Unternehmen reagiert nach Tod zweier Werkvertrags-Arbeiter aus Rumänien. IG-Metall-Bezirkschef Geiken geht der Schritt nicht weit genug.
Hamburg. Die Papenburger Meyer Werft reagiert auf den öffentlichen Druck nach dem Tod zweier rumänischer Arbeiter. Das Unternehmen will eine Sozialcharta für bessere Standards bei der Vergabe von Werkverträgen vorlegen und eine Selbstverpflichtung eingehen. Werftchef und Mitinhaber Bernard Meyer sprach darüber am Montagabend in Hannover mit Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) und Meinhard Geiken, dem Leiter des IG-Metall-Bezirks Küste. „Für die Werkverträge hat die Geschäftsführung eine Sozialcharta und einen Verhaltenskodex für sich und seine Unterlieferanten erstellt, welche ab sofort Grundlage für alle Werkaufträge sein werden“, teilte das Unternehmen mit. Die Stadt Papenburg soll die Unterkünfte zertifizieren und kontrollieren, in denen Leiharbeiter der Werft und Mitarbeiter von Zulieferern untergebracht sind.
Die beiden Männer aus Rumänien, 45 und 32 Jahre alt, waren am 13. Juli bei einem Hausbrand in Papenburg erstickt. Das Emder Unternehmen SDS hatte in dem Haus Arbeiter untergebracht, die im Zusammenhang mit Leiharbeits- und Werkverträgen auf der Werft beschäftigt waren. Acht Menschen konnten sich vor dem Feuer retten. Nach den bisherigen Ermittlungen der Polizei wohnten in dem 400 Quadratmeter großen Haus 30 Rumänen und Bulgaren. Insgesamt gab es dort 38 Schlafplätze in elf Zimmern. Die Brandursache konnte bislang nicht geklärt werden, die Ermittlungen dauern an.
IG-Metall-Bezirkschef Geiken machte deutlich, dass Werkverträge in der Arbeitswelt ein wachsendes Problem darstellen. Bei Leiharbeit arbeiten die Beschäftigten unter Kontrolle des ausleihenden Unternehmens und mittlerweile zumeist auch in rechtlicher Absicherung durch Tarifverträge. Bei Werkverträgen hingegen erbringt ein Subunternehmer eine bestimmte Leistung oder ein Werkstück. Er bleibt den Beschäftigten gegenüber weisungsgebunden. Die genauen Umstände, unter denen die Leistung erbracht wird, erweisen sich oft als undurchsichtig.
„Bei Werkverträgen entscheidet das Unternehmen allein über die Ausgestaltung, die Bedingungen zur Ablieferung der Leistung und über die Bezahlung“, sagte Geiken dem Abendblatt. „Gewerkschaften und Betriebsräte haben heutzutage keinen Hebel in der Hand, um an der Gestaltung von Werkverträgen mitzuwirken oder deren Qualität zu überprüfen. Da ist eine Grauzone entstanden, in der grundlegende Errungenschaften und der Rechte der Arbeitnehmer infrage stehen.“
Werkverträge sind nicht auf die Metallindustrie beschränkt und auch innerhalb der metallverarbeitenden Wirtschaft nicht auf einzelne Branchen. Typisch sind Werkverträge zum Beispiel auch in der Fleischverarbeitung oder in der Bauwirtschaft. Häufig kommen Arbeiter von Subunternehmern derzeit aus Rumänien und Bulgarien. Die beiden Länder sind seit 2007 EU-Mitgliedstaaten, ihre Bürger bekommen die volle Freizügigkeit am Arbeitsmarkt der Europäischen Union aber erst zum 1. Januar 2014. Der Verdacht liegt nahe, dass gerade Beschäftigte aus diesen Ländern mit einem bislang noch besonders niedrigen Einkommensniveau und mit wenig Erfahrung am europäischen Arbeitsmarkt von Zulieferfirmen ausgenutzt werden.
Eine auffallend starke Präsenz von Werkverträgen weisen derzeit gerade Deutschlands Topwerften Meyer in Papenburg, die Bremer Lürssen-Gruppe oder auch Abeking & Rasmussen aus. Beim Bau von Kreuzfahrtschiffen wie auch von Megayachten wird ein besonders hoher Anteil der Wertschöpfung von Subunternehmern erbracht, etwa die Möblierung der Schiffe.
Geiken sagte vor dem Gespräch mit Meyer und Lies in Hannover, eine eher unverbindlich gehaltene freiwillige Selbstverpflichtung eines Unternehmens wie der Meyer Werft genüge nicht. „Es ist jetzt an der Zeit, gemeinsam eine verbindliche Regelung zu schaffen. Wir müssen auch die Mitwirkungs- und Kontrollrechte des Betriebsrates stärken. Nur so kann dieser gegen den Missbrauch von Werkverträgen und gegen unhaltbare Arbeits- und Lebensbedingungen vorgehen.“
Auch der Betriebsratsvorsitzende der Meyer Werft, Thomas Gelder, erhöhte am Montag den Druck auf die Geschäftsführung des Unternehmens: „Der Tod der beiden rumänischen Kollegen sowie die Umstände, unter denen sie gelebt und gearbeitet haben sollen, machen uns fassungslos. Die Geschäftsführung muss uns gegenüber offenlegen, zu welchen Bedingungen die insgesamt 1500 Beschäftigten mit Werkvertrag auf der Werft arbeiten.“ Man wolle auch gegen diejenigen vorgehen, die „Arbeitnehmer ausnutzen und miserabel behandeln. Dafür reichen unsere bisherigen Rechte nicht aus.“
Gelder war nach dem Brand in dem Papenburger Haus selbst unter Druck geraten. Die niedersächsische Landtagsabgeordnete der Grünen, Meta Jannsen-Kuzc, hatte gesagt, dass sie Gelder bereits im Januar über die fragwürdige Unterbringung von Werkvertragsarbeitern im Landkreis Leer unterrichtet habe. Gelder hatte zunächst behauptet, von solchen Verhältnissen nichts gewusst zu haben. Später räumte er jedoch ein, dass er bereits Monate zuvor Jannsen-Kucz darauf angesprochen worden war.
Die Meyer Werft ist Weltmarktführer beim Bau von Kreuzfahrtschiffen. Das Bauprogramm umfasst auch andere Schiffstypen, etwa das neue deutsche Forschungsschiff „Sonne“, das 2015 abgeliefert werden soll. Das Unternehmen beschäftigt in seiner Stammbelegschaft am Standort Papenburg derzeit rund 2500 Menschen. Hinzu kommen die 500 festen Mitarbeiter des Tochterunternehmens Neptun Werft in Rostock-Warnemünde, die vor allem Schiffe für Flusskreuzfahrten bauen. In der vergangenen Woche erhielt die Meyer Werft einen neuen Auftrag des US-Unternehmens Norwegian Cruise Line für ein weiteres Kreuzfahrtschiff.