Besonders in Südeuropa leiden die Jungen unter der Euro-Krise und positive Ansätze wie aus Deutschland sind nicht einfach übertragbar.

Frankfurt/Main. Im Vergleich zu den europäischen Nachbarn schwächelt der Arbeitsmarkt in Deutschland auf sehr hohem Niveau: Zwar ist Im Juli ist die Arbeitslosenzahl bundesweit auf 2,876 Millionen gestiegen – doch der Anstieg der deutschen Arbeitslosenquote um 0,2 Punkte auf 6,8 Prozent dürfte in den Ohren der jungen Menschen in der Eurozone wie eine hoffnungsvolle Nachricht klingen.

Denn im EU-Vergleich haben junge Menschen hierzulande die besten Chancen auf einen Arbeitsplatz und eine Ausbildung – das hat der statistische Vergleich der Erwerbslosenzahlen für Juli wieder ergeben. Besonders dramatische Anstiege mussten die ohnehin schon gebeutelten Krisenstaaten in Südeuropa verkraften. In Griechenland kletterte die Quote um fast 9 Punkte auf den EU-Spitzenwert von 52,8 Prozent. Auch in Spanien (plus 6,8 Punkte) war bei einer Quote von 52,7 Prozent mehr als jeder zweite junge Mensch erwerbslos.

+++ Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland am niedrigsten +++

+++ Noch 700 offene Lehrstellen in Hamburg +++

Während hierzulande nach Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) die Zahl der jungen Erwerbslosen auf historische Tiefstände sinkt, wächst in den südlichen Krisenstaaten das Heer der jungen Jobsucher auf mehr als die Hälfte ihrer Generation. EU-weit ist fast ein Viertel der 15 bis 24-Jährigen erwerbslos, das sind fast 5,5 Millionen junge Menschen.

+++ Arbeitslosigkeit in Euro-Ländern auf Rekordhoch +++

„Damit war in der EU nahezu jeder vierte junge Mensch, der arbeiten wollte und konnte, ohne Arbeit“, erklärten die Statistiker am Freitag in Wiesbaden anlässlich des Internationalen Tags der Jugend (12. August). Die Quote liegt im Juli damit EU-weit bei 22,6 Prozent und damit 1,4 Punkte höher als im Juni 2011. In Deutschland beträgt die Quote in dieser Altersgruppe nur 7,9 Prozent oder 350.000 Menschen.

Bereits im Juli hatte die ILO vor einer folgenschweren Zunahme der Arbeitslosigkeit in der Eurozone gewarnt. Ohne politische und wirtschaftliche Gegenmaßnahmen drohen der UN-Sonderorganisation zufolge in den nächsten vier Jahren weitere 4,5 Millionen Jobs verloren zu gehen. Die Zahl der Arbeitslosen in den 17 Staaten der Eurozone würde dadurch von derzeit insgesamt 17,4 Millionen auf rund 22 Millionen anwachsen, warnte die ILO in einer Studie.

Von einer verlorenen Generation ist bereits die Rede, EU-Sozialkommissar Laszlo Andor warnt vor sozialem Zerfall und politischem Radikalismus. Doch Patentrezepte gibt es nicht. „Jugendarbeitslosigkeit in einer alternden Gesellschaft ist nicht irgendein Problem. Sie ist ein Wahnsinn“, schreibt „Die Zeit“. Die Probleme fußen nach Einschätzung von Experten überall auf denselben Ursachen: Den Jungen fehlen Berufserfahrung und soziale Kontakte in die Arbeitswelt, während sich die älteren Arbeitsplatzinhaber vor Jobverlust gut zu schützen wissen. Im Krisenfall, der in Südeuropa zweifellos eingetreten ist, müssen nach dem Senioritätsprinzip zuerst die gehen, die als letzte gekommen sind.

+++ Arbeitsmarkt im Juli in der Sommerflaute - mehr Jobsuchende in Hamburg +++

+++ ILO: Eurozone droht der Verlust von 4,5 Millionen Jobs +++

Während die Volkswirtschaften Europas auseinanderdriften, können starke Mitgliedsländer wie Deutschland oder Österreich zusätzlich von ihrem besonderen dualen Ausbildungssystem in Betrieben und Berufsschulen profitieren. „Es bietet jungen Menschen sehr früh einen Zugang in die Arbeitswelt. Wer einmal den Fuß drin hat, bleibt leichter drin“, sagt Brigitte Schels vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Die Vorteile hat beispielsweise der Kasseler Kunststoff-Fabrikant Hans Karl Caprano in seinem auch in Spanien aktiven Unternehmen selbst erfahren: Die dual ausgebildeten Deutschen fänden sich mit ihrem Fachwissen deutlich besser zurecht als die Ingenieure frisch von den spanischen Hochschulen, berichtet er.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wirbt dafür, dass junge Südeuropäer in den florierenden deutschen Betrieben die Lücken unter den Auszubildenden füllen. Der gemeinsame europäische Arbeitsmarkt sei gefordert und müsse besser organisiert werden. Doch die jungen, motivierten Zuwanderer lassen auf sich warten, während der Übertragbarkeit deutscher Traditionen in ihre Heimatländer ebenfalls Grenzen gesetzt scheinen. Das IAB berichtet zwar vom großen Interesse der EU-Staaten. „Man darf aber nicht vergessen, dass die enge Zusammenarbeit der Berufsschulen und der Betriebe hier über lange Jahre gewachsen ist. Die Betriebe sind hier auch bereit, in ihren Nachwuchs zu investieren“, sagt IAB-Fachfrau Schels.

Die EU hat erste Programme aufgelegt, um insbesondere die europäische Arbeitsvermittlung zu intensivieren, die bislang nur in Ansätzen wie dem Stellenportal „Eures“ vorhanden ist. Justina Alichniewicz, Wissenschaftlerin beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, empfiehlt den Staaten Anreize für Unternehmen wie zum Beispiel die befristete Freistellung von Sozialabgaben und Lohnsteuer, wenn junge Mitarbeiter eingestellt werden.

Dringend müsse auch die Zahl der Schulabbrecher, die EU-weit bei 14 Prozent liege, reduziert werden. Sie seien die eigentlichen Sorgenkinder. Viele kleinere Staaten setzten auf Früherkennung der Problemfälle mit anschließender spezieller Förderung. Schließlich müssten Programme für den Berufsstart für diejenigen Jugendlichen angeboten werden, die nicht sofort Zugang zu weiterführender Bildung oder Ausbildung gefunden haben.

Dass auch im deutschen System nicht alles glänzt, haben die Arbeitswissenschaftler Thomas Langhoff und Julia Kramer für die gewerkschaftliche Boeckler-Stiftung zusammengetragen. Immerhin jede fünfte Lehre wird hierzulande nach ersten Konflikten oder wegen falscher Erwartungen abgebrochen – eine Quote, die Gewerkschaften wie Betriebe dringend senken wollen. Auch die dann Ausgebildeten haben es nicht leicht: Befristete Jobs oder Leiharbeit sind auch am deutschen Arbeitsmarkt vorwiegend Probleme der Jungen.