Das Unternehmen aus Frankreich will von der Hansestadt aus den deutschen Markt aufrollen. Die Mitfahrzentrale setzt auf pfiffige Ideen im Internet. Motto: Zusammen fahren und Kosten sparen.
Hamburg. Olivier Bremer würde wohl keinen Freudensprung machen, wenn er ein Auto im Preisausschreiben gewinnen sollte. "Parkplatzsuche, Reifenwechsel, das ist doch alles eher lästig", sagt der gebürtige Schweizer, schmales Gesicht, sportliche Figur, darüber ein legeres Hemd. Der Neu-Hamburger hat kein eigenes Auto, ist zum Termin mit dem Abendblatt mit dem StadtRad gekommen und wird sich nächste Woche eine Mitfahrgelegenheit suchen, um zum Geschäftstermin nach Berlin zu kommen, anstatt eine Karte bei der Bahn zu kaufen. Der 29-Jährige gehört zur Generation der jungen Leute, die ein eigenes Fahrzeug weder als Selbstverständlichkeit betrachten, noch als Statussymbol besitzen wollen. Bremer hat diese Einstellung zum Beruf gemacht. Er ist Geschäftsführer bei der Internetmitfahrzentrale Blablacar, die jetzt ihr erstes deutsches Büro in Hamburg eröffnet.
Zusammen fahren und Kosten sparen ist das Motto des Anbieters, der mit der Zentrale im Norden den deutschen Markt der Mitfahrgelegenheiten erobern will. Hier tummeln sich bereits einige andere Anbieter: zum einen die Plattformen des Unternehmens carpooling, wie Mitfahrgelegenheit.de oder Mitfahrzentrale.de. Außerdem konkurrieren mehrere kleinere Firmen um die Kunden, die günstig von A nach B kommen wollen.
Prinzip beim Deutschland-Neuling Blablacar ist eine Plattform, auf der sich Fahrer und Mitfahrer finden, kontaktieren und bewerten können, sodass schwarze Schafe unter den Piloten schnell aussortiert werden können. "Heute von Frankfurt nach Berlin für 30 Euro", ploppt auf der Homepage blablacar.de unter der Überschrift "Nächste Fahrten" auf, weitere Angebote an diesem Tag sind Leipzig-München für 22 Euro und Hamburg nach Berlin für 15 Euro. Neben den Angeboten zeigen Bilder der Fahrer, mit wem man es auf der Autobahn zu tun bekommt. Außerdem sollen sich Fahrer und Mitfahrer kurz vorstellen, mit einer kleinen Biografie und Hobbys, sodass sich auf der Reise nette Gespräche über gemeinsame Interessen ergeben können. Apropos reden: Unter dem Blabla-Zeichen auf dem Internetprofil können sich die Kunden in Sachen Gesprächigkeit selber einstufen, von mundfaul über redselig bis Plaudertasche, sodass vorher klar ist, ob es im Fahrzeug eher laut oder leise zugehen wird. "Uns kommt es darauf an, dass man sich wohlfühlt", sagt Bremer über die Profile der Nutzer.
„In vielen Ländern haben wir Pionierarbeit geleistet“
Schon während des Studiums in Bologna hatte sich der Unternehmer mit einer eigenen Mitfahrzentrale selbstständig gemacht, später fusionierte seine italienische Firma dann mit Blablacar aus Paris. Heute gehört Bremer zum Managementteam des Unternehmens, das inzwischen in zehn europäischen Ländern aktiv ist und nach eigenen Angaben drei Millionen Kunden zählt. "In vielen Ländern haben wir Pionierarbeit geleistet, weil es etwa in Spanien und Polen bisher überhaupt gar keine organisierten Mitfahrgelegenheiten gab", sagt Bremer.
Die Preise für die Mitfahrer schlägt Blablacar auf seiner Seite vor: fünf Cent pro Kilometer sind der Richtwert. Wer darüberliegt, bekommt eine rote Ampel neben seinem Fahrangebot, darunterliegende Offerten werden mit einer grünen Ampel belohnt, sodass sich hier möglicherweise schneller Mitfahrer finden. Bei 78 Prozent der Fahrten im Pkw sitzt nur eine Person im Auto, das soll schließlich mit den Mitfahrzentralen geändert werden, auch zum Wohle der Umwelt. Das Geschäftsmodell basiert auf Werbung, die auf der Homepage zu sehen ist. Geld bringen außerdem Verträge mit Firmen wie Ikea oder der Supermarktkette Carrefour ein, für die Blablacar eigene Mitfahrplattformen etwa für pendelnde Mitarbeiter oder Kunden anbietet.
„Blablacar ist ein vielversprechendes Unternehmen“
In Hamburg stößt Blablacar als neues Internet-Start-up auf positive Resonanz. Uwe Jens Neumann, Vorsitzender des Branchennetzwerks Hamburg@work, freut sich über die Ansiedlung: "Blablacar ist ein vielversprechendes Unternehmen und passt in die Riege der Social Media- und Shareconomy-Player wie Facebook, Xing oder airbnb, die sich bereits für den Standort entschieden haben", spielt Neumann auf den Trend der Wirtschaft des Teilens an. "Kreatives, gut ausgebildetes Personal und Lebensqualität sind entscheidend. Da hat kaum eine Stadt in Deutschland mehr zu bieten als Hamburg", begründet Bremer die Wahl des Firmensitzes an der Elbe. Bisher beschäftigt das Unternehmen fünf Mitarbeiter in Hamburg, ein Ausbau des Teams ist geplant.
In Deutschland ist carpooling mit seinen Internetauftritten Mitfahrgelegenheit.de und Mitfahrzentrale.de der größte Konkurrent von Blablacar und beschäftigt am Sitz in München 80 Mitarbeiter. Vier Millionen registrierte Kunden aus ganz Europa zählt der Wettbewerber in seinem Netzwerk carpooling.com nach eigenen Angaben.
Während der Aufbau der Mitfahr-Internetseiten bundesweit ähnlich ist, scheint die Finanzierung des Geschäftes eine Herausforderung zu sein. Über die Umsätze und die Profitabilität schweigt sich Bremer aus, immerhin aber hat Blablacar bereits prominente Geldgeber gefunden, die an die Wirtschaftlichkeit der Idee glauben: Neben zwei europäischen Firmen hat sich der kalifornische Venturekapitalgeber Accel Partners an Blablacar beteiligt und investierte zehn Millionen Dollar in das junge Unternehmen. Accel Partners ist nach Mark Zuckerberg auch größter Anteilseigner von Facebook.
Trotz Gebühren eine günstigste Transportalternative
An Carpooling hat sich im vergangenen Jahr die Daimler AG beteiligt. Der Herausforderung, bei jungen Leuten alternative Mobilitätskonzepte anbieten zu können, stellt sich Daimler auch mit dem Kurzzeitmietmodell car2go, außerdem hat sich der Stuttgarter Hersteller Anfang 2012 an der Taxi-App MyTaxi beteiligt und sammelte mit dem Adhoc-Mitfahrsystem car2gether erste Erfahrungen im Mitfahrmarkt.
Blablacar bietet derzeit in Deutschland zwar die kostenlose Vermittlung von Fahrten an. Die Firma schwenkt in der Heimat Frankreich nun aber auf ein Bezahlmodell um. "Dort nehmen wir eine Gebühr von durchschnittlich acht Prozent im Gegenzug für eine Zahlungsgarantie für den Fahrer", sagt Bremer. Für Blablacar kommt nicht ungelegen, dass Carpooling sein Businessmodell in Deutschland derzeit ebenfalls auf eine bezahlte Dienstleistung umstellt. "Wir wollen unseren Service auf der Plattform ausbauen und können dies nicht mehr kostenlos anbieten", sagt Firmensprecher Thomas Rosenthal. Künftig fallen bei Carpooling Kosten für die Kunden in Höhe von elf Prozent der Einnahmen des Fahrers an. Unabhängig von den Gebühren sehen sich die Mitfahrzentralen aber als günstigste Transportalternative im Vergleich zur Bahn und zum Flugzeug.
Blablacar-Chef Bremer selber wird übrigens bald eine längere Strecke auf Blablacar suchen: Seine Eltern wohnen nach wie vor in der Schweiz. Und auch in diesen Heimaturlaub möchte Bremer am liebsten als Mitfahrer reisen.