prozent der Ausfuhren in EU-Staaten. Daher rechnet Euler Hermes auch für dieses Jahr mit steigenden Exportzahlen.