Zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein herrscht neue Einigkeit. Der Streit um die Windmesse von vor nicht einmal zwei Jahren scheint auf der Delegationsreise beider Länder in die Türkei beigelegt.
Der wichtigste Satz fällt am vierten Tag der Delegationsreise von Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) und seinem Kieler Amtskollegen, Wirtschaftssenator Reinhard Meyer (SPD) in der Türkei. Die beiden Politiker haben gerade einen erfolgreichen Termin beim Parlament der Istanbuler Hafenwirtschaft absolviert, als sie sich vor der Tür verabschieden.
Meyer will mit einem Teil der Delegation in die türkische Stadt Samsun am Schwarzen Meer weiterreisen, weil Samsun Partnerstadt von Kiel ist. Die beiden Minister umarmen sich herzlich und Horch fragt: „Ob der eine wohl ohne den anderen auskommen wird?“
Es ist ein Scherz, der viel Wahres in sich trägt. Seit Pfingstmontag sind die beiden zusammen mit Politikern, Unternehmern und Wissenschaftlern aus dem Norden in der Türkei unterwegs, um neue wirtschaftliche Kontakte zu knüpfen und bestehende Verbindungen zu festigen. E
rst führten sie Gespräche auf Regierungsebene in Ankara, dann in Istanbul. Und sie ergänzen sich hervorragend: Repräsentative Termine werden von Horch und Meyer gemeinsam absolviert, keiner versucht sich in den Vordergrund zu spielen. Reden sie frei, reicht eine kurze Abstimmung mit den Augen darüber, wer was sagt. „Die beiden sind ein gutes Gespann“, heißt es aus der Delegation.
Bemerkenswert ist aber die Reise an sich: Erstmals in der Geschichte von Schleswig-Holstein und Hamburg sind die Wirtschaftsminister gemeinsam aufgebrochen, um im Ausland für den Norden zu werben. Dabei war die Beziehung der beiden Nordländer zuletzt alles andere als frei von Last.
Vor nicht einmal zwei Jahren gehörten harsche Worte aus Kiel in Richtung Hamburg und umgekehrt zum guten Ton. Der Streit über den künftigen Standort der Windmesse war Ausdruck des Verhältnisses. Schleswig-Holstein warf Hamburg vor, Husum aus Überheblichkeit eine wichtige Veranstaltung wegnehmen zu wollen. Aus der Hansestadt hieß es hingegen, der Nachbar im Norden würde sich aus purem Egoismus einer für die ganze Region wichtigen Weiterentwicklung der Messe widersetzen.
Der Streit gipfelte in dem Verbot der Umlagerung von Elbschlick aus dem Hamburger Hafen ins schleswig-holsteinische Wattenmeer. So fällt Meyer auch heute noch auf die Frage, ob man sich denn vor zwei Jahren ebenfalls eine gemeinsame Tour hätte vorstellen können, nur eine Antwort ein: „Wahrscheinlich nicht.“
Aber nun ist alles anders. Und der Unternehmensverband UVNord, der zuletzt das schlechte Auskommen der beiden Länder kritisierte, muss sich ein neues Streitobjekt suchen. „Wir sind dabei, zu dokumentieren, dass wir eng zusammenarbeiten, auch wenn es in der Vergangenheit nicht immer so aussah“, sagte Meyer bei einem Dinner mit türkischen Geschäftsleuten in der Sommerresidenz des deutschen Botschafters in Istanbul.
Und Horch ergänzte: „Wir haben uns erfolgreich auf einen neuen Weg gemacht. Denn bei allen Vorzügen des Föderalismus stellen wir doch fest, dass wir gemeinsam weiter kommen.“ Das klingt eher nach Nordstaat als nach Streit.
Dabei findet die Reise zu einem schwierigen Zeitpunkt statt, da sich die innenpolitische Lage in der Türkei derzeit zuspitzt und die gesellschaftlichen Verwerfungen zwischen jungen freiheitsliebenden Kräften in den türkischen Großstädten und der konservativ-religiösen Regierungspartei wachsen.
Horch sieht darin aber keinen Hinderungsgrund, um wirtschaftliche Kontakte zu knüpfen. „Der Verlauf der Reise und die Reaktion unserer Gesprächspartner zeigt, dass wir genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen sind, um in diesem kritischen Umfeld unsere Kontakte zu pflegen und neue aufzubauen“, sagt er.
Unterstützt wird er in dieser Beurteilung von einem Mann, der als Hamburger Bürgermeister zweimal die Türkei bereist hat, und inzwischen als Kenner und Türöffner in das Land am Bosporus gilt: Ole von Beust.
Nach seiner Karriere im Rathaus arbeitet der CDU-Politiker und gelernte Jurist wieder als Rechtsanwalt, mit einem Büro in Hamburg und einem in Berlin. Zusammen mit dem ehemaligen Grünen-Staatssekretär Rezzo Schlauch ist Beust aber auch Deutschland-Repräsentant für die staatliche türkische Agentur für Wirtschaftsförderung ISPAT.
In dieser Funktion begleitete Beust die Reise am Anfang. Einmal im Jahr kommt er in Istanbul mit Vertretern deutscher Firmen zusammen und erfährt von ihnen aus erster Hand, wie sie die Lage einschätzen.
Beust: „Sie klagen über Bürokratie, aber die innenpolitischen Spannungen sind für die Unternehmen kein Hemmnis.“ Ähnlich äußerte sich der deutsche Botschafter in Ankara, Eberhard Pohl, am Anfang der Delegationsreise: Die deutschen Firmen in der Türkei seien angesichts der innenpolitischen Spannungen vorsichtiger geworden, mittel- und langfristig aber weiter optimistisch, sagte er.
Und Minister Meyer meinte: „Schon die Größe der Delegation mit mehr als 60 Teilnehmern zeigt, wie stark das Interesse an geschäftlichen Kontakten in die Türkei ist.“
Tatsächlich berichteten zahlreiche Teilnehmer der Delegation von vielversprechenden Gesprächen, an die sie anknüpfen und deshalb bald wiederkommen wollen. „Jedem ist klar, dass es nicht ausreicht, einmal hierher zu fahren, um gleich geschäftliche Abschlüsse zu melden“, sagte Meyer.
Einige Unternehmer kündigten aber tatsächlich noch während der Reise an, kurz vor einer Einigung mit ihren türkischen Partnern zu stehen. Am heutigen Sonntag wird die Delegation zurückkehren.