Investoren bekunden Interesse für das 800-Millionen-Euro-Projekt im Herzen des Stadtteils. Geplant ist unter anderem, die Nord-Südachsen zu überdachen, etwa mit riesigen Regendächern und Windschutzwänden.
Hamburg. Im bereits gebauten, kleinerem Nordteil leiden Geschäfte unter Kundenmangel, der gesamte südliche Abschnitt liegt seit 2010 komplett brach: Nur eine riesige Baugrube erinnert dort in unmittelbarer Nachbarschaft des Kreuzfahrt-Terminals daran, dass hier mit dem Überseequartier das eigentliche und zentrale Geschäftszentrum der HafenCity entstehen sollte. So etwas wie eine zweite Mönckebergstraße für Hamburg, wie es bei Planern schon einmal hieß. Nun setzt die städtische HafenCity GmbH nach vier Jahren Stillstand auf einen radikalen Neuanfang. Wie aus einem internen Strategiepapier für die Bürgerschaft hervorgeht, streben die bisherigen Investoren einen Ausstieg aus dem Projekt an. 2005 noch hatte der damalige Senat den Bau des gesamten Quartiers zwischen Speicherstadt und Elbe an ein Dreier-Konsortium aus zwei niederländischen Banken und einem deutschen Projektentwickler übertragen und das Grundstück dazu verkauft. Jetzt sucht die Stadt einen neuen großen Investor, der mindestens 800 Millionen Euro ausgeben müsste.
Ein sogenanntes Interessenbekundungsverfahren wurde vor einigen Tagen bereits abgeschlossen, mit den interessierten Unternehmen werde man weiter verhandeln, bestätigte HafenCity-Geschäftsführer Jürgen Bruns-Berentelg, der sich optimistisch zeigte, dass es einen baldigen Weiterbau geben wird. „Bis Ende des Jahres wird es dazu einen neuen Vertrag geben“, so Bruns-Brentelg. Namen wolle er aus Wettbewerbsgründen nicht nennen. Allerdings handele es sich eher um Anleger mit einer hohen Eigenkapitalquote und langfristigem Interesse, die nicht auf die Finanzierung durch Banken angewiesen seien.
Der Bau des Überseequartiers war 2008 im Zuge der Finanzkrise ins Stocken geraten, weil Banken sich zögerlich zeigten, weiteres Geld in das ehrgeizige Stadtentwicklungsprojekt zu pumpen. Die drei Partner hätten sich aber auch untereinander „blockiert“, sagt Bruns-Berentelg, der nun mit dem neuen Kapitalgeber einen zweiten Anlauf unternehmen will, um die riesige Baulücke doch noch zu schließen.
Allerdings soll das bisherige Konzept komplett überarbeitet werden: So hatte die inzwischen in Hamburg regierende SPD auch den Bau von Wohnungen gefordert, die zuvor im südlichen Überseequartier nicht geplant gewesen waren. Laut dem Strategiepapier könnten dort rund 35.000 Quadratmeter Wohnfläche entstehen, der Anteil der Büros wird dafür reduziert. Das Quartier gilt allerdings für das Wohnen als problematisch: Das Überseequartier soll das kommerzielle Herz der HafenCity werden, eine Art Zentrum mit vielen Geschäften, Restaurants und Unterhaltungsangeboten. „Das eignet sich dann eher für Studenten als für Familien“, sagt Bruns-Berentelg.
Die Einkaufmeile soll nicht überdacht sein, aber Regenschutz erhalten
Ganz einfach dürfte es aber nicht werden, ein pulsierendes Zentrum auf dem Reißbrett zu planen. Nach Berechnungen der HafenCity GmbH könnten Bewohner und Beschäftigte in dem Stadtteil zu nur etwa 30 Prozent der Umsätze beitragen, die ein solches Zentrum benötige. Der größere Teil müsse durch Touristen und Besucher kommen, die dort gezielt einkaufen. Dieses „Nachfrage-Dilemma“ zeige sich aktuell bereits im fertiggestellten Nordteil, der allein noch zu klein sei, um genügend Kunden anzulocken. Man brauche dazu eine „kritische Masse“ von vielen Geschäften und Angeboten, argumentiert Bruns-Berentelg.
Um das zu erreichen, sollen sich die Schaufensterlagen im südlichen Abschnitt gegenüber der bisherigen Planung verdoppeln. Und es soll mehr kleinere Läden geben: Statt bisher 48 sind nun mindestens 100 vorgesehen. Ein großes Thema wird Bruns-Berentelg zufolge aber auch ein guter Schutz vor Regen und Wind sein. Am einfachsten ließe sich das mit einem geschlossenen Shopping Center bewerkstelligen – doch das lehnt der Senat an dieser Stelle ab. „Das schafft nur eine Insellage und lässt keine Verbindungen zu“, sagt auch Bruns-Berentelg.
Geplant ist deshalb, die Nord-Südachsen zu überdachen, etwa mit schirmartigen, riesigen Regendächern und Windschutzwänden. Wie genau diese Konstruktionen aussehen werden, sollen jetzt Architekten-Wettbewerbe ergeben.
Verhalten optimistisch zeigt sich angesichts der neuen Pläne der baupolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Kienscherf: „Die Entwicklung des südlichen Überseequartiers scheint jetzt endlich auf dem richtigen Weg zu sein“, sagt der SPD-Politiker. Nach dem Scheitern der ursprünglichen Pläne unter dem schwarz-grünen Senat habe seine Fraktion eine Neukonzeption geordert. „Ziel war es, ein geschlossenes Shopping-Center zu verhindern, aber auch mehr Wohnungen in diesem Bereich zu ermöglichen.“ Jetzt sei mehr Platz für Wohnungen vorgesehen. „Das wäre ein gutes Signal für die HafenCity“, sagte Kienscherf. Der Politiker mahnt zur Eile. „Denn die Schließung dieser großen markanten städtebaulichen Lücke mit der endgültigen Realisierung des Kreuzfahrtterminals im Herzen der HafenCity ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Verbindung zwischen der westlichen Hafencity und dem neuen östlichen Baakenhafenquartier.“ Daher müsse alles für eine zügige Realisierung getan werden.
Mit einem Baustart im südlichen Überseequartier rechnet HafenCity-Geschäftsführer Bruns-Berentelg jetzt frühestens im Jahr 2016. Ursprünglich sollte das gesamte Quartier bereits 2011 fertig gestellt sein.