338 Millionen Euro sollen diverse Wursthersteller wegen illegaler Preisabsprachen zahlen. Das „Wurstkartell“ traf sich bereits seit Jahrzehnten im sogenannten „Atlantic-Kreis“ - benannt nach seinem ersten Treffpunkt.
Bonn. Es geht, wortwörtlich, um die Wurst. Beziehungsweise um deren Preis. 21 deutsche Unternehmen sollen jahrelang illegal und wettbewerbswidrig abgesprochen haben, wieviel sie ihre Kunden für Salami und Co. aus der Tasche ziehen wollen. Wegen verbotener Preisabsprachen verhängte das Bundeskartellamt am Dienstag Geldbußen von mehr als 338 Millionen Euro gegen 21 Wursthersteller und zahlreiche Führungskräfte der Branche. Unter den 21 Wurstherstellern sind mit Döllinghareico (Elmshorn) und Böklunder auch zwei Betriebe in Schleswig-Holstein, wie die Wettbewerbsbehörde mitteilte.
Zahlreiche Aussagen und Unterlagen belegen, dass ein tradiertes „Grundverständnis“ existierte, sich regelmäßig über Forderungen von Preiserhöhungen zu verständigen. So trafen sich namhafte Wursthersteller schon seit Jahrzehnten regelmäßig im sogenannten „Atlantic-Kreis“, benannt nach seinem ersten Treffpunkt, dem Hamburger Hotel Atlantic, um über Marktentwicklungen und Preise zu diskutieren.
Betroffen sind auch bekannte Marken wie Herta, Meica, Rügenwalder und Wiesenhof, wie die Wettbewerbsbehörde am Dienstag in Bonn mitteilte. Die Mitglieder des „Wurstkartells“ hätten sich jahrelang über Preisspannen für Produktgruppen wie Brühwurst oder Schinken abgestimmt und beim Handel so höhere Preise durchgesetzt, erklärte die Wettbewerbsbehörde. Mehrere betroffene Unternehmen bestritten allerdings die Vorwürfe und kündigten juristische Schritte gegen die verhängten Bußgelder an.
Kartellamtspräsident Andreas Mundt betonte: „Die Preisabsprachen wurden über viele Jahre praktiziert.“ Das Gesamtbußgeld erscheine zwar hoch, relativiere sich aber vor dem Hintergrund der großen Zahl der beteiligten Unternehmen, der Kartelldauer und der Milliardenumsätze der Branche.
Der Löwenanteil der Bußgelder entfällt nach Behördenangaben auf die Großen der Branche und ihre Töchter. Dazu gehören etwa die ClemensTönnies-Gruppe (Zur-Mühlen, Bölklunder, Könecke), die nach Angaben aus informierten Kreisen allein über 100 Millionen Euro Bußgeld zahlen soll, aber auch die Schweizer Bell-Gruppe (Zimbo) oder die zum Nestlé-Konzern gehörende Herta GmbH. In anderen Fällen liege das Bußgeld dagegen nur bei wenigen Hundertausend Euro, hieß es in Bonn. Die Behörde sei bei der Bußgeldbemessung in der teilweise mittelständisch geprägten Branche „mit Augenmaß vorgegangen“ und habe die schwierige Situation vieler Hersteller berücksichtigt.
Der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie betonte unterdessen, dass die Vorgänge zu keinen negativen Auswirkungen für die Verbraucher geführt hätten – „insbesondere nicht zu unbilligen Preiserhöhungen“. Dafür habe schon die Einkaufsmacht der großen Handelskonzerne gesorgt, die sich von den Herstellern keine Preise diktieren ließen. Ohnehin habe sich die Mehrheit der Unternehmen rechtskonform verhalten.
Zahlreiche Hersteller bestritten die Vorwürfe und kündigten juristischen Widerstand gegen die verhängten Bußgelder an. Dazu gehörten etwa die im Besitz von Clemens Tönnies befindliche Zur-Mühlen-Gruppe, aber auch Nestlé und mehrere kleinere Hersteller. Ein Nestlé-Sprecher sagte. „Wir sind davon überzeugt, dass die Vorwürfe des Bundeskartellamts ungerechtfertigt sind. Deshalb werden wir beim Oberlandesgericht Düsseldorf Einspruch einlegen, um eine gerichtliche Aufhebung der Entscheidung herbeizuführen.“ Elf Unternehmen hatten allerdings nach Angaben des Bundeskartellamts im Zuge des Verfahrens mit der Behörde kooperiert und schließlich Geständnisse abgelegt. Ausgelöst worden waren die Ermittlungen der Kartellwächter durch einen anonymen Hinweis.
Mit den nun verhängten Strafen gegen das „Wurstkartell“ stieg die Summe der von der Wettbewerbsbehörde allein in diesem Jahr verhängten Bußgelder auf fast eine Milliarde Euro. Das ist ein neuer Rekord. Bislang galt das Jahr 2003 mit einer Strafe von rund 660 Millionen Euro gegen Firmen aus der Zementindustrie als Rekordjahr. Davon wurden aber nur gut 400 Millionen rechtskräftig.