Hamburg. Lokführer-Gewerkschaft plant mehrtägigen Ausstand ab Dienstag. Zunächst ist der Güter- und dann der Personenverkehr betroffen.

Die Deutsche Bahn ist erneut von Streiks betroffen. Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen hat die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) einen flächendeckenden Arbeitskampf angekündigt. Dieser werde heute im Güterverkehr beginnen und von morgen 2.00 Uhr bis Donnerstag 21.00 Uhr im Personenverkehr fortgesetzt - und zwar im Nah- und Fernverkehr sowie bei der Hamburger S-Bahn. „Wir wollen für alle Berufsgruppen des Zugpersonals bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen, also wird der Streik auch alle Bereiche treffen – sowohl den Güter- wie den Personenverkehr“, sagte der Bezirksvorsitzende der GDL Nord, Hartmut Petersen, dem Abendblatt. Nicht betroffen sind konkurrierende Privatunternehmen wie der Metronom.

Hauptziel der Gewerkschaft sei es, für das gesamte Zugpersonal einheitliche Rahmenregelungen durchzusetzen. Die GDL verlangt unter anderm für die Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld und eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von derzeit 39 Stunden um mindestens eine Stunde. „Viele Bahnmitarbeiter schieben bis zu 1000 Überstunden vor sich her – ohne jede Chance, diese irgendwann abzubauen“, kritisierte Petersen. Die Bahn forderte unterdessen die GDL auf, den Streikaufruf zurückzunehmen. „Diese Streiks sind für niemanden nachzuvollziehen“, sagte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber. „Die GDL hätte ihr gewünschtes Zwischenergebnis in den Verhandlungen in nahezu allen Punkten haben können“, fügte er hinzu. Stattdessen schade sie der Bahn und ihren Kunden.

Die Gewerkschaft GDL hatte die Verhandlungen am vergangenen Freitag platzen lassen, nachdem aus ihrer Sicht die Deutsche Bahn noch kein gleichberechtigtes Angebot für Lokführer und Lokrangierführer vorgelegt hatte. „Wir sind über diese Hinhaltetaktik wütend.“ Nach Meinung des GDL-Bezirksvorsitzenden spiele die Bahn auf Zeit. „Sie versuche konkrete Ergebnisse solange zu verweigern, bis das neue Tarifeinheitsgesetz verabschiedet wird. Damit muss das Unternehmen dann nicht mehr mit uns verhandeln.“ Zu dem Streik beantwortet das Abendblatt wichtige Fragen.

Warum verlaufen die Tarifverhand-lungen bei der Deutschen Bahn so zäh?

Die GDL verhandelt seit neun Monaten mit der Deutschen Bahn. Hauptkonfliktpunkt ist unverändert, dass die GDL nicht nur für die rund 20.000 Lokführer, sondern auch für Zugbegleiter, Rangierführer und das Gastronomiepersonal eigene Tarifverträge abschließen will. Dies strebt aber auch die größere, konkurrierende, Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) an. Die Bahn wiederum will unterschiedliche Abschlüsse für dieselbe Berufsgruppe vermeiden. Unter Druck fühlt sich die GDL zudem durch das Tarifeinheitsgesetz, das die Regierung vor der Sommerpause beschließen will. Es würde den Einfluss kleinerer Gewerkschaften wie der GDL einschränken.

Welche Rechte haben die Fahrgäste, wenn ihre Züge ausfallen?

Die Deutsche Bahn zeigt sich im Streikfall kulant. Fahrgäste, die wegen Zugausfällen, Verspätungen oder Anschlussverlusten ihre Reise nicht wie geplant antreten können, dürfen sich ihre Fahrkarte und Reservierung im DB Reisezentrum oder in den DB Agenturen kostenlos erstatten lassen. Kunden, die ihre Reise nicht antreten, können ihr Ticket auch nach dem ersten Gültigkeitstag erstatten lassen.

Was passiert, wenn der reservierte oder fest gebuchte Zug ausfällt?

Reisende, deren gebuchter Zug ausfällt, können während des Streiks einen höherwertigen oder anderen Zug nutzen. In diesem Fall wird bei zuggebundenen Angeboten, wie bei Sparpreis-Tickets, auch die Zugbindung aufgehoben. Ausgenommen sind regionale Fahrkarten (Schönes Wochenende-, Quer-durchs-Land- oder Länder-Tickets) sowie reservierungspflichtige Züge.

Wie bereitet sich die Deutsche Bahn auf die Streikwelle vor?

Die Deutsche Bahn will Ersatzfahrpläne für den Zugverkehr aufstellen. In der Europa-Leitstelle in Frankfurt soll ein Krisenteam den Güterverkehr steuern. Dabei hätten für die Versorgung wichtige Züge Vorrang, sagte ein Bahnsprecher. Auch für den Personenverkehr gibt es Bereitschaftspläne der Betriebs- und Planungszentralen. Zugausfälle und Verspätungen seien aber unausweichlich, so ein Bahnsprecher.

Wie stark ist die GDL in Norddeutschland organisiert?

Die GDL Nord umfasst die fünf Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen. Die Region ist mit 5700 organisierten Lokführern, Zugbegleitern und Lok­rangierführern einer der mitgliederstärksten Bezirke. Hartmut Petersen führt den Landesbezirk seit zwei Jahren. Der 50-Jährige war selbst 20 Jahre lang Lokführer.

Welche Folgen hat ein Streik für den Hamburger Hafen?

Der Streik im Güterverkehr wird vor allem den Hamburger Hafen treffen. 38 Prozent aller Güter erreichen den Hafen per Bahn. Zwar sind 115 Verkehrsunternehmen auf den 300 Kilometern Schienen der Hafenbahn unterwegs, doch der Großteil wird durch die Bahn-Tochter DB Schenker bedient. Im Hafen starten und enden täglich rund 200 Züge mit etwa 5000 Waggons oder Containern. Durch den Streik dürfte es zu mehrstündigen Verzögerungen kommen. Der Sprecher der Hamburger Hafenbehörde HPA, Martin Boneß, geht allerdings nicht davon aus, dass es zu einem Stillstand kommt. Der Zugverkehr im Hafen dürfe aus Sicherheitsgründen nicht blockiert werden. Der Verkehr ins Hinterland müsse freigehalten werden. So müsse auch eine Vorbeifahrt an streikbedingt abgestellten Zügen jederzeit möglich sein.