Neue Vorschläge im Kampf gegen die Eurokrise: Italiens Premier Monti empfiehlt den Regierungschefs weniger Rücksichtnahme auf ihre Parlamente.

Berlin. Helle Empörung in Berlin, Kopfschütteln in Brüssel: Italiens Ministerpräsident Mario Monti hat mit seiner Forderung nach mehr Unabhängigkeit der nationalen Regierungen von ihren Parlamenten massiven Widerspruch geerntet. Bundesregierung, Bundestag und EU-Kommission lehnten eine Einschränkung der parlamentarischen Mitspracherechte im Kampf gegen die Eurokrise am Montag strikt ab.

Heftigen Widerspruch in der schwarz-gelben Koalition löste auch SPD-Chef Sigmar Gabriel aus. Er plädierte für eine offene gemeinschaftliche Haftung für die Schulden aller Euro-Staaten – bei gleichzeitiger strenger gemeinsamer Haushaltskontrolle. Voraussetzung dafür wäre eine Abgabe von nationalen Souveränitätsrechten an Europa, die nach dem Grundgesetz zwingend auch eine Volksabstimmung erfordere.

Vertreter von Union und FDP warfen Gabriel vor, er strebe eine Schuldenunion zulasten Deutschlands an. Die Bundesregierung bezeichnete eine Volksabstimmung zur Europapolitik als Zukunftsmusik. Von Ökonomen kam dagegen Zustimmung. Gabriel selbst erklärte: „Sie werden den Euro nicht zusammenhalten, ohne eine gemeinsame Steuer- und Finanzpolitik.“

Monti hatte im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ erklärt, die Schuldenkrise drohe das Projekt Europa zu zerstören. Zugleich warnte er: „Wenn sich Regierungen vollständig durch die Entscheidungen ihrer Parlamente binden ließen, ohne einen eigenen Verhandlungsspielraum zu bewahren, wäre das Auseinanderbrechen Europas wahrscheinlicher als eine engere Integration.“

Kanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU) verteidigten die Mitspracherechte des Bundestages in der Europapolitik hingegen als unverzichtbar. Genau diese Rechte stehen am 12. September auch bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Euro-Rettungsschirm ESM auf dem Prüfstand.

„Es ist die Auffassung der Bundeskanzlerin, dass wir in Deutschland mit dem richtigem Maß an Unterstützung durch das Parlament und dem richtigen Maß an der Beteiligung des Parlaments eigentlich immer gut gefahren sind“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Außerdem habe Karlsruhe mehrfach darauf hingewiesen, dass der Bundestag „eher mehr als weniger zu beteiligen ist“.

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Lammert betonte, die Einbindung des Parlaments sei nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen unverzichtbar, sondern auch eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz bei den Bürgern. „Es ist in jedem Fall eher hinzunehmen, dass die Erwartungen der Märkte durch unsere Rechtsordnung und unsere Demokratie enttäuscht werden als umgekehrt unsere Rechtsordnung durch die Verselbstständigung der Märkte“, betonte er.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte: „Wir brauchen eine Stärkung, nicht Schwächung der demokratischen Legitimation in Europa.“ Die EU-Kommission verwies auf die Rechtslage. „Wir respektieren vollständig die Kompetenzen der nationalen Parlamente in all diesen Prozessen“, sagte ein Sprecher in Brüssel.

Für Verärgerung sorgten nicht nur die Äußerungen von Monti, sondern auch die scharfen Töne führender CSU-Politiker. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte Merkel auf, die CSU zur Ordnung zu rufen. Westerwelle mahnte zur Mäßigung. „Der Ton der Debatte ist sehr gefährlich. Wir müssen aufpassen, dass wir Europa nicht zerreden“, sagte der FDP-Politiker.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) hatte zuletzt gefordert, Griechenland solle noch in diesem Jahr die Euro-Zone verlassen, CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warf EZB-Chef Mario Draghi vor, die EZB für italienische Interessen zu missbrauchen. Streiter erklärte dazu am Montag: „Die Bundesregierung hat keinerlei Zweifel daran, dass alles, was die Europäische Zentralbank tut, sich im Rahmen ihres Auftrages bewegt.“

(dpa)