Österreicher René Benko zahlt symbolischen Preis für die Warenhauskette Karstadt. Der 37-jährige Multimillionär ist vorbestraft. Sein Privatvermögen soll bei 850 Millionen Euro liegen.
Essen/Wien/Hamburg. Den Österreicher René Benko als „schillernd“ zu bezeichnen greift ein wenig kurz. Quasi aus dem Nichts hat der einstige Schulabbrecher ein Immobilienimperium aufgebaut. Weggefährten des heute 37-Jährigen erzählen gern, wie er zu Beginn seiner Laufbahn zwei Dachböden in seiner Heimatstadt Wien zu Luxuspenthäusern ausbaute, sich dann geschickt mit großen Geldgebern umgab und mit deren Mitteln Banken ihre Prunkhäuser abkaufte. Er entkernte sie und ließ darin Nobelläden installieren. Das ganze Areal bezeichnete er unbescheiden als „Goldenes Quartier“.
Nicht immer arbeitete Benko, dessen Privatvermögen auf 850 Millionen Euro geschätzt wird, bei seinem Aufstieg mit sauberen Mitteln. Erst Anfang dieser Woche bestätigte Österreichs oberstes Gericht eine einjährige Bewährungsstrafe gegen den Immobilientycoon. Er hatte versucht, ein Steuerverfahren gegen seine Gruppe Signa positiv zu beeinflussen und dafür einem Mittelsmann ein Erfolgshonorar von 150.000 Euro in Aussicht gestellt.
Doch von solchen Rückschlägen lässt sich Benko nicht aufhalten. Am Freitag brachte er den wohl spektakulärsten Deal seiner Karriere unter Dach und Fach: Er ist es, der nun die weiteren Geschicke bei der traditionsreichen Warenhauskette Karstadt bestimmt. Der Investor werde den angeschlagenen Konzern mit seinen 83 Filialen bereits zu Beginn der kommenden Woche vom bisherigen Eigentümer Nicolas Berggruen übernehmen, teilten Benkos Signa Holding und Berggruen am Freitag mit.
Der Kaufpreis, den die beiden Männer für das Unternehmen mit seinen noch 17.000 Mitarbeitern vereinbart haben, ist ein wahres Schnäppchen: Er beträgt gerade einmal einen symbolischen Euro. Benko ist bei Karstadt keineswegs ein Unbekannter. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich der Österreicher die Mehrheit an den Karstadt-Sports-Filialen, sowie an der sogenannten Premium Group gesichert, in der das Hamburger Alsterhaus, das KaDeWe in Berlin und das Oberpollinger in München zusammengefasst sind.
Darüber hinaus gehören der Signa Holding auch schon zahlreiche Immobilien, in denen sich die Karstadt-Filialen befinden. Neben dem Gebäude des Alsterhauses sind dies in Hamburg auch die Häuser in Bergedorf und in Harburg. Insgesamt gibt es derzeit noch sieben reine Karstadt-Standorte in der Hansestadt, sowie drei Sporthäuser und die Premiumfiliale am Jungfernstieg.
Der aktuelle Deal sieht nun vor, dass sich der bisherige Eigentümer Berggruen nicht nur von den 83 Karstadt-Häusern verabschiedet, sondern auch von seinen restlichen Minderheitsanteilen bei den Sport- und Nobelfilialen. Damit wirft ein Mann das Handtuch, der bei seinem Einstieg in die Kette im Jahr 2010 noch als großer Retter gefeiert worden war, dann aber alle Erwartungen, die die Beschäftigten in ihn setzten, enttäuschte. Ob nun der versprochene Verbleib in der Tarifbindung, das Festhalten an der Gruppe als Ganzes oder zusätzliche Investitionen: Nichts wurde umgesetzt. Statt zu investieren, zog Berggruen sogar 40 Millionen Euro jährlich aus dem schlingernden Unternehmen für die Nutzung der Rechte an der Marke Karstadt heraus.
Der letzte Tiefschlag wurde den ohnehin schon gebeutelten Beschäftigten mit dem Abgang der beliebten Chefin Eva-Lotta Sjöstedt verpasst, die nach gerade einmal fünf Monaten zurücktrat, weil sie keine Unterstützung für ihr neues Konzept, das eine verstärkte Regionalisierung der Kette vorsah, bekommen konnte. Außerdem dürfte Sjöstedt bei ihrem Abgang schon klar gewesen sein, dass Berggruen Karstadt an Immobilientycoon Benko weitergeben würde. Eine Aussicht, die sie offenbar nicht gerade zuversichtlich stimmte.
Ob es unter dem neuen Eigentümer nun besser wird, kann daher zumindest bezweifelt werden. Was genau der Österreicher mit den Warenhäusern vorhat, ließ er am Freitag erst einmal offen. Signa wolle sich nun auf die „Sanierung und die Zukunftsfähigkeit vom Karstadt konzentrieren“, kündigte Wolfram Keil, Geschäftsführer der Signa Retail GmbH, an. Das Unternehmen müsse „raus aus den Medien und der zermürbenden öffentlichen Diskussion“, sagte der Manager, der bei den Österreichern für das Einzelhandelsgeschäft zuständig ist. „Deswegen werden wir auch in nächster Zeit keine Wasserstandsberichterstattung betreiben, sondern uns innerhalb des Unternehmens ausschließlich auf die Sachthemen konzentrieren.“
Die Gewerkschaft Ver.di forderte Signa auf, möglichst umgehend ein tragfähiges Zukunftskonzept für die Kette vorzulegen. „Herr Benko muss sagen, was er mit Karstadt vorhat“, sagte der Hamburger Fachbereichsleiter Arno Peukes dem Abendblatt, der auch im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzt. „Was wir brauchen, ist Sicherheit für die Arbeitsplätze und für die Standorte.“ Das von Ex-Chefin Sjöstedt entwickelte Modell, das eine größere Eigenständigkeit der Filialen vorsah, bezeichnete er als durchaus tragfähig. Dem früheren Eigentümer Berggruen weint laut Peukes „sicher kaum ein Mitarbeiter auch nur eine Träne nach. Er hat sehr viel versprochen und nichts gehalten.“
Unter dem neuen Eigentümer könnte es allerdings schon bald zu heftigen Einschnitten bei Karstadt kommen. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Unternehmens, Stephan Fanderl, hatte schon vor Wochen mehr als 20 unrentable Filialen zur Disposition gestellt.
Da sich René Benko bislang vor allem mit Immobilien und der Entwicklung von Einkaufszentren befasst hat, könnte er auch versucht sein, die attraktiven, gut frequentierten Häuser in Shoppingcenter umzuwandeln und die eher unattraktiven Standorte an andere Investoren weiterzureichen. In das Profil des Investors passt sicher ein repräsentatives Objekt wie Karstadt an der Mönckebergstraße eher als die auf zwei Standorte verteilte Filiale in Bergedorf. Die Häuser dort sind stark in die Jahre gekommen, bei dem einen handelt es sich sogar noch um ein altes Gebäude der längst vom Markt verschwundenen Kette Hertie.
Andererseits könnte Benko auch einen neuen Anlauf nehmen, um nun die von vielen Handelsexperten geforderte Warenhaus AG aus Karstadt und dem Konkurrenten Kaufhof zu schmieden. Die Idee einer solchen Allianz ist nicht neu, schon in der Vergangenheit hatten Benko und auch der scheidende Karstadt-Eigner Berggruen versucht, Zugriff auf den Kaufhof zu bekommen. Gespräche mit dessen Mutterkonzern Metro führten nicht zum Erfolg: Metro-Chef Olaf Koch hatte den Verkaufsprozess für den Kaufhof nach seinem Amtsantritt im Januar 2012 auf Eis gelegt. Metro wollte Spekulationen um Kaufhof und Karstadt am Freitag nicht weiter kommentieren,