Laut Finanzstabilitätsrat kann das Institut das globale Finanzsystem ins Wanken bringen und muss nun Kapitalpuffer aufbauen.
Frankfurt. Große Universalbanken wie die Deutsche Bank können das globale Finanzsystem in einer Krise stärker ins Wanken bringen als reine Investmentbanken. Dieser Ansicht ist der Finanzstabilitätsrat (FSB), der im Auftrag der G20-Staaten die Banken an die Kandare nehmen soll. Er stuft vier Häuser als besonders gefährlich ein, die neben dem Investmentbanking auch das Einlagegeschäft mit privaten Kunden betreiben: Die Deutsche Bank, die US-Riesen Citigroup und JP Morgan Chase sowie die britische HSBC müssen bis 2019 einen besonders großen Kapitalpuffer von 9,5 Prozent aufbauen.
Als weniger gefährlich werden die reinen Investmentbanken der New Yorker Wall Street eingestuft – von denen einige eine unrühmliche Rolle in der jüngsten Bankenkrise gespielt haben. Die Einstufung der Bankenaufseher ist Wasser auf die Mühlen der Befürworter eines Trennbankensystems, wie es die Kommission um den finnischen Notenbankchef Erkki Liikanen vorgeschlagen hat.
Die Commerzbank fiel nach ihrem Schrumpfkurs aus der Liste der 28 global systemrelevanten Banken heraus, muss aber wegen ihrer Rolle für die Kreditversorgung der Wirtschaft in Deutschland als „national systemrelevante Bank“ wohl trotzdem mit höheren Auflagen rechnen. „Mit der Fokussierung auf unser kundenorientiertes Kerngeschäft und der Reduzierung von Risiken haben wir bewusst in Kauf genommen, dass wir nicht mehr alle Kriterien für global systemrelevante Banken erfüllen“, sagte ein Sprecher am Freitag. Dennoch sei die Bank in der Lage, ihre Kunden aus dem Mittelstand im Ausland zu begleiten.
Der deutsche Branchenprimus Deutsche Bank ist laut Aufsichtskreisen erst durch die Übernahme der Postbank in die höchste Kategorie der systemrelevanten Banken aufgestiegen. Wenn sie sich im Investmentbanking verspekuliert, wären davon auch die 13 Millionen Postbank-Sparer betroffen. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte, die Einstufung sei keine Überraschung. Auch die Bank selbst hatte damit gerechnet: Finanzvorstand Stefan Krause geht seit einigen Quartalen davon aus, dass das Geldhaus künftig 9,5 Prozent ihrer Bilanzrisiken (RWA) mit Grundkapital und Gewinnrücklagen absichern muss. Bis dahin ist aber noch es ein weiter Weg: Ende September lag sie nach den künftigen Maßstäben noch unter sieben Prozent, erst 2015 soll sie auf zehn Prozent steigen.
Bankenprofessor Hans-Peter Burghof von der Universität in Stuttgart-Hohenheim traut ihr das zu: „Dass die Deutsche Bank im obersten Korb ist, ist per se auch nicht schlecht, schließlich funktioniert ihr Geschäftsmodell. Aber Institute im ersten Topf werden sich überlegen, ob sie einige Geschäfte zurückfahren oder aufgeben, die mit besonders viel Eigenkapital unterlegt werden müssen.“
Der ehemalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte als einer der ersten Banker erkannt, welche Vorteile der Status als „global systemrelevant“ haben kann. Experten schätzen, dass eine Bank von den Ratingagenturen um drei Noten besser bewertet wird, weil sie „too big to fail“ ist – also zu groß, um vom Staat fallengelassen zu werden, falls sie in eine existenzbedrohende Krise käme. Doch diesen Automatismus wollen die Aufseher durchbrechen: Die höheren Kapitalanforderungen sollen den finanziellen Vorteil bei der Refinanzierung durch das bessere Rating ausgleichen. Und auch große, international vernetzte Banken müssten aufgespalten werden können, so dass eine Bank ohne Gefahr für das Geld der Sparer pleitegehen könnte.
Doch das ist schwieriger als gedacht: „Wir haben bis heute keine echte Lösung für Banken, die zu groß sind, als dass der Staat sie einfach insolvent gehen lassen könnte“, räumte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret in einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ (Freitag) ein. „Auf den Zusammenbruch einer großen Bank sind wir heute kaum besser vorbereitet als vor der Finanzkrise.“ Als eines der ersten Länder fordert Deutschland nun von seinen größten Banken Sanierungs- und Abwicklungspläne ein. Die Finanzaufsicht BaFin wollte noch am Freitag mitteilen, was sie dazu konkret von den Banken erwartet.
Durch die Arbeit der Liikanen-Kommission und einen Vorstoß des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück war die Debatte um ein Trennbankensystem neu entfacht worden, in dem das Filialgeschäft vom Investmentbanking oder zumindest vom riskanten Eigenhandel abgeschottet würde. „Die Liste zeigt, dass das als Patentlösung an Unterstützung gewinnt“, sagte Burghof. „Sie geht aber in die falsche Richtung.“ Die Finanzkrise habe schließlich mit einer reinen Investmentbank begonnen: Lehman Brothers.
Die weltgrößte Investmentbank Goldman Sachs könnte sich nach der FSB-Rangliste mit einem Kapitalzuschlag von 1,5 Prozent begnügen. Denn wenn sie pleitegeht, würden dadurch nur Superreiche und Hedgefonds in Mitleidenschaft gezogen. Analyst Dirk Becker von Kepler Equities glaubt aber nicht, dass die Deutsche Bank dadurch im Nachteil wäre: „Die Banken finanzieren sich an den gleichen Märkten und müssen höhere Zinsen bezahlen, wenn sie weniger Eigenkapital haben. Der Markt verlangt von diesen Instituten die gleichen Kapitalquoten – die Einordnung der Aufseher sind da zweitrangig.“