Die Modellbahnbranche gilt als verstaubt. Dieses Image bekämpfen Märklin, Fleischmann & Co jetzt mit Innovationen, die den Nachwuchs anlocken sollen. Dabei machen die kleinen Züge auch vor „Actionpoints“ nicht Halt.

Nürnberg. Die alte Diesellok quält sich den schneebedeckten Berg hinauf, auf dem Bahnsteig warten bereits warm eingepackte Menschen mit Skiern im Gepäck. Fahrkartenautomat, Mülleimer, Wartebank, ein Briefkasten vor dem Bahnhof – die auf der Nürnberger Spielwarenmesse gezeigte Szene ist bis ins Detail ein Nachbild der Realität. Modelleisenbahnen ziehen noch immer viele Menschen in ihren Bann. Dennoch ging es in der Branche in der Vergangenheit heiß her – gleich mehrere Top-Marken wurden zum Sanierungsfall. Jetzt werden die Weichen für die Fahrt in die Zukunft gestellt.

„Die Modelleisenbahn ist in einer Stabilisierungsphase“, sagt Steffen Kahnt vom Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels (BVS). Zwar zeige sich bei den Händlern die Tendenz, die meist teuren Produkte aus dem Sortiment zu nehmen, weil sie bei Kindern und Jugendlichen nicht so populär seien. Doch es gibt noch immer eine stabile Fangemeinde, die oft in spezialisierten Fachhandelsgeschäften fündig wird: „Die machen ein gutes Geschäft“, betont BVS-Geschäftsführer Willy Fischel.

Das bestätigt auch Thomas Kohnen vom Händlerverbund idee+spiel, dem unter anderem rund 200 reine Modellbahnhändler angehören. 2013 habe es in dieser Warengruppe „ein kleines Plus“ gegeben, berichtet Kohnen. „Großes Wachstum ist da aber nicht drin.“

Das liege vor allem an drei Gründen: Dem angestaubten Image, dem Überangebot und dem oft hohen Preis. Kohnen räumt unumwunden ein, dass andere Spielsachen oder Technikprodukte bei Kindern und Jugendlichen um Welten besser ankommen. „Wenn ein Kind sich als Modellbahnliebhaber bekennt, kommt das eher einem Outing gleich.“

Zu viel Konkurrenz auf zu kleinem Markt

Außerdem machten sich die Hersteller mit einer Vielzahl von Modellen gegenseitig Konkurrenz. „Es gibt eigentlich viel zu viele Produkte im Markt bei stagnierender, wenn nicht sogar leicht sinkender Abnehmerzahl“, schildert Kohnen. Für viele Menschen ist der Kauf einer Modellbahn zudem schon rein preislich utopisch: Eine moderne, digitale Lok kostet leicht 500 Euro, Luxusmodelle mit Licht- und Soundeffekten bis zu 3000 Euro. Die Folge: Die meisten Modellbahn-Käufer sind Männer im fortgeschrittenen Alter, die Geld, Zeit und die handwerklichen Fähigkeiten besitzen, um für ihre Bahn auch eine ansprechende Umgebung zu bauen.

Eine oft gehörte Forderung der Branche lautet deshalb: „Die Bahn muss zurück in die Kinderzimmer!“ Nur so könne der Sammler-Nachwuchs gesichert werden. Mit großem Interesse wird deshalb verfolgt, dass Platzhirsch Märklin vor drei Jahren ein eigenes Produkt für Kindergartenkinder auf den Markt gebracht und auch in den Regalen der Spielzeugläden platziert hat. Zugleich werden die technischen Finessen immer ausgefeilter. Das Ziel: Das Image der Modellbahnen aufzupolieren.

„Nur im Kreis zu fahren, ist zu fad“

Dazu nutzt die Branche zunehmend moderne Technologien. „Wir müssen uns bei der Kommunikation noch mehr mit der Onlinewelt beschäftigten und uns auch von den Produkten her noch weiter an die Tablet-Welt heranschmiegen“, stellt etwa Florian Sieber fest, Geschäftsführer von Märklin. Gemeinsam mit seinem Vater hat der 28-Jährige den durch ein Insolvenzverfahren gegangenen Traditionshersteller vor knapp einem Jahr übernommen, was in der Branche für große Erleichterung gesorgt hat. Schließlich besitzt die Familie mit der Simba-Dickie-Gruppe gleich mehrere erfolgreiche Spielzeugmarken wie Big mit dem Bobby-Car – und will einen langen Atem zeigen.

Auch die Modelleisenbahn Holding, unter deren Dach der österreichische Hersteller Roco und der fränkische Konkurrent Fleischmann nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten untergekommen sind, will mit Hightech punkten. „Nur im Kreis zu fahren, ist für Kinder fad“, glaubt Geschäftsführer Leopold Heher.

Das neue Einsteigerset hat deshalb sogenannte Actionpoints – sobald die Lok diese Punkte überfährt, werden dem Kind auf einem Tablet-PC Geschicklichkeits-, Geschwindigkeits- oder Lernaufgaben gestellt. Videos könnten eine Reise durch Afrika simulieren, Musik die Fahrt begleiten, berichtet Heher. „Wir wollen Welten schaffen.“ Ob das die Branche wirklich unter Dampf setzt, wird sich nach der Messe in den Läden zeigen.