Sogar die Mauerfall-Party in Berlin ist betroffen. Trotzdem kündigt Konzernchef Rüdiger Grube neue Gespräche an. Die Lokführer wollen den Streikrekord bei der Deutschen Bahn brechen.

Frankfurt/Main. Die Lokführergewerkschaft GDL hat zu einem viertägigen Streik bei der Deutschen Bahn aufgerufen. Der Ausstand soll im Personenverkehr an diesem Donnerstag um 2 Uhr morgens beginnen, im Güterverkehr bereits an diesem Mittwoch um 15 Uhr. Das teilte die Gewerkschaft am Dienstag in Frankfurt mit.

Der Streik der Lokführer fällt mit den Berliner Feierlichkeiten zum Mauerfall-Jubiläum zusammen. Touristen werden schlecht per Zug zu den Feiern zum Fall der Mauer vor 25 Jahren in die Hauptstadt kommen. In Berlin selbst wird der S-Bahn-Verkehr von dem insgesamt mehr als viertägigen Streik betroffen sein.

Die deutschen Fernbus-Anbieter rechnen wegen des Rekordstreiks mit einem Millionengeschäft. „Kommt es zu einem Streik in dieser Länge, wird es einen Umsatzzuwachs von mehreren Millionen Euro für die Branche geben“, sagte der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer, Matthias Schröter. „Wir sind für den Marathon-Streik gerüstet.“

Die vorangegangenen Streiks der Lokführergewerkschaft GDL habe auf manchen Strecken zu einer Verdoppelung des Fahrgastaufkommens bei den Fernbusunternehmen geführt.

Die Zugverbindungen in Hamburg und Schleswig-Holstein bleiben

Die GDL begründete die geplante Arbeitsniederlegung mit der Weigerung der Bahn, über einen eigenständigen Tarifvertrag auch für Berufsgruppen zu verhandeln, die nicht Lokführer sind. Ein Einigungsversuch beider Seiten war am Sonntag gescheitert.

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„Wir wollen und müssen im Auftrag unserer Mitglieder verhandeln, egal ob diese als Lokführer, Zugbegleiter, Bordgastronomen, Disponenten, Ausbilder, Instruktoren oder Lokrangierführer in den Eisenbahnverkehrsunternehmen der DB arbeiten“, erklärte GDL-Bundesvorsitzender Claus Weselsky. „Dieses Grundrecht ist in Gefahr und damit die Funktion von Gewerkschaften an sich.“

Es ist der inzwischen sechste Streik im laufenden Tarifkonflikt und der längste seit Gründung der Deutschen Bahn AG im Jahr 1994.

Bahnchef Rüdiger Grube will trotz der neuen Streikdrohung mit der Lokführergewerkschaft GDL wieder ins Gespräch kommen. „Wir werden alles machen, vielleicht auch das, was nicht immer alles in der Öffentlichkeit bekannt ist, um die Gespräche vorzuführen“, sagte er Reuters TV in Berlin. „Wir müssen alle uns ständig unserer sozialen Verantwortung auch in der Sozialpartnerschaft gerecht werden, und ich bitte alle – dazu gehören wir genauso – an den Verhandlungstisch.“

Am Montag hatte die GDL nach Geheimverhandlungen einen Tarifvertragsentwurf der Deutschen Bahn abgelehnt und dem Staatskonzern ein Diktat vorgeworfen. Bahn-Personalchef Ulrich Weber hatte dies unverantwortlich genannt, da der Entwurf zuvor mit der GDL gemeinsam entwickelt worden sei. Die GDL sei kein verlässlicher Verhandlungspartner.

Das müssen Fahrgäste jetzt wissen

Der Deutsche Beamtenbund (DBB) signalisierte seiner Mitgliedsgewerkschaft GDL Rückendeckung: Angesichts dessen, was die Bahn als Tarifvertrag vorgeschlagen habe, sei die fehlende Unterschrift nachvollziehbar, sagte der DBB-Vorsitzende Klaus Dauderstädt der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Die Bahn fordere faktisch eine Art Unterwerfungserklärung.

Daher sehe er keinen Grund „weshalb wir als Dachverband die in der Satzung vorgesehene finanzielle Streikunterstützung für die GDL infrage stellen sollten“.

Der Deutsche Gewerkschaftsverbund (DGB), bei dem die Konkurrenz-Bahngewerkschaft EVG organisiert ist, warf GDL-Chef Claus Weselsky eine Spaltung der Arbeitnehmerschaft vor. EVG und GDL sollten wieder eine Tarifgemeinschaft bilden, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann in der ARD. „Das hat Herr Weselsky leider zu meinem Entsetzen abgelehnt.“

Die GDL verlangt fünf Prozent mehr Lohn im Jahr bei kürzeren Arbeitszeiten. Kern des Konflikts ist aber, dass sie dies nicht mehr allein für die 20.000 Lokführer fordert, sondern auch für rund 17.000 Zugbegleiter und Rangierführer. Die Vertretung dieser Gruppe beansprucht die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) für sich.

Sie will nun auch die bei ihr organisierten Lokführer in ihren Tarifvertrag einbinden. Das sei im Sinne einer solidarischen Tarifpolitik, sagte EVG-Chef Alexander Kirchner. Konkurrierende Gehaltsabschlüsse lehnt die Bahn jedoch ab.

Um Machtkämpfe zwischen Gewerkschaften um dieselbe Arbeitnehmergruppe einzudämmen, bereitet die Bundesregierung ein Gesetz zur Tarifeinheit vor. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gab den Gesetzentwurf am Dienstag in einer leicht verschärften Form in die Ressortabstimmung. Am 3. Dezember soll das Kabinett den Entwurf verabschieden.

„Das nimmt jetzt klare Züge an“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag beim Deutschen Arbeitgebertag in Berlin. Neu eingefügt wurde in dem Reuters vorliegenden Entwurf ein Absatz, in dem ausdrücklich auf die Befriedungsfunktion eines Tarifvertrages hingewiesen wird. Dies könnte eine Rolle spielen, wenn Gerichte darüber zu entscheiden haben, ob der Aufruf einer Minderheitsgewerkschaft zum Arbeitskampf verhältnismäßig ist, wenn es bereits einen Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft im selben Betrieb gibt.