Stopp des Verfahrens zur Weservertiefung könnte auch Erweiterung der Elbfahrrinne beeinflussen. Zugleich gehen immer neue Großschiffe in Fahrt
Hamburg. Die geplante Vertiefung der Weser bleibt weiterhin blockiert. Schon bei der öffentlichen Anhörung im Frühjahr wurde deutlich, dass die Richter am Leipziger Bundesverwaltungsgericht das Projekt äußerst kritisch sehen. Das bestätigten sie am Donnerstag mit ihrer Entscheidung, das Klageverfahren gegen die Planfeststellung der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest auszusetzen. Zunächst soll der Europäische Gerichtshof Stellung nehmen, ob das Weserprojekt überhaupt mit der europäischen Wasserrahmenrichtlinie vereinbar ist.
Wie die Weservertiefung ist auch die geplante Verbreiterung und Vertiefung der Elbfahrrinne von Umweltschützern beklagt. Auch für dieses Verfahren ist der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts zuständig. Es liegt nahe, Parallelen zwischen beiden Fällen zu suchen, obwohl deren Planfeststellung unterschiedlich organisiert worden war: Die Vertiefung der Weser hatte die zuständige Behörde in zwei Segmenten geplant. Die Planfeststellung für die Elbvertiefung ist aus einem Guss und enthält bereits eine Stellungnahme der Europäischen Kommission.
„Direkte Auswirkungen auf das Verfahren für die Elbe sehe ich nicht. Sollten sich dennoch neue Fragen auftun, können sie bis zum Jahresende für die Planungen noch ergänzt werden“, sagte Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH) und Generalbevollmächtigter des Terminalbetreibers Eurogate: „Für die Weser rechne ich mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in sechs bis zwölf Monaten.“ Bonz, der auch Präsident des Verbands der privaten europäischen Hafenbetreiber (Feport) ist, räumte allerdings Mängel im europäischen Recht ein: „In der Entscheidung zeigt sich einmal mehr, dass die europäischen Richtlinientexte zu unklar formuliert sind. Man muss sich mehr Zeit nehmen und sie klarer formulieren. Mit Blick auf die ökonomische Situation Europas muss den wirtschaftlichen Belangen eindeutig mehr Bedeutung beigemessen werden.“
Der Druck auf die Hafenwirtschaft in Hamburg und Bremerhaven wächst. Containerfrachter, die voll beladen bis zu 16 Meter tief gehen, werden auf den Fernostrouten mittlerweile als Standardschiffe eingesetzt. Der Rotterdamer Hafen, Europas größter Seehafen, eröffnet im kommenden Jahr zudem zwei neue, hoch automatisierte Containerterminals auf dem neuen Hafenareal Maasvlakte 2. Nach Rotterdam können Schiffe mit 20 Meter Tiefgang ohne Einschränkungen fahren.
Die Umweltverbände BUND und Nabu, die mit anderen Beteiligten gegen eine Vertiefung und Verbreiterung der Elbfahrrinne klagen, sehen sich durch den Zwischenbeschluss zur Weservertiefung in ihren Positionen bestärkt. Skeptisch äußerte sich zum Verlauf des Verfahrens der Hamburger Verwaltungsrechtsexperte und emeritierte Professor Ulrich Karpen: „Ich finde es gut und richtig, dass sich die Planer der Elbvertiefung seinerzeit mit einer Stellungnahme der EU-Kommission zu dem Projekt abgesichert haben“, sagte er. „Wenn aber der Europäische Gerichtshof nun grundlegend zum europäischen Wasserrecht Stellung nimmt, wirkt das natürlich auch in das Verfahren zur Elbvertiefung hinein.“ Ein Abschluss des Verfahrens bis Ende 2013, wie ihn der Senat und die Hafenwirtschaft erhoffen, sei nicht realistisch, sagte Karpen: „Eine Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofs wird sicher nicht früher als in der zweiten Jahreshälfte 2014 vorliegen.“
Anders sieht das die Hamburger Wirtschaftsbehörde, die das Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der Elbe vorangetrieben hat. Sie geht davon aus, dass durch die Entscheidung für die Weser „für die Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe nichts entschieden oder auch nur vorweggenommen ist“. Konzeption des Ausbaus, Ableitung des Bedarfs, Umweltfolgen und deren Bewertung, aber auch die Auflagen im Planfeststellungsbeschluss zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe unterschieden sich deutlich vom Weserausbau, teilte die Behörde mit. Soweit es vergleichbare rechtliche Fragestellungen beider Verfahren gebe, könne der Planfeststellungsbeschluss für die Elbe bis zu der für das vierte Quartal angekündigten mündlichen Gerichtsverhandlung überprüft und wenn nötig ergänzt werden.
Neue Gespräche über einen Vergleich mit den Umweltschützern soll es in Hamburg nicht geben. Eine auf weniger als einen Meter reduzierte Vertiefung des Flusses sei für die Ausbauverwaltungen des Bundes und Hamburgs „keine Option“. Denn „im Ergebnis würde das notwendige Ausbauziel damit nicht erreicht“. Dagegen forderte die Bürgerschaftsfraktion der Grünen den Senat zu einer Verständigung mit den Umweltverbänden auf. Eine außergerichtliche Einigung sei auch ohne ein neues Planfeststellungsverfahren möglich, sagte der Fraktionsvorsitzende Jens Kerstan: „Wir haben die SPD seit Langem dazu aufgefordert, von ihrem Konfrontationskurs abzugehen und die Verständigung mit den Umweltverbänden zu suchen. Sie muss aufpassen, dass sie diese Chance nicht verpasst.“
In Bremen rechnet Eurogate, Europas größtes Hafenumschlagsunternehmen, damit, dass es nach der Klärung der nötigen Rechtsfragen doch noch zu einem Ausbau der Weser kommen wird. „Wir gehen davon aus, dass die Mängel bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs behoben werden können“, sagte Eurogate-Sprecherin Corinna Romke. Das Unternehmen, das in Deutschland Containerterminals in Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven betreibt, sieht sich trotz des Rückschlags „sicher aufgestellt“.
Eurogate geht zwar davon aus, dass im Containerumschlag in Bremerhaven kurzfristig keine negativen Auswirkungen zu spüren sein werden. „Mit Sicherheit wird es aber höherer Anstrengungen bedürfen, globale Reedereien vom Standort zu überzeugen“, sagte Romke. Schon jetzt warnen die Handelskammer Bremen und die IHK Bremerhaven vor „einem schleichenden Verlust von Umschlag und Arbeitsplätzen in Bremen und Bremerhaven“, wenn der Fluss nicht wie geplant ausgebaut werde. „Eine weitere Verzögerung ist mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber den Westhäfen Rotterdam, Antwerpen und Zeebrügge verbunden.“
Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe bedauerte die Entscheidung des Gerichts: „Die Verantwortlichen sollten die verfahrenstechnischen Hinweise zur Nachbesserung unverzüglich aufgreifen und beschleunigt dafür sorgen, dass das Verfahren zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht wird, um die Zufahrtsbedingungen zu verbessern“, sagte Hauptgeschäftsführer Klaus Heitmann. Der Verband verwies aber darauf, dass die Notwendigkeit des Projekts nicht infrage gestellt wurde.
Eine „unnötige Verzögerung“ sieht das Deutsche Seeverladerkomitee in der Klage der Umweltschützer gegen die Weservertiefung. „Wer mit Verbandsklagen gegen politisch legitimierte Ausbaumaßnahmen vorgeht und diese immer weiter blockiert, muss sich nach seiner Verantwortung für die Entwicklung des Seeverkehrs und für Arbeitsplätze in Deutschland fragen lassen“, sagte der Vorsitzend des Komitees, Rüdiger Grigoleit, in Berlin.