Eurogruppenchef Juncker hört im Januar auf - Schäubles Chancen sind gering. Forderungen nach weiblicher Führungskraft werden lauter.
Brüssel. „Mister Euro“ sagt adieu – und der Machtkampf um die Nachfolge ist eröffnet. Seit 2005 leitet Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker die Eurogruppe. Jetzt hat er die Nase endgültig voll. Zum Jahreswechsel werde er aufhören, spätestens Ende Januar, sagte der 57-Jährige am späten Montagabend überraschend in Brüssel. Und er bat die Euro-Finanzminister „alles Mögliche zu tun, einen anderen Minister als Vorsitzenden zu ernennen“.
Damit wird eine Ära für die Eurozone zu Ende gehen – und ein neues Gesicht übernehmen: Wird Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein Dreivierteljahr vor der Bundestagswahl seinen Hut wieder in den Ring werfen, wie im Frühjahr? Oder kommt der Franzose Pierre Moscovici zum Zug? Oder hat gar Österreichs bissige Ressortchefin Maria Fekter eine Chance, als erste Frau auf einen Schlüsselposten der Euro-Krisenmanager zu rücken?
Eigentlich wollte Juncker schon im Sommer gar keine vierte Amtszeit mehr antreten. Zermürbt von den nervenraubenden Nachtsitzungen, dem Druck der Finanzmärkte, dem Streit zwischen den Euroländern, hatte er schon zum Jahresbeginn seine Amtsmüdigkeit kundgetan. Damals begann schon eine Zeit der intensiven Nachfolgersuche. Doch die ist – und bleibt – schwierig.
„Juncker hat das Amt selbst geschaffen“, zollte ihm Moscovici am Dienstag Respekt. Er habe die Verhandlungen mit Prinzipien und Werten geleitet – und Kompromisse gefunden. In der Tat konnte er als Regierungschef eines eher neutralen Landes zwischen Südländern und Nordfraktion vermitteln, er spricht perfekt Englisch, Deutsch und Französisch, und er weiß als dienstältester Regierungschef um alle Finten und Kniffe im Brüsseler Politikzirkus.
Nicht alles davon hat auch Schäuble zu bieten – er wird in der Eurogruppe als harter Hund wahrgenommen, der die Interessen seiner Kanzlerin durchdrückt. Ob er selbst Schäuble noch immer – wie im Sommer – für einen guten Kandidaten für die Eurogruppenführung halte, wurde Juncker gefragt. „Ich muss überhaupt niemanden empfehlen“, sagte er schmallippig. Und Maria Fekter, hält sie Schäuble für geeignet? „Das werden die Chefs entscheiden, wie sie es handhaben wollen.“
Für Schäuble spricht seine unbezweifelte Kompetenz, auch seine Leidenschaft, die Eurozone weiterzubauen. Gegen ihn spricht die deutsche Interessenpolitik. Auch sein schwer verständliches Englisch wird in Brüssel durchaus als Minuspunkt verbucht. Entscheidend aber ist wohl, dass seine Amtszeit als Ressortchef mit der Bundestagswahl zu Ende gehen kann. Ein Eurogruppenchef für wenige Monate – das wird in Diplomatenkreisen als suboptimale Lösung gesehen. Infrage käme Schäuble demnach nur, wenn der Vorsitz zu einem hauptamtlichen Posten aufgewertet würde. Genau davon hielt Schäuble selbst bislang nicht viel.
Viel entscheidender ist indes, ob Frankreichs Präsident François Hollande einen deutschen Kandidaten schlucken würde. Und danach sieht es kaum aus. Hollande stellte sich schon nach seiner Wahl im Mai gegen den Deutschen. Auch aus einer deutsch-französischen Postenaufteilung wurde nichts. Und in den Schlüsselfragen haben sich beide Länder nicht angenähert: Schäuble und Merkel wollen vor allem mehr Haushaltsdisziplin. Hollande und Moscovici wollen direkte Bankenhilfe und Euro-Bonds. Genau das macht es für Berlin auch so schwer, einen Franzosen im Chefsessel der Eurogruppe hinzunehmen. Auch wenn sich Moscovici inzwischen seit Juni für das Amt warmläuft.
Gibt es also doch eine Rotation: Erst Moscovici, und nach anderthalb Jahren über nimmt ein neuer deutscher Finanzminister? Frank-Walter Steinmeier (SPD), wenn es nach der Wahl zu einer großen Koalition kommt? Der Kreis der potenziellen Kandidaten unter den aktuellen Euro-Finanzministern ist jedenfalls klein.
Der Name von Österreichs Ressortchefin Fekter wurde auf den Brüsseler Fluren mehrfach genannt. Sie ist nicht gerade für ihre ausgleichende Kraft und geschickte Diplomatie berühmt, sie hat Juncker schon mehrfach vor den Kopf gestoßen. Zu ihren Trümpfen gehört aber nicht nur, dass Österreich zu den solventeren Ländern der Eurozone zählt. Ihr größter Trumpf wäre, dass sie eine Frau ist.
Vom EU-Parlament werden Merkel und ihre Kollegen massiv unter Druck gesetzt, eine weibliche Spitzenkraft in einen Topposten zu bringen. Und EU-Ratschef Herman Van Rompuy hat den Volksvertretern versichert, er werde sich energisch dafür einsetzen. Eine Kandidatin Fekter könnte auch die deutsch-französische Konfrontation verhindern. Wäre sie denn bereit, Junckers Nachfolge zu übernehmen? „Das werden die Regierungschefs zu entscheiden haben“, sagte sie am Dienstag. Nach einer Absage hörte es sich nicht an.