In der Bundesregierung gibt es erhebliche Vorbehalte gegen die geplante Megafusion von EADS und BAE. Konkurrent Boeing bleibt gelassen.

Berlin/Washington. Der US-Flugzeugbauer und Rüstungskonzern Boeing blickt der angedachten Fusion seiner europäischen Rivalen EADS und BAE Systems äußerlich gelassen entgegen. „Ich sehe nicht, dass uns das fundamental schaden wird“, sagte Boeing-Chef Jim McNerney am Mittwoch vor Reportern in Washington. „Ich habe ein ziemlich tiefes und beständiges Vertrauen in die Stärke unseres Unternehmens.“

Boeing konkurriert bei Verkehrsflugzeugen mit der EADS-Tochter Airbus. Die Amerikaner und Europäer sind auch bei der Raumfahrt- und Rüstungstechnik direkte Rivalen. Die schwache Stelle von EADS ist indes das einträgliche Geschäft mit der US-Armee, zu der Boeing einen guten Draht hat – genauso wie die britische BAE. Mit dem geplanten Zusammenschluss könnte EADS seine Kontakte verbessern.

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Die geplante Megafusion in der europäischen Luftfahrt- und Rüstungsindustrie setzt zudem die Regierungen in Berlin, Paris und London unter Zugzwang. Eine Zustimmung der Politik zu einem Zusammenschluss der Airbus-Mutter EADS mit dem britischen Rivalen BAE Systems, mit dem der staatliche Einfluss auf diese hochsensible Schlüsselbranche sinken würde, stand am Donnerstag noch aus. Zunächst stehe eine eingehende Prüfung an, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Berlin. „Eine enge Abstimmung mit der französischen Regierung ist geplant“, erläuterte ein Regierungsvertreter. Derzeit befinde sich die Regierung zudem in „konstruktiven Gesprächen“ mit EADS. Zugleich führt sie die Gespräche über einen Kauf von EADS-Anteilen des Autobauers Daimler weiter.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bestätigte, dass die Regierung das angestrebte Zusammengehen der Luftfahrt- und Rüstungskonzerne EADS und BAE Systems prüft. In der Bundesregierung soll es jedoch erhebliche Vorbehalte gegen die Fusionspläne zwischen dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS und der britischen BAE Systems geben. „Es ist fraglich, ob der Konstruktionsvorschlag überhaupt zustimmungsfähig ist“, wie aus Regierungskreise in Berlin zu erfahren war.

Die beiden Konzerne hatten am Mittwoch mit ihren Fusionsplänen überrascht. Entscheidungen sollen bis zum 10. Oktober fallen. Durch das Zusammengehen entstünde ein neuer Luftfahrt- und Rüstungsgigant, der weltweit größte, mit einem Umsatz von 72 Milliarden Euro. Damit würde er den amerikanischen Marktführer Boeing überrunden.

EADS mit dem Flugzeugbauer Airbus als Herzstück wurde im Jahr 2000 aus der Fusion von drei Unternehmen aus Deutschland, Frankreich und Spanien geschmiedet. Vereinbart wurde eine Machtbalance zwischen den Regierungen in Berlin und Paris, die sich in den Anteilsverhältnissen widerspiegelt. So halten deutsche und französische Aktionäre jeweils rund 22,4 Prozent an EADS. Diese Balance, die auch bei wichtigen Entscheidungen, etwa Verschiebungen im Aktionärskreis, bei der Besetzung von Führungsposition und bei der Aufteilung von Produktions- und Forschungsanteilen gewahrt wird, ist zwischen beiden Ländern mit Verträgen unterlegt. Dieser Aktionärspakt würde bei einer Fusion mit BAE aufgelöst, sagen mehrere mit den Fusionsgesprächen vertraute Personen.

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Die fusionswilligen Unternehmen ködern die Politik in den drei maßgeblichen Ländern aber mit einem Angebot. Sie sollen jeweils eine „Goldene Aktie“ erhalten. Damit könnten sie etwa nicht genehme Übernahmeinteressenten blockieren oder auch ihre sensiblen Interessen im Rüstungsbereich des neuen Großkonzerns schützen, wie aus Verhandlungskreisen verlautete. Andere Vetorechte – etwa gegen Personalentscheidungen – wären mit den Goldenen Aktien aber nicht verbunden, hieß es. Zudem soll die Beteiligung einzelner Aktionäre am fusionierten Unternehmen begrenzt werden. Der politische Einfluss würde also abnehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte erst jüngst auf der Branchenmesse ILA die strategische Bedeutung der Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland betont und diese als wichtigen Innovationsmotor für die gesamte Wirtschaft bezeichnet. Ähnlich sieht es Frankreich, wobei es zwischen beiden Ländern aber seit EADS-Gründung immer wieder Reibereien gab. Geführt wird EADS seit kurzem von dem Deutschen Tom Enders. Der frühere Airbus-Chef hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er den politischen Einfluss im Konzern zurückdrängen möchte.

Ob allerdings die Bundesregierung der Fusion zustimmt, ist gegenwärtig offen. „Es ist noch überhaupt nichts entschieden“, sagte ein Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters. So ohne weiteres ausbooten lassen wolle sich Deutschland jedenfalls nicht. Daher sollen die Verkaufsgespräche mit Daimler über den Ankauf einer EADS-Beteiligung über 7,5 Prozent durch die Staatsbank KfW weiterlaufen. Daimler hält derzeit noch 15 Prozent am EADS-Kapital und will seit langem Teile des Pakets verkaufen. Womöglich könnten die Stuttgarter aber nun die Möglichkeit bekommen, dies über die Börse zu tun.

Vonseiten der Industrie hieß es, ohne ermutigende Signale aus der Politik wären die Gespräche über eine Fusion kaum aufgenommen worden. Auch der französische EADS-Großaktionär Lagardere kündigte an, vor einer Zustimmung das Vorhaben gründlich zu prüfen. Nach Einschätzung von Analyst Charles Bedouelle von Exane BNP Paribas würde die Fusion dem Lagardere-Konzern wahrscheinlich dabei helfen, sich von seinem EADS-Anteil von 7,5 Prozent zu trennen und ein großes Stück des Erlöses an die Aktionäre weiterzugeben.

In den USA, wo die Wettbewerbsbehörden ebenfalls zustimmen müssen, ist keine Blockade des Zusammenschlusses zu erwarten. Es sei eher unwahrscheinlich, dass sich das US-Verteidigungsministerium oder die Kartellwächter dem Vorhaben in den Weg stellen, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen. Dies hänge unter anderem damit zusammen, dass EADS nur wenige staatliche US-Rüstungsaufträge erhalten habe. Ferner gebe es wenig Überlappungen in den Geschäften von EADS und dem Kampfhubschrauber- und U-Boote-Hersteller BAE in den USA.

An der Börse rutschten EADS-Papiere um zeitweise bis zu elf Prozent ab, und auch BAE-Aktien fielen nach früheren Gewinnen deutlich zurück. Dagegen zog die Lagardere-Aktie gut zwei Prozent an. „Der Kursrutsch von EADS hängt mit der implizierten Bewertung aus dem Zusammengehen mit BAE zusammen. Analysten gehen da von einer Verwässerung für EADS aus“, erläuterte Marktanalyst Heino Ruland von Ruland Research. Strategisch mache ein Zusammenschluss durchaus Sinn, urteilten viele Experten. EADS erhalte mit BAE eine stärkere Position im Rüstungsgeschäft und auf dem US-Markt.

Airbus selbst verspricht sich einen Schub durch den Zusammenschluss, weil dieser die Mutter EADS stärken werde. In einem Reuters vorliegenden Schreiben an die Beschäftigten ergänzte Airbus-Chef Fabrice Bregier, das Tagesgeschäft seines Unternehmens werde durch das Vorhaben nicht betroffen sein. Nach Auffassung der Analysten von Mediobanca setzen die Fusionspläne nun den italienischen Rüstungskonzern Finmeccanica unter Druck. Diesem bleibe nun nur noch der französische Thales -Konzern als Partner übrig.

mit Material von dpa und dapd