Eine Lösung im Disput über die Bankenaufsicht in Europa ist in Sicht. Streit droht beim EU-Gipfel über die Reform der Eurozone.
Brüssel. Mit einem Kompromisspapier haben Deutschland und Frankreich den Weg für eine zentrale Bankenaufsicht in Europa freigemacht. Bei dem entscheidenden Treffen der EU-Finanzminister am Mittwoch in Brüssel sagte der irische Finanzminister Michael Noonan, den Ressortchefs liege ein entsprechendes deutsch-französisches Papier vor. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) äußerte sich optimistisch. Bei dem am Donnerstag beginnenden Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs ist hingegen Streit über den Umbau der Eurozone programmiert.
Schäuble und sein französischer Amtskollege Pierre Moscovici verbreiteten Zuversicht und bestätigten intensive Kontakte in den vergangenen Tagen. „Wir haben uns mit unseren französischen Freunden und Partnern natürlich bemüht, unsere Positionen abzustimmen“, sagte Schäuble in Brüssel. Auch Moscovici bestätigte: „Ich glaube, die Parameter für eine Einigung sind vorhanden.“
Gelöst wurden zwei zentrale Fragen: Dazu gehören der Umfang der Aufsicht sowie die strikte Trennung von geldpolitischen Entscheidungen und Bankenaufsicht innerhalb der Europäischen Zentralbank (EZB). Einigen sich die beiden größten EU-Staaten, folgen in der Regel auch die anderen. Allerdings muss ein Beschluss von allen 27 EU-Mitgliedsländern einstimmig gefällt werden. Danach muss noch das EU-Parlament abstimmen, was erst im Januar geschehen dürfte.
In der Schuldenkrise soll die zentrale Aufsicht über die Banken im Euroraum das Vertrauen in die Branche wiederherstellen. Es gilt als Prestigeprojekt im Kampf gegen die Schuldenkrise. Die Aufsicht ist Voraussetzung für direkte Finanzspritzen an marode Banken aus dem Rettungsschirm ESM. Die Bankenaufsicht ist der erste Baustein einer europäischen Bankenunion. Langfristig soll sie von einem Fonds zur Abwicklung maroder Institute sowie einem Topf zur Sicherung der Kundengelder ergänzt werden.
Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen soll der Bankenstreit nicht den an diesem Donnerstag beginnenden Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs belasten. Hauptthema bei dem Spitzentreffen ist der Umbau der Eurozone. Hier ist Streit programmiert: So weist Berlin den Vorstoß von Gipfelchef Herman Van Rompuy zurück, einen eigenen Haushalt der Eurozone zur Abfederung von Finanzschocks einzurichten. Der Belgier hatte einen detaillierten Drei-Stufen-Plan vorlegt, um das gemeinsame Währungsgebiet mit 17 Staaten auf Dauer wetterfest zu machen. Beschlüsse zu dem umstrittenen Eurozonen-Haushalt und anderen Reformen soll es frühestens nächstes Jahr geben.
Vor dem Spitzentreffen rief EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Staatenlenker auf, nicht den Sinn für die Dringlichkeit von Beschlüssen zu verlieren. „Die Lage ist besser geworden, bleibt aber fragil“, sagte der Portugiese vor dem Europaparlament in Straßburg mit Blick auf die Schuldenkrise und die Lage an den Anleihemärkten. „Selbstgefälligkeit ist keine Option.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will bei dem zweitägigen Treffen vor allem über Schritte sprechen, um die Staaten noch wettbewerbsfähiger zu machen. Dazu müssten insbesondere die wirtschaftspolitische Koordinierung und das Zusammenspiel von nationaler und europäischer Ebene verbessert werden, hieß es am Mittwoch aus Regierungskreisen in Berlin.
Nur so könne langfristig das Wachstum in der Europäischen Union gesichert werden. Dazu sei eine höhere Verbindlichkeit auch durch vertragliche Vereinbarungen anzustreben. Ziel bleibe – als Konsequenz aus der Finanz- und Schuldenkrise – die dauerhafte Stabilisierung der Wirtschafts- und Währungsunion.
Die Nachfolge von Jean-Claude Juncker an der Spitze der Eurogruppe könnte am Rande zur Sprache kommen. „Das ist kein Eurozonen-Gipfel“, meinte ein Diplomat. Der Luxemburger will das Amt Ende Januar aufgeben, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin gibt es bisher nicht.
Gipfelchef Van Rompuy hatte in einem 16-seitigen Papier eine Reihe von Reformvorhaben für die Eurozone aufgelistet. Dazu gehören die Bankenaufsicht, Regeln für die Abwicklung von Krisenbanken oder individuelle Reformverträge der Mitgliedstaaten mit den EU-Institutionen.
In Deutschland hat nach der Kür von Peer Steinbrück zum SPD-Kanzlerkandidaten unterdessen der Vorwahlkampf begonnen. Er und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warfen Merkel vor, eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte bisher nicht voranzutreiben. SPD und Grüne würden mit ihren Vorstellungen ein „Kontrastprogramm zu einer willfährigen Bankenpolitik und einem falschen Umgang mit der Eurokrise“ bieten, sagte Trittin. Wer die Krise in Europa überwinden wolle, der müsse für Wachstum sorgen, den Schuldenabbau vorantreiben und die Staatshaftung im Bankensektor beenden.