Trine Borum Bojsen, Deutschland-Chefin des Energie- und Windkraftkonzerns Dong mit Sitz in Hamburg, setzt auf Wettbewerb zur Kostensenkung. Dong plant große Offshore-Projekte in der Nordseeregion.
Wenn Trine Borum Bojsen aus den Bürofenstern ihres Konzerns schaut, sieht sie tief in den Hamburger Hafen hinein. Nur wenige Gebäude vermitteln auf einen Blick einen so nahen Eindruck von den Containerterminals, der Köhlbrandbrücke, den Anlagen der Werft Blohm + Voss wie der Deutschland-Sitz von Dong Energy im Dockland in Altona. Das rautenförmige Bürohaus des Architekten Hadi Teherani liegt vor einem früheren Hafenbecken direkt an der Elbe. Das hilft Borum Bojsen, die aus Kopenhagen stammt, sich in Hamburg ein wenig heimischer zu fühlen. „Die Lebensart und die Ausstrahlung von Hamburg sind für eine Dänin gut verstehbar. Man fühlt sich hier weniger nicht zu Hause als in anderen Städten der Welt“, sagt sie.
Neue Verbindungen zwischen Deutschland und Dänemark schafft die studierte Ingenieurin Borum Bojsen, 46, auch bei der Mitgestaltung der deutschen Energiewende. Dong Energy, gegründet ursprünglich für die Förderung und den Vertrieb von Erdgas, war in den 1990er-Jahren eines der Pionierunternehmen beim Aufbau der ersten Offshore-Windparks in Europa, die vor den Küsten Dänemarks in der Nordsee und der Ostsee errichtet wurden. Heutzutage bezeichnet sich der dänische Energiekonzern als Weltmarktführer beim Betrieb von Offshore-Windparks, mit Anlagen vor allem in Dänemark und Großbritannien und mit umfassenden Projekten für Deutschland.
Das erste Windkraftwerk von Dong Energy im deutschen Teil der Nordsee, „Borkum Riffgrund 1“, soll noch in diesem Jahr in Betrieb gehen. 78 Windanlagen gut 37 Kilometer nördlich von Borkum können künftig rechnerisch 320.000 deutsche Haushalte mit Strom versorgen. Im kommenden Jahr beginnen die Bauarbeiten für das bislang größte deutsche Offshore-Windkraftwerk, das Doppelprojekt „Gode Wind 1“ und „2“, das eine geplante Kapazität für die Versorgung von bis zu 600.000 Haushalten umfasst.
Spricht man mit Borum Bojsen über die Nutzung von Windkraft auf dem Meer, entsteht ein ganz anderer Eindruck als in den mitunter zähen Debatten um die deutsche Energiewende in den vergangenen zwei Jahren. Zu komplex, zu teuer, im Grunde nicht nötig, so lauten gängige Argumente gegen den technologisch komplizierten Aufbau von Offshore-Windparks in den deutschen Küstengebieten von Nordsee und Ostsee. Bei Dong denkt man die Perspektiven dieser Technologie längst viel weiter: „Wir wissen aus mittlerweile gut 20 Jahren Offshore-Windkraftnutzung in Dänemark, dass diese Technologie sichere und stabile Stromerträge liefert“, sagt Borum Bojsen.
Im Jahr 2013 setzte das Unternehmen ein deutliches Signal für seine Projekte in Deutschland. Ende November gab Dong Energy bekannt, sein Großprojekt „Godewind 1“ und „2“ vor den Inseln Juist und Norderney, 45 Kilometer vom Festland entfernt, von 2015 an umzusetzen. Der Doppelwindpark ist mit Kosten von 2,2 Milliarden Euro die bislang größte Investition überhaupt für Dong. 2013 war dies die einzige öffentliche Investitionsentscheidung für einen deutschen Offshore-Windpark. Das Jahr des Bundestagswahlkampfes galt wegen der Debatten um die Technologie und um die künftigen Förderbedingungen für die Einspeisung von Offshore-Windstrom ins Netz als weitgehend verlorenes Jahr für die Branche.
Seit dem Frühjahr 2013 arbeitet Borum Bojsen in Hamburg, zunächst als Leiterin des Konzernbereichs, der die Planung, Zertifizierung und Genehmigung aller Windparks von Dong Energy überwacht. Im November übernahm sie zusätzlich die Leitung der Windkraftsparte in Deutschland. Die Großprojekte in der deutschen Nordseeregion gelten als besonders anspruchsvoll, wegen der teils weiten Entfernung von den Küsten, der großen Wassertiefen und der harten Wetterbedingungen. Borum Bojsen sieht das eher als Ansporn: „Der Aufbau der Offshore-Windkraftindustrie in Deutschland hat viele Parallelen zu dem, was wir Jahre anfangs in Dänemark getan haben. Für uns ist Deutschland ein Schlüsselmarkt.“ Rund 100 Mitarbeiter arbeiten für Dong Energy derzeit an den deutschen Offshore-Projekten. Personellen Zuwachs erwartet die Managerin in der kommenden Zeit vorrangig am niedersächsischen Standort Norddeich. Von dort aus überwacht das Unternehmen den Bau seiner deutschen Windparks und später deren Betrieb. Präsenz zeigen will Borum Bojsen selbst vor allem in Hamburg und in Berlin. Die Hansestadt ist inzwischen eines der europäischen Zentren für Unternehmen aus der Offshore-Windkraftbranche. Die Hauptstadt wiederum ist wichtig, weil der Ausbau der noch jungen Industrie auch in den kommenden Jahren stark von politischen Entscheidungen geprägt sein wird.
Bis zum Jahr 2020 will Dong Energy die installierte Leistung in seinen europäischen Offshore-Windparks von derzeit 1700 Megawatt auf 6500 Megawatt ausbauen. Gut 2000 Megawatt aus fünf Windparks sollen dann Windturbinen in Deutschland beisteuern. Neben den laufenden Vorhaben bereitet Dong die Windparks „Borkum Riffgrund 2“, „Borkum Riffgrund West 1“ sowie das Doppelprojekt „Gode Wind 3“ und „4“ vor. Eine Nennleistung von 6500 Megawatt entspricht in etwa dem Ziel, das die Bundesregierung für Deutschland insgesamt bis zum Jahr 2020 anpeilt. Dong Energy will ein solches Volumen allein im eigenen Konzern aufbauen. Um das zu erreichen, sollen die Kosten für neue Kraftwerke auf dem Meer bis zum Beginn des kommenden Jahrzehnts um bis zu 40 Prozent sinken, verglichen mit dem Jahr 2012, sagt Borum Bojsen: „Der Markt für die Komponenten von Offshore-Windparks ist längst europäisch. In Zukunft werden auch asiatische Unternehmen verstärkt in dieses Geschäft einsteigen. Das bringt deutlich mehr internationalen Wettbewerb und trägt dazu bei, die Kosten zu senken.“
Allerdings kann auch mehr Kooperation innerhalb der Branche dabei helfen, Offshore-Windparks günstiger an das Netz zu bringen. Kürzlich startete Dong Energy ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Energiekonzern E.on und dem Baukonzern Strabag. Das neue Unternehmen UMBO (Umweltuntersuchung Nördlich Borkum) soll ein bis zu 4300 Quadratkilometer großes Gebiet nördlich der ostfriesischen Inseln untersuchen und analysieren. Dort bauen die beteiligten Unternehmen Offshore-Parks. Einer der wichtigsten Kostenfaktoren dabei sind die notwendigen Umweltgutachten. „Dieser gemeinschaftliche Ansatz wird die entsprechenden Umweltuntersuchungskosten je Windparkprojekt um bis zu 50 Prozent senken“, sagt Borum Bojsen. UMBO könne zudem Vorbild für andere Kooperationen in der Offshore-Branche sein.
Mit seinen Anlagen will Dong Energy auch in Deutschland führender Anbieter von Offshore-Windstrom werden. Im Interview spricht Trine Borum Bojsen Englisch, da sie Deutsch noch lernt. Das Wort „Energiewende“ baut sie aber akzentfrei in ihre Sätze ein.