Bei Karstadt könnten nach der erneuten Übernahme nun die Grausamkeiten beginnen
Sie können einem wirklich leidtun, die noch 17.000 Mitarbeiter von Karstadt. Nach dem unsäglichen Wirken des Selbstdarstellers und Vielfliegers Thomas Middelhoff und dem selbst ernannten Retter und kunstsinnigen Mäzen Nicolas Berggruen ist es nun der österreichische Immobilientycoon René Benko, der die Geschicke bei dem schlingernden Unternehmen zum Guten wenden möchte. Ferrari-Fan Benko ist in dieser Woche in einem Korruptionsverfahren in zweiter Instanz verurteilt worden. Es scheint fast, als wäre eine schillernde Persönlichkeit eine Grundvoraussetzung dafür, sich bei Karstadt als Manager oder Investor zu engagieren.
Dabei braucht das Unternehmen eigentlich einen seriösen Eigentümer mit einer ruhigen Hand. Einen, der sich Zeit lässt und der den einmal eingeschlagenen Weg kontinuierlich weitergeht. Dass man mit einem klaren Konzept auch mit dem angeblich aus der Mode gekommenen Vertriebsmodell Warenhaus in Deutschland Erfolg haben kann, zeigt der Kaufhof. Der Konkurrent steht deutlich besser da als die Essener, auch weil dort mit dem langjährigen Chef Lovro Mandac ein Mann am Ruder ist, der den deutschen Markt genau kennt.
Ruhe und eine konzentrierte Sanierung verspricht nun zwar auch der neue Karstadt-Investor Benko. Doch vieles spricht dafür, dass es dazu nicht kommen wird, sondern dass stattdessen neue Grausamkeiten bei Karstadt beginnen.
Wegen der unsicheren Zukunft hatte schon die letzte Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt – die einzige Hoffnungsträgerin seit Jahren – das Weite gesucht. Sie ahnte vermutlich, dass der Kette die Schließung oder der Weiterverkauf von Filialen bevorsteht. Von rund 20 unrentablen Häusern war zuletzt die Rede.
Klar ist, dass viele Karstadt-Filialen eigentlich nicht in das Profil des Immobilienunternehmers René Benko passen, der sein Geld bislang vor allem mit der Luxussanierung von Wohnungen und der Schaffung exklusiver Einkaufsmeilen gemacht hat. Für repräsentative Häuser wie Karstadt an der Mönckebergstraße dürfte es im Reich des Selfmade-Millionärs durchaus eine Zukunft geben. Aber was ist mit wenig glamourösen Filialen wie in Bergedorf oder Billstedt?
Für die Häuser außerhalb der Zentren und für viele Filialen in den kleineren Städten hatte sich die ausgeschiedene Chefin Sjöstedt ein durchaus bedenkenswertes Konzept überlegt. Sie sollten sich zu Nahversorgern entwickeln und wie früher die Bevölkerung in der direkten Umgebung mit Haushaltswaren, Mode und anderen Dingen des täglichen Bedarfs versorgen.
Die Basis dafür ist noch immer vorhanden. In Bergedorf oder Harburg stellen die Karstadt-Häuser eine zentrale Anlaufstelle in den Fußgängerzonen da. Vor allem ältere Kunden nutzen die Filialen trotz alternativer Angebote im Internet gern. Der Wegfall würde tiefe Lücken in die Kerne der Stadtteile reißen.
Allerdings sind viele der Häuser auch mächtig in die Jahre gekommen, viel Geld ist notwendig, um aus ihnen wieder attraktive und moderne Einkaufsstätten zu machen. Experten schätzen den gesamten Investitionsstau bei Karstadt auf mindestens 1,5 Milliarden Euro.
Der bisherige Karstadt-Eigentümer Berggruen war zu solchen Investitionen nicht bereit. Trotz seines Images als Retter vertrat der Milliardär die Auffassung, dass sich das Unternehmen aus eigener Kraft aus der Misere befreien müsste.
Ob der neue Eigentümer Benko hier wirklich anders denkt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Für die Mitarbeiter geht das Bangen um den Job leider weiter.