Zum Streikende will die Bahn wieder „alle Züge am richtigen Ort haben“. Shuttleverkehr zum HSV-Spiel eingeschränkt. GDL-Chef Weselsky stellt einwöchige Streikpause in Aussicht.

Berlin/Hannover/Bremen. Am zweiten Tag des Lokführerstreiks ist das Ersatzkonzept nach Angaben der Deutschen Bahn stabil angelaufen. Es sei auch davon auszugehen, dass das den ganzen Tag über so bleibe, sagte eine Bahnsprecherin am Sonntagmorgen in Berlin. Etwa jeder dritte Fernverkehrszug werde seit Sonnabendfrüh auf die Strecke geschickt. Gegen Sonntagmittag will die Deutsche Bahn eine erste Zwischenbilanz der Streikaktion ziehen.

Am Sonnabend war es an den Bahnhöfen relativ ruhig geblieben – die allermeisten Menschen waren über die Streiks und mögliche Ausweichvarianten informiert. „Wir sind optimistisch, dass es so bleibt“, sagte die Bahnsprecherin weiter.

Noch bis zum Montagmorgen 4 Uhr will die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) ihren Ausstand fortsetzen. Mit dem Streik kämpft die GDL neben einem Lokführer-Lohnplus auch dafür, für das gesamte Bordpersonal verhandeln zu dürfen – bislang ist dafür eine andere Gewerkschaft zuständig.

Um den Arbeitskampf quasi noch in letzter Minute abzuwenden, hatte die Bahn am Freitag ein neues Angebot vorgelegt. Dieses sieht eine dreistufige Gehaltserhöhung um fünf Prozent bis Juli 2016 sowie eine Einmalzahlung von rund 325 Euro vor. Zudem bot der Konzern an, zum Abbau von Mehrarbeit 200 zusätzliche Lokführer einzustellen. Die GDL wies den Vorstoß zurück und warf dem Konzern „faule Tricks“ vor.

Für die kommende Woche hat GDL-Chef Claus Weselsky unterdessen eine Streikpause angekündigt. Im ZDF sagte er am Sonnabendabend, er gehe davon aus, dass die GDL ab Montagmorgen zunächst eine Streik-Pause von mindestens sieben Tagen einlegen werde. Seine Gewerkschaft beharre aber darauf, außer für die Lokführer auch für das übrige Zugpersonal wie etwa Zugbegleiter zu verhandeln. Das lehne die Bahn bislang ab. Der 50-stündige Streik der GDL hat an diesem Wochenende bereits die Reisepläne von Millionen Bahnkunden durchkreuzt.

Abendblatt.de hält Sie über die Tarifauseinandersetzungen und ihre Auswirkungen auf dem Laufenden:

+++ HSV-Spieler eskortiert +++

16:53 Uhr: Fußball- und Eishockeyfans haben sich in Hamburg auf den Bahn-Streik gut eingestellt – auch wenn sich die Anreise für manche am Sonntag verzögerte. Weil der Mannschaftsbus des HSV vor der Partie gegen die TSG Hoffenheim im Stau steckte, wurde er mit einer Polizei-Eskorte in den Volkspark geleitet. Viele Zuschauer waren mit dem eigenen Auto angereist. Shuttle-Busse fuhren wegen des Streiks nur zwischen der U-Bahnstadion Hagenbecks Tierpark und den Arenen, die üblichen S-Bahn-Stationen wurden dieses Mal nicht bedient.

+++ Stau im Volkspark auf Normalmaß +++

15.11 Uhr: Fußball- und Eishockeyfans haben sich in Hamburg offenbar gut auf den Bahn-Streik eingestellt. Die Staus rund um die Stadien am Volkspark seien bei der Anreise nicht stärker gewesen als an anderen Doppel-Spieltagen auch, berichtete ein Beamter der Verkehrsleitzentrale am Nachmittag. Der HSV spielt heute in der heimischen Imtech Arena gegen Hoffenheim, die Eishockey-Mannschaft der Freezers gegen die Nürnberg Ice Tigers. Wegen des Bahn-Streiks gab es ausnahmsweise von der U-Bahn-Station am Tierpark Hagenbeck die Shuttle-Busse zu den Arenen. Angesichts des sonnigen Herbstwetters mit zunächst strahlend blauem Himmel nutzten viele den Sonntag zu Ausflügen – mit dem Auto. „Es ist heute wie im Hamburger Berufsverkehr“, ergänzte der Beamte. Ein „Nadelöhr“ war die Ausfallstraße zur Autobahn A 1 Richtung Horner Kreisel. Außerdem behinderten Baustellen den Verkehr.

+++ Flixbus erwartet Rekordgeschäft dank Streik +++

14.55 Uhr: Der Fernbus-Anbieter Flixbus rechnet mit einem Umsatzanstieg von über 30 Prozent an diesem Wochenende. „Für uns war es ein Rekord-Wochenende“, sagte Sprecherin Bettina Engert am Sonntag in München. „Wir haben Zusatzbusse und Doppeldecker eingesetzt. Vor allem die Linien von und nach Frankfurt waren komplett ausgebucht.“ Bei Flixbus steigt der Ticketpreis stufenweise, je mehr Fahrgäste bereits gebucht haben – nachdem die Schnäppchenpreis-Fahrscheine weg waren, wurde der Rest zum teureren Normalpreis verkauft. „Ich denke, dass wir viele neue Kunden gewonnen haben, die vorher noch nicht mit Fernbussen unterwegs waren“, sagte die Sprecherin.

+++ S-Bahn Hamburg rüstet sich für Montag +++

12.41 Uhr: In Hamburg und Schleswig-Holstein sei der Notfahrplan am Sonntagvormittag „stabil und verlässlich“ gelaufen, sagte ein Bahnsprecher. Wie bereits am Sonnabend fuhr demnach rund jede dritte Bahn im Fernverkehr, auf einigen Strecken im Regionalverkehr wurden zusätzlich Busse eingesetzt. Die S-Bahnen in Hamburg verkehrten nach Bahnangaben regelmäßig im Zwanzig-Minuten-Takt. „Wir tun alles, damit wir am Montagmorgen alle Züge am richtigen Ort haben“, sagte der Bahnsprecher. Reisende sollten sich im Internet über aktuelle Entwicklungen informieren.

Der Streik betraf nicht nur Wochenendpendler, sondern auch Urlaubsreisende und Ausflügler. Vor den Informationsschaltern am Hamburger Hauptbahnhof bildeten sich Schlangen. In der Nacht zu Sonnabend hatte die Bahn für gestrandete Passagiere zusätzlich einen Hotelzug geöffnet. Viele Reisende hätten sich aber vorab informiert und Alternativen gesucht, sagte ein Bahnsprecher.

Ausfallen sollten am Sonntagnachmittag auch die Shuttlebusse zu den Heimspielen des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV und des Eishockey-Clubs Hamburg Freezers. Stattdessen sollte nur ein Shuttleverkehr mit Bussen zwischen der U-Bahn-Station Hagenbecks Tierpark und den Arenen angeboten werden, teilte die Bahn mit.

+++ Fernbusse profitieren von Streik +++

12. 07 Uhr: Von dem zweitägigen Streik profitieren im Fernverkehr bislang vor allem Busse. Bereits am Freitag hatte die Nachfrage die Kapazitäten von Fernbus-Anbietern weit überschritten. MeinFernbus verzeichnete etwa eine Verdreifachung der Buchungen. „Wir haben mehr als 100 zusätzliche Fahrten eingesetzt“, sagte ein Unternehmenssprecher.

+++ Bahn gibt Einschätzung ab +++

11.10 Uhr: Zur Lage im Streik will die Bahn heute Nachmittag offenbar eine aktuelle Einschätzung abgeben.

+++ Stabiler Notfahrplan im Norden +++

10.45 Uhr: Der GDL-Streik sorgt auch am Sonntag im Norden für zahlreiche Zugausfälle und Verspätungen. In Niedersachsen und Bremen laufe der Notfahrplan jedoch „stabil“, sagte eine Bahnsprecherin am Sonntagmorgen. Rund jede dritte Bahn im Fernverkehr fährt demnach, auf einigen Strecken im Regionalverkehr wurden zusätzlich Busse eingesetzt.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern laufe der Notfahrplan „stabil und zuverlässig“, sagte ein Bahnsprecher am Sonntagmorgen. Rund jede dritte Bahn im Fernverkehr fährt demnach. Im Regionalverkehr könne die Bahn am Sonntag noch weitere Züge einsetzen: Zwischen Berlin und Stralsund sowie zwischen Pasewalk und Lübeck fahren demnach zusätzliche Regionalexpress-Züge.

+++ Dobrindt appelliert an Bahn und GDL +++

10.22 Uhr: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat Bahn und GDL erneut aufgefordert, den festgefahrenen Tarifkonflikt schnell zu entschärfen. Die GDL forderte Dobrindt zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. „Wenn in Tarifverhandlungen konkrete Angebote auf dem Tisch liegen, sollte verhandelt werden“, sagte der CSU-Politiker der Zeitung „Bild am Sonntag“. Die Bahn sei das zentrale Verkehrsmittel in Deutschland mit Millionen Fahrgästen täglich. Tarifauseinandersetzungen wie auch Streiks seien ein elementarer Bestandteil der Tarifautonomie, „dazu gehört aber auch die Verpflichtung zum verantwortungsvollen Umgang damit, das heißt auch die Folgen für betroffene Dritte möglichst gering zu halten“, sagte Dobrindt.

+++ Bericht: Unstimmigkeiten bei Streik-Abstimmung +++

9.37 Uhr: Wie die „Bild am Sonntag“ berichtet, soll es bei der GDL-Urabstimmung über den Arbeitskampf zu Unstimmigkeiten gekommen sein. Demnach bestehe nach Informationen der Zeitung der Verdacht, dass die Gewerkschaft ihre Mitglieder zum Streik aufgerufen hat, obwohl bei der Abstimmung zuvor nicht die erforderliche Mehrheit der stimmberechtigten GDL-Mitglieder für den Ausstand votiert hatte.

Anstatt der benötigten 75 Prozent Zustimmung der stimmberechtigten GDL-Mitglieder hätten sich mutmaßlich nur knapp 74 Prozent für den Ausstand ausgesprochen. Das hätten Berechnungen des Arbeitsrechtlers Manfred Löwisch, dem früheren Rektor der Universität Freiburg ergeben.

Die Deutsche Bahn, die infolge des Streiks Millionenverluste erlitt, nehme den Verdacht gegen die GDL-Führung offenbar ernst. Eine Sprecherin sagte dem Blatt: „Das muss aufgeklärt werden, auch um zu wissen, was von diesem Streik zu halten ist.“

Trotz mehrfacher Anfragen seit dem 2. Oktober sei die GDL nicht zu einer Stellungnahme gegenüber „Bild am Sonntag“ bereit gewesen.

Am 2. Oktober hatte GDL-Chef Claus Weselsky in einer Pressemitteilung verkündet, 91 Prozent der mehr als 16.000 befragten GDL-Mitglieder hätten in der Urabstimmung bei der Deutschen Bahn für Streik votiert.

Manfred Löwisch widerspricht: „Zu den 91 Prozent kann man nur gelangen, wenn man nicht die Zahl der stimmberechtigten, sondern die geringere Zahl der tatsächlich abstimmenden Mitglieder zugrunde legt.“ Dies sei jedoch mit der "auch für die GDL maßgebenden Arbeitskampfordnung“ nicht zu vereinbaren.

Tatsächlich hatten laut GDL lediglich 81 Prozent der mehr als 20.000 angeschriebenen Mitglieder, zu denen neben den streikberechtigten Tarifkräften auch 4000 Beamte zählen, die Stimmzettel auch zurückgeschickt.

Laut Löwisch lag damit "die Zustimmung zum Streik nicht bei 91 Prozent, sondern nur bei rund 74 Prozent der stimmberechtigten GDL-Mitglieder. Ein über einen kurzen Warnstreik hinausgehender, längerer Streik wie jetzt über das Wochenende, dürfte deshalb gar nicht stattfinden.“