Künftiger Eurogruppen-Chef setzt Schwerpunkt auf Wirtschaftswachstum. Vorgänger Juncker zeigt sich erleichtert über Abschied.

Brüssel. Jeroen Dijsselbloem, niederländischer Finanzminister und voraussichtlicher Nachfolger von Jean-Claude Juncker, will als neuer Eurogruppen-Chef der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in Folge der Euro-Staatsschuldenkrise einen höheren Stellenwert einräumen.

Die Euro-Staaten sollten ihren Schwerpunkt stärker auf nachhaltiges Wirtschaftswachstum legen. Dazu seien tragfähige öffentliche Finanzen eine Voraussetzung, heißt es in einem Brief an seine Ministerkollegen. Es wird erwartet, dass die Euro-Gruppe ihn am Montagabend zum Nachfolger des luxemburgischen Premier- und Schatzministers Juncker ernennen wird.

„Es ist unabdingbar, dass wir Jobs und Wirtschaft durch wachstumsfördernde Strukturreformen anschieben, unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern sowie die Arbeitslosigkeit und die sozialen Folgen der Krise angehen“, schrieb Dijsselbloem. Es sei Zeit, den Fokus im Währungsgebiet vom Krisenmanagement hin zu einer vernünftigen mittelfristigen Politik zu verschieben.

In dem sechsseitigen Schreiben heißt es außerdem, die Vollendung einer Banken-Union sei ein weiteres wesentliches Element, um die Währungsunion zu vertiefen. Die verabredete gemeinsame Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) werde den Weg eröffnen zu einer direkten Rekapitalisierung von Banken durch den Euro-Stabilisierungsmechanismus ESM. Die Staats- und Regierungschefs der EU hätten wiederholt unterstrichen, dass der Teufelskreis zwischen Bankenrettung und Staatsschulden durchbrochen werden müsse. Der operative Rahmen für die Bankenhilfen des ESM solle noch im ersten Quartal dieses Jahres ausgearbeitet werden.

Juncker erleichtert über Abschied

Unterdessen zeigte sich der langjährige Eurogruppen-Chef Juncker erleichtert: „Da ist ein bisschen Wehmut dabei, aber vor allem Erleichterung.“ Mit diesen Worten fasste Juncker am Montag seine Gefühle vor dem letzten Treffen der Eurogruppe unter seinem Vorsitz zusammen. „Ich weiß nicht, ob es ein Irrenhaus ist, aber ich freue mich, raus aus diesem Haus zu sein“, sagte Luxemburgs Regierungschef bei der Ankunft im Brüsseler Ratsgebäude, in dem er seit acht Jahren die Konferenzen der Euro-Finanzminister leitet. Über sechs Monate habe er gerufen: „Holt mich hier raus!“

In der Nacht zum Dienstag wollen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Kollegen Dijsselbloem zum Juncker-Nachfolger küren. „Ich glaube nicht, dass es da unüberwindbare Probleme gibt“, sagte Juncker. „Es geht alles seinen Lauf.“ Gefragt nach einem letzten Bonmot musste der sonst so wortgewandte 58-Jährige einen Moment überlegen. „Alles hat ein Ende“, sagte er dann und fügte hinzu: „Nur die Wurst hat zwei.“

Euro-Kassenhüter sprechen mit Troika über Zypern

Doch nicht nur die Ernennung des neuen Eurogruppen-Chefs steht auf der Agenda der Euro-Finanzminister. Die Euro-Kassenhüter werden bei ihrer Abendsitzung von der Geldgeber-„Troika“ aktuelle Informationen über die Lage in Zypern erhalten. „Von der Troika erwarten wir uns mehr als einen ersten Einblick in die Gesamtmaterie“, sagte Juncker. Er bekräftigte eine frühere eigene Einschätzung, wonach erst im März mit einer Abmachung über ein Hilfsprogramm für den Inselstaat zu rechnen sei. Nikosia braucht nach bisherigen Schätzungen rund 17,5 Milliarden Euro Finanzhilfe. Der Bankensektor des kleinen Landes ist schwer von der Griechenland-Krise getroffen.

Griechenland wiederum kann sich von dem Eurogruppen-Treffen grünes Licht für seine nächste Kredittranche von sieben Milliarden Euro machen.