Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger plant ein Gesetz, dass Street View die Sammlung von Fotodaten erschwert.
Datensammlern wie Google müssen engere Grenzen gesteckt werden, da sind sich Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und ihre Länderkollegen einig. Für den Dienst Street View der größten Suchmaschine werden ganze Straßenzüge fotografiert und anschließend ins Netz gestellt.
Um die Rechte von Bürgern stärker zu schützen, forcieren die Minister eine Gesetzesinitiative aus Hamburg. Sie sieht vor, dass bei systematischen Foto- und Filmsammlungen mehr anonymisiert werden muss. Betroffene sollen außerdem der Verarbeitung und Nutzung der Bilder widersprechen können.
Deutlich kritisiert haben die Minister ihren Kollegen, Innenminister Thomas de Maizière, der diese Woche eine Grundsatzrede zur deutschen Netzpolitik gehalten hat. 14 Thesen stellte er zur Diskussion. Ihnen zu Folge habe er eigentlich erklärt, dass nichts zu unternehmen sei. Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer sieht das etwas anders und bewertet die Thesen grundsätzlich positiv. Aber er sagt auch: „Die konkrete Ausgestaltung wird zum Lackmustest für die Hightech-Politik der Bundesregierung.“
Aber auch wenn es so aussehen mag: Informationen und Datenspuren, genauso wie Personen, die in der Online-Welt unterwegs sind, bewegen sich schon heute nicht im rechtsfreien Raum. Probleme ergeben aber die schlechte Durchsetzbarkeit der Ansprüche und ein vorherrschendes Regelwirrwarr. Hier setzt die Kritik von Rechts- und Datenschutzexperten an.
Einen kleinen Ausschnitt des „Internetrechts“ regelt das Telemediengesetz: Betroffen von diesen Bestimmungen sind Daten, die Nutzer angeben, wenn sie sich etwa bei Facebook, StudiVZ oder in Foren anmelden. Grundsätzlich gilt: Ohne Zustimmung des Nutzers geht gar nichts. Das große Aber: „Nichts ist so leicht, wie diese einzuholen“, sagt Niko Härting, von Härting Rechtsanwälte und Mitglied des Informationsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins. Schließlich kann niemand gezwungen werden, das „Kleingedruckte“ zu lesen.
Streit gibt es außerdem oft über folgende Frage: Müssen Beiträge von Nutzern, die ihren Account abgemeldet haben, in Foren und auf Plattformen gelöscht werden? „Das kommt auf die Bedingungen an, die der Seitenbetreiber aufstellt und denen der Nutzer zugestimmt hat“, sagt Härting. Oft haben Plattformen ein berechtigtes Interesse, dass alte Beiträge nicht gelöscht werden. In Foren wäre das Entfernen einzelner Statements sinnwidrig.
Teilweise wissen Nutzer aber gar nicht, dass ihre Daten weitergegeben werden oder haben dem widersprochen. „Dann erst tritt das Bundesdatenschutzgesetz auf den Plan“, sagt Härting. Ein großer Kritikpunkt an dem Regelwerk: Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1990, also einer Zeit bevor das Internet zu dem wurde was es heute ist – ein Massenmedium.
„Das führt dazu, dass viele Regelungen einfach nicht mehr passen – auch der BGH sieht das in vielen Fällen so und wendet das Gesetz dann gar nicht mehr an“, sagt Thilo Weichert vom Landeszentrum für Datenschutz Schleswig Holstein. Eine pauschale Antwort auf die Frage, welche Informationen nach Bundesdatenschutzgesetz gespeichert und verbreitet werden dürfen, gibt es daher nicht. „Im Ergebnis findet eine Abwägung zwischen Informations- und Meinungsfreiheit und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Einzelnen statt“, sagt Weichert.
Verbraucher haben Anspruch auf Löschung von Daten
Das heißt nicht, dass Verbraucher anspruchslos und ohne Schutz im Regen stehen. Gegenüber Seitenbetreibern haben sie beispielsweise Auskunftsrechte über gespeicherte Daten sowie Anspruch darauf, dass Informationen gelöscht werden. „Das ist gesetzlich gewährleistet“, sagt Weichert. Die Aufsichtsbehörden, also der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit und die Beauftragten der Länder, gehen zusätzlich gegen Unternehmen vor.
Geht es darum, unberechtigt verwendete Fotos oder Schmähkritik von Seiten verschwinden zu lassen, sollte der Verbraucher mit dem Inhaber der Seite in Kontakt treten, rät Härting. Denn Unternehmen reagieren dann meist höchst sensibel, so die Erfahrung des Rechtsanwalts: „Es stellt sich erstaunlich selten das Problem, dass Seitenbetreiber nicht reagieren.“ Beschwerden, sowohl von offizieller als auch privater Seite, führten regelmäßig dazu, dass fragwürdige Inhalte gelöscht werden – das gelte global.
Grenzen setzt hier vor allem die tatsächliche Herausforderung, etwas einmal ins Netz gestellte, ganz zu entfernen. Denn den viel gepriesenen „Radiergummi fürs Netz“ gibt es nicht. „Darüber muss man sich im Klaren sein, wenn man das Internet nutzt: Verbreiten mit Copy and Paste ist absolut üblich – davon lebt das Web“, sagt Weichert.
Einen Großteil von Rechtsverstößen begehen viele Nutzer selbst, weiß Härting – und machen sich so oft schadenersatzpflichtig: „Viele verwenden Bilder, die sie im Internet gefunden haben – ganz ohne böse Gedanken dabei.“ Das Verwenden von fremden Fotos kann einen stolzen dreistelligen Betrag kosten.
Um die eigenen Rechte zu schützen, raten Datenschutzexperten seit jeher zur Datensparsamkeit. Und das gilt nicht nur für die eigenen Daten sondern auch für die Daten von Bekannten. Das zeigt auch, dass de Maizière mit seinen Thesen nicht ganz falsch liegt. „Bewusstsein für gemeinsame Werte schaffen“, lautet die erste. Das bedeutet auch, Selbstbestimmung, Verantwortung und gegenseitiger Respekt unter den Nutzern. Wie viel der Einzelne über sich und andere preisgibt, hat er zu großen Stücken selbst in der Hand.