Hamburgs neue Einkaufsparadiese verführen zum Shoppen
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Zehn große Einkaufs-Projekte entstehen oder sind gerade fertig geworden. Kann die Stadt zusätzliche 110.000 Quadratmeter an Fläche verkraften? Wegen der hohen Kaufkraft sei Hamburg sehr attraktiv.
Die Kaisergalerie ist ein ausgesprochen nobler Ort zum Einkaufen. Dort, wo sich bis vor wenigen Jahren noch das Hamburger Ohnsorg-Theater befand, dominieren jetzt blitzende Steinböden, freigelegte Säulen und moderne Kronleuchter. Der schwedische Hemdenhersteller und königliche Hoflieferant Stenströms hat sich mit seinem ersten, deutschen Flagshipstore in der neuen Passage an den Großen Bleichen angesiedelt. Wenige Meter weiter residiert das Modegeschäft Unger mit einer neuen Zweigstelle namens Uzwei, der Hamburger Herrenausstatter Braun wird in Kürze ebenfalls dazukommen.
Die gerade eröffnete Kaisergalerie ist nur das jüngste Beispiel an neuen Shoppingmeilen und Passagen, die derzeit in der Hansestadt entstehen. Ganz Hamburg hat ein regelrechter Bauboom erfasst, nicht nur in der Innenstadt, auch in den Bezirken befinden sich derzeit jede Menge Einkaufszentren und größere Einzelhandelsprojekte im Bau. „Wegen der vergleichsweise hohen Kaufkraft ist Hamburg für Immobilieninvestoren und große Einzelhandelsketten besonders attraktiv“, sagt der Leiter des Bereichs Handel in der Hamburger Handelskammer, Heiner Schote, dem Abendblatt.
Nach Schätzungen der Kammer wird die Verkaufsfläche in Hamburg, die Ende 2013 noch bei 2,7 Millionen Quadratmetern lag, bis 2017 um rund 110.000 Quadratmeter zunehmen – ein Plus von etwa vier Prozent. Allein zehn große Vorhaben in der City und in den Bezirken Nord, Wandsbek, Altona und Harburg befinden sich derzeit in der Planung oder sind gerade fertig geworden.
Eines der ehrgeizigsten Projekte entsteht nur wenige Meter von der Kaisergalerie entfernt an der Stadthausbrücke. Meterhohe Transparente mit Aufschriften wie „Hamburg bekommt eine neue Visage“ oder „In zwei Jahren lassen Sie dieses Quartier garantiert nicht mehr unbeachtet liegen“ sollen neugierig machen auf das, was zwischen Neuem Wall und Großen Bleichen errichtet wird.
Dort, wo früher die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt saß, entsteht bis 2017 ein Mix aus Läden, Restaurants, Büros, Wohnungen und Hotel, ein komplett neues Quartier mit einer Gesamtfläche von 100.000 Quadratmetern. 250 Millionen Euro investiert die Hamburger Quantum Immobilen AG zusammen mit weiteren Partnern, die auch für die benachbarte Kaisergalerie verantwortlich zeichnet. Das neue Luxusquartier soll vor allem hochwertige, exklusive Geschäfte beherbergen, die überwiegend im Erdgeschoss der verschiedenen denkmalgeschützten Gebäude angesiedelt werden, von denen meist nur die Fassaden erhalten bleiben. Der genaue Anteil des Einzelhandels an der Gesamtfläche steht allerdings noch nicht fest.
Am Alten Wall ist ein nobler 150 Meter langer Einkaufsboulevard geplant
Nicht minder ambitioniert und exklusiv ist das zweite Großprojekt in der Hamburger Innenstadt. Am Alten Wall, direkt gegenüber des Rathauses, plant der Kölner Projektentwickler Art Invest gleich einen 150 Meter langen Einkaufsboulevard mit edlen Boutiquen und anderen noblen Läden. 10.000 Quadratmeter Einzelhandelsflächen sind in dem historischen Gebäudekomplex neben 18.000 Quadratmetern an Büros vorgesehen, von dem – wie in den Stadthöfen – teilweise nur noch die Fassade steht. Dahinter haben Bagger die eigentlichen Bauten weggerissen.
Nach Angaben des Projektverantwortlichen Jan Rouven Künzel soll der neue Boulevard unter anderem dazu beitragen, die fehlende Achse zwischen den Einkaufsmeilen Mönckebergstraße und Neuer Wall wieder zu aktivieren. Einzelhandelsexperte Schote bewertet das Projekt vor diesem Hintergrund als positiv. „Der neue Boulevard am Alten Wall und die Stadthöfe sind gut für die Innenstadt, weil sie dazu beitragen, die bisherigen Einkaufsstraßen noch enger miteinander zu verbinden und zu vernetzen.“
Dass Immobilieninvestoren und noble Handelsunternehmen vor allem in die City drängen, ist leicht zu erklären. „In den guten Lagen der Innenstadt ist die Kundenfrequenz auch wegen der vielen Touristen und Besucher von außerhalb hoch“, sagt Schote. Die Bezirks- und Stadtteilzentren müssten vor diesem Hintergrund aufpassen, nicht den Anschluss gegenüber der Innenstadt zu verlieren. „Hier trennt sich jetzt die Spreu vom Weizen.“
Noch ist das Verhältnis zwischen der City und dem Rest der Stadt gut. Während in einer Stadt wie München fast ein Drittel des gesamten Einzelhandelsumsatzes in der Innenstadt erwirtschaftet wird, sind es in Hamburg lediglich 17 Prozent, was für gut funktionierende Stadtteilzentren spricht.
Auch St. Pauli und Altona haben aufgerüstet
Aufgerüstet haben im Kampf um die Kunden zuletzt St. Pauli und Altona. An der Feldstraße ist mit der Rindermarkthalle erst vor wenigen Tagen ein 14.000 Quadratmeter großes Lebensmittelparadies an den Start gegangen. In Altona hat der Ikea-Neubau an der Großen Bergstraße zu einer spürbaren Belebung der Einzelhandelslandschaft östlich des Bahnhofs gesorgt.
In anderen Stadtteilen und Bezirken stehen solche Initialzündungen noch aus. In Barmbek etwa warten die Anwohner seit der Insolvenz von Hertie sehnsüchtig darauf, am S-Bahnhof wieder Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen zu können. Der Abriss des alten Kaufhauses wurde Anfang September begeistert gefeiert, weil zugleich die neuen Investoren für das Gelände bekannt gegeben wurden. Die Projektentwickler TransArt und OFB wollen dort ein Einkaufszentrum mit möglichst viel Einzelhandel realisieren. Details fehlen allerdings noch.
Deutlich weiter ist das Projekt W1 in Wandsbek, für das ein weiterer Schandfleck, das ehemalige C&A-Haus an der Wandsbeker Marktstraße, weichen soll. Er wird noch in diesem Herbst abgerissen und durch das neue Einkaufszentrum ersetzt. Die Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft (HBB) will bis 2016 ein sechsgeschossiges Geschäftshaus errichten, in dem auf drei Etagen Einzelhandel mit dem Schwerpunkt Bekleidung vorsehen ist. Die Sporthandelskette Decathlon wurde bereits als ein großer Mieter gewonnen, auch die Supermarktkette Rewe und der Drogeriemarkt dm werden einziehen. Das Projekt in unmittelbarer Nähe des Karstadt-Hauses und des Quarrees soll den Auftakt zur Wandsbeker Einkaufsmeile bilden, die unter dem leer stehenden C&A-Gebäude besonders zu leiden hat.
Das Einkaufszentrum in Wilhelmsburg sollte schon längst fertig sein
In Wilhelmsburg nimmt das seit Langem geplante LunaCenter mit rund 20.000 Quadratmetern Verkaufsfläche immer konkretere Formen an. Das Einkaufszentrum direkt am S-Bahnhof sollte eigentlich schon zur Internationalen Gartenschau im vergangenen Jahr fertig werden, verzögerte sich aber mehrfach. Nun ist der Umbau rund um den größten Mieter Marktkauf weitgehend abgeschlossen, der seine bisherige Fläche noch einmal um 500 Quadratmeter vergrößert hat. „Im Herbst werden die nächsten großen Mieter wie das Dänische Bettenlager, das Futterhaus und Tchibo Prozente einziehen“, sagt Bauherr Hans-Jürgen Schneider. Die offizielle Eröffnung sei für den 27. November geplant.
Im Bezirk Harburg plant darüber hinaus auch noch Hamburgs größter Shoppingcenterbetreiber ECE eine Erweiterung des bestehenden PhoenixCenters um 2500 Quadratmeter. Dafür werden ehemalige Parkplätze zur Verkaufsfläche umgewidmet. Die Maßnahmen sind laut einer ECE-Sprecherin bereits genehmigt, der Umbau soll im vierten Quartal dieses Jahres beginnen. Unumstritten ist die Erweiterung des Phoenix-Centers allerdings nicht, denn bereits heute haben viele Geschäfte in der traditionellen Einkaufsmeile Lüneburger Straße unter der Konkurrenz des Centers zu leiden.
Dass es an einem Standort auch ein deutliches Überangebot an Verkaufsfläche geben kann, zeigt das Beispiel HafenCity. Am Überseeboulevard stehen rund 30 Prozent der Läden leer, die großen Hoffnungen von Händlern und Gastronomen haben sich nicht erfüllt. Ob es jemals zu der offiziell noch immer geplanten Erweiterung des Überseequartiers mit 30.000 Quadratmetern zusätzlicher Verkaufsfläche kommt, ist daher völlig offen.
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